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OGH vom 29.11.2018, 2Ob209/17z

OGH vom 29.11.2018, 2Ob209/17z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** S*****, vertreten durch Mag. Alexander Gerngross und Mag. Klaus Köck, Rechtsanwälte in Premstätten bei Graz, gegen die beklagte Partei M***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Lirk Spielbüchler Hirtzberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Ö*****I***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 10.205,56 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Teilzwischenurteil des Landesgerichts Salzbug als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 54/17y50, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 32 C 220/15y44, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Rechtsstreits sind Schadenersatzansprüche des Klägers, der am im Hauptbahnhof Salzburg zu Sturz kam und sich dabei verletzte. Die beklagte Partei war mit den Reinigungsarbeiten betraut.

Der Kläger ist als Triebwagenführer bei der Ö*****-P***** Gesellschaft mbH (idF: Arbeitgeberin) beschäftigt und hielt sich am arbeitsbedingt am Hauptbahnhof Salzburg (idF: Bahnhof) auf.

An der Arbeitgeberin sind zu je 50 % die Ö*****-Pe***** AG und die R***** AG beteiligt. Alleinaktionärin dieser beiden Gesellschaften ist die Ö***** B*****-H***** AG, deren Alleinaktionärin die R***** Ö***** ist. Die Ö***** B*****-H***** AG ist auch Alleinaktionärin der Nebenintervenientin, in deren Eigentum der Bahnhof steht. Unternehmenszweck des gesamten Ö*****-Konzerns ist die Beförderung von Personen und Gütern auf der Schiene. Die Nebenintervenientin stellt dafür die Infrastruktur zur Verfügung, die Eisenbahnverkehrs-
unternehmen Züge und Lokomotiven. Jede für sich alleine könnte das Unternehmensziel nicht erreichen.

Die Nebenintervenientin schloss mit der Arbeitgeberin des Klägers am einen Infrastrukturnutzungsvertrag mit einer Laufzeit vom bis ab, demzufolge die Mitarbeiter der Arbeitgeberin der Nebenintervenientin in sicherheits- und bahnbetrieblichen Belangen weisungsunterworfen sind und deren „Dienstvorschrift V3 Betriebsvorschrift“ zu beachten haben, solange sie sich auf Anlagen der Nebenintervenientin aufhalten.

Für die bestmögliche Bewirtschaftung und Verwaltung der Liegenschaften der Nebenintervenientin
– somit auch des Bahnhofs – hat nach dem mit der Nebenintervenientin am 4./ abgeschlossenen Immobilienmanagementvertrag 2010 die Ö*****-I***** GmbH (idF: Verwalterin) zu sorgen. Auf der Basis dieses Vertrags schloss die Nebenintervenientin, vertreten durch die Verwalterin, am mit der beklagten Partei, deren Kommanditistin die Nebenintervenientin ist und deren Komplementärin, die M***** GmbH wieder im Alleineigentum der Nebenintervenientin steht, eine Jahresleistungsvereinbarung für das Jahr 2012 über die Erbringung von Security-, Service- und Reinigungsdienstleistungen ab. Die Nebenintervenientin hatte zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Jahre klaglos mit der beklagten Partei zusammengearbeitet. Die beklagte Partei war somit am Unfallstag am Bahnhof ua mit der Erbringung von Reinigungsleistungen betraut. Sie erbrachte die vereinbarten Dienstleistungen selbständig, in eigenverantwortlicher Planung der eigenen Ressourcen.

Die Tätigkeit der beklagten Partei wurde von einem Objektbetreuer der Verwalterin in der Form kontrolliert, dass er täglich zwischen 7:00 Uhr und 16:00 Uhr einen Rundgang samt Sichtkontrolle sowie alle 14 Tage einen sogenannten Objektcheck durchführte.

Am informierte ein Mitarbeiter der Nebenintervenientin seine Kollegen, darunter H***** F*****, Bereichsleiter der beklagten Partei, davon, dass in Notfällen in der Kassenhalle der feine Quarzsand für die Bahnsteigpflasterung, nicht aber Streusalz, eingesetzt werden dürfe, wobei jedoch im Vorfeld alle anderen Hilfsmittel verwendet werden sollten.

Am Morgen des kam es zum Thema „Rutschen in unserer Bahnhofshalle“ zu einem Lokalaugenschein, bei dem festgestellt wurde, dass aufgrund der noch nicht fertigen Fußbodenheizung der Boden im Winter und bei Schneefall rutschig wird. Es wurde festgehalten, dass die beklagte Partei mit einer Reinigungsmaschine in der Kassenhalle verstärkt die hereingetragenen Schnee- und Wassermengen entfernen müsse. Weiters wurde vereinbart, dass die beklagte Partei für die Monate Februar und März für die Zeit von 20:00 Uhr bis 24:00 Uhr und von 4:00 Uhr bis 6:00 Uhr eine Reinigungskraft anbieten werde, die sich um den Eingangsbereich Kassenhalle und den Zugangsbereich der Fahrtreppen kümmern werde; die Zeit zwischen 0:00 Uhr und 4:00 Uhr werde diesbezüglich von Security-Mitarbeitern abgedeckt. Diese Vereinbarungen wurden sofort umgesetzt.

Am richtete der Bereichsleiter der beklagten Partei an seine Mitarbeiter am Bahnhof eine Dienstanweisung „Betreff: Schnee und Nässe in Kassenhalle […]“ mit folgendem Inhalt:

„Es ist in der Zeit von 24:00 bis 04:00 darauf zu achten, wenn im Eingangsbereich Kassenhalle und den Zugangsbereich Fahrtreppen Schnee oder Schneematsch festgestellt wird, diesen mit unseren Gummiabziehern frei zu halten.“

Am selben Tag richtete der Bereichsleiter der beklagten Partei an seine Mitarbeiter am Bahnhof die weitere Dienstanweisung „Betreff: Reinigung Kassenhalle […]“ mit folgendem Inhalt:

„Bei Temperaturen unter 5 Grad Plus wird darauf hingewiesen, unsere Reinigungsmaschine nicht mit Wasser zu befüllen, sondern nur die nassen Stellen mit unserer Maschine aufzusaugen bzw. liegenbleibenden Schnee mit unseren Gummiabziehern zu entfernen.“

Mit E-Mail vom , 12:52 Uhr teilte der Bereichsleiter der beklagten Partei dem Teamleiter der Verwalterin und der Serviceline der beklagten Partei mit, dass „Gefahr im Verzug“ bestehe:

„Auf Grund der nassen Witterung und der niedrigen Temperaturen ist eine gefahrlose Begehung für Reisende in der Eingangshalle [...] nicht mehr möglich. Eine Salzstreuung/Streusplit ist laut [...] nicht erlaubt. Auch sonst gibt es keine rutschhemmenden Materialien. Ich bitte um weitere Anweisung.“

Zum Unfallszeitpunkt herrschte winterliches Wetter mit schwachem Wind; rund um den Bahnhof befand sich am frostigen Boden eine geschlossene Schneedecke. Am Unfallsort, der durch die geöffnete Passagendecke natürlich belüftet wird, herrschten zu diesem Zeitpunkt negative Temperaturen.

Um 23:55 Uhr des passierte zumindest ein diensthabender Security-Mitarbeiter der beklagten Partei den Kontrollpunkt bei den Bahnsteigen 2 und 3 vor der Fahrtreppe. Gegen 0:00 Uhr befand er sich im späteren Unfallsbereich. Obwohl von seinem Aufgabenbereich umfasst, untersuchte er diesen Bereich nicht auf Feuchtigkeit, Nässe, Eisbildung oder dergleichen. Bei sorgfältiger und aufmerksamer Kontrolle hätte ihm dort Nässe bzw Vereisung auffallen müssen und er hätte dafür Sorge tragen können und müssen, dass diese Stelle abgesperrt und aufgetrocknet wird.

Der Kläger überstellte am ein Triebfahrzeug nach Salzburg und sollte anschließend laut seinem Dienstplan die Nacht in Salzburg verbringen. Er fuhr vom Bahnsteig 2 mit der Rolltreppe in den Verbindungsgang zur Eingangshalle und ging dort – er benutzte dabei den von der Nebenintervenientin vorgeschriebenen Dienstweg – gegen 0:05 Uhr des Richtung Halle, als er nach 10 bis 15 Schritten plötzlich mit dem rechten Fuß wegrutschte und zu Sturz kam. Der Kläger trug zu diesem Zeitpunkt die vorgeschriebenen Sicherheitsschuhe, rutschte aber dennoch auf dem dünnen Eisfilm, der sich auf dem nicht gestreuten Boden gebildet hatte, aus. Dieser Eisfilm entstand durch gefrierendes Wasser, das von durch Passanten hereingetragenem Schnee, der zwischenzeitig abgeschmolzen war, stammte. Zu diesem Zeitpunkt waren im Unfallsbereich keine Warntafeln angebracht, die auf die Rutschgefahr hingewiesen hätten.

Durch diesen Sturz erlitt der Kläger eine Außenknöchelfraktur am rechten Bein.

Der Kläger begehrt aus dem Titel des Schadenersatzes insgesamt 10.205,56 EUR sA sowie aufgrund der Tatsache, dass seine Heilbehandlung noch nicht abgeschlossen sei und Dauer- bzw Spätfolgen nicht ausgeschlossen werden könnten, die Feststellung, dass die beklagte Partei ihm für alle zukünftigen Schäden aus diesem Unfall hafte.

Der von ihm benutzte Verbindungsgang (Dienstweg) sei nicht ausreichend gereinigt und gestreut gewesen, sodass er trotz Verwendung der vorgeschriebenen Sicherheitsschuhe mit tiefem Profil aufgrund des eisglatten Bodens ausgerutscht und gestürzt sei. Er habe keine Möglichkeit gehabt, diesen Sturz zu verhindern. Im Sturzbereich seien weder eine Schutzmatte noch ein Warnschild vorhanden gewesen. Zwischen ihm und der beklagten Partei liege zwar kein direktes Vertragsverhältnis vor, letztere hafte ihm jedoch aufgrund der zwischen ihr und der Nebenintervenientin abgeschlossenen Vereinbarung, bei der es sich um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter handle. Die in diesem Vertrag enthaltenen Verkehrssicherungspflichten sowie Schutz- und Sorgfaltsverpflichtungen betreffend den Boden bzw die Bodenreinigung erstrecken sich auf den Kläger als Benutzer des Verbindungsgangs.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte Klagsabweisung und brachte ihrerseits vor, sie erbringe seit Jahren die Reinigungsdienstleistungen am Bahnhof zur Zufriedenheit der Auftraggeberin. Die behauptete Verletzung von Vertrags- bzw Sorgfaltspflichten liege nicht vor. Insbesondere seien die Anweisungen gemäß der Leistungsbeschreibung sowie die im Unfallzeitpunkt ausgegebenen Dienstanweisungen strikt eingehalten worden. Zudem scheitere eine Haftung der beklagten Partei auch an der fehlenden Rechtsgrundlage. Eine deliktische Haftung komme nicht in Betracht; ein Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen bestehe nicht. Auch eine Haftung im Sinne eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter liege nicht vor, weil dem Kläger gegen seine Arbeitgeberin ein deckungsgleicher Anspruch zustehe.

Die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei beantragte ebenfalls die kostenpflichtige Klagsabweisung und brachte im Wesentlichen vor:

Aufgrund des zwischen der Nebenintervenientin und der Verwalterin per geschlossenen Immobilienmanagementvertrags 2010 besorge die letztere die Bewirtschaftung (einschließlich Verwaltung) und Verwertung der Liegenschaften der Nebenintervenientin. Sie bekleide die Position einer Hausverwaltung. Zum Zwecke der Besorgung von Reinigungsdienstleistungen sei mit der hier beklagten Partei per eine Jahresleistungsvereinbarung für das Jahr 2012 abgeschlossen worden. Die beklagte Partei sei ein Dienstleistungsunternehmen, das keine Verkehrssicherungs-
pflicht treffe. Der Terrazzoboden in der Kassenhalle des Hauptbahnhofs Salzburg weise eine ausreichende Rutschhemmung auf. Am Unfallstag seien überdies gelbe Warnschilder „Achtung Rutschgefahr“ aufgestellt gewesen. Der beklagten Partei komme als konzernverbundenes Unternehmen des Ö*****-Konzerns im Sinne der § 115 Abs 2 GmbHG bzw § 15 AktG im Verhältnis zum Kläger das Dienstgeberhaftungsprivileg zu. Auch wenn die Arbeitgeberin des Klägers und die beklagte Partei rechtlich selbständige Unternehmen seien, so stünden sie ebenso wie die übrigen Gesellschaften unter einheitlicher Leitung der Ö*****-H***** AG, deren Anteile zur Gänze dem Bund vorbehalten seien. Die Arbeitgeberin des Klägers und die beklagte Partei seien Nebenunternehmen, welche im Zusammenwirken mit den übrigen Gesellschaften den wirtschaftlichen Unternehmenszweck der Ö***** B*****
– nämlich die Transportleistung von Personen und/oder Gütern – gemeinsam verfolgten. Auch sei dem Kläger ein Mitverschulden von 50 % anzulasten, weil er in eigenen Angelegenheiten sorglos gewesen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Der beklagten Partei komme das Dienstgeberhaftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG zu, weil sie – ebenso wie die Arbeitgeberin des Klägers – Teil des der R***** Ö***** als Alleinaktionärin gehörenden Ö*****-Konzerns sei. Da der Unfall des Klägers unbestritten nicht vorsätzlich verursacht worden sei, bestehe kein Anspruch gegen die beklagte Partei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung insoweit Folge, als es in Bezug auf das Leistungsbegehren mit Teilzwischenurteil die Haftung der beklagten Partei dem Grunde nach aussprach und im Übrigen die Entscheidung über das Feststellungsbegehren aufhob.

Die Nebenintervenientin habe sich zur Bereitstellung eines sauberen und sicheren Bahnhofs vertraglich der beklagten Partei bedient. Ein solcher Vertrag entfalte Schutzwirkung gegenüber dritten Personen, insbesondere auch dem Kläger als Dienstnehmer seiner Arbeitgeberin, die wiederum über einen Infrastrukturnutzungsvertrag die Nutzungsbefugnis des Bahnhofs erhalten habe. Ein direkter vertraglicher Anspruch des Klägers gegen einen Vertragspartner, der die Berufung auf den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter unmöglich mache, bestehe hier nicht, zumal direkte Ansprüche gegen die Arbeitgeberin vom Haftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG ausgeschlossen wären.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu den Fragen zu, ob und unter welchen Voraussetzungen der beklagten Partei als Teil der „gesellschaftsrechtlich umstrukturierten Ö*****“ das Haftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG zukomme und ob sich der Kläger bei der gegebenen „gesellschaftsrechtlichen und vertragsrechtlichen Konstruktion“ auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter berufen könne.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin, die aufgrund ihrer nahezu wortidenten Übereinstimmung gemeinsam behandelt werden können. Sie beantragen jeweils, das Klagebegehren abzuweisen, und stellen hilfsweise Aufhebungsanträge.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revisionen zurückzuweisen; hilfsweise, ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig, weil es einer Klarstellung der Rechtslage im Sinne der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung bedarf. Die Rechtsmittel sind aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerber wenden sich gegen die Ansicht, dass der Kläger in den Schutzbereich des Reinigungsvertrags falle. Den Parteien dieses Vertrags könne nicht unterstellt werden, sie hätten bei Abschluss des Vertrags den Schutz und die Fürsorge von Mitarbeitern der Eisenbahnverkehrsunternehmen im Sinn gehabt. Auch sei zugunsten der beklagten Partei das Dienstgeberhaftungsprivileg anzuwenden, weil auch sie Teil des Ö*****-Konzerns sei. Insoweit wiederholen die Revisionswerber das Vorbringen der Nebenintervenientin in erster Instanz. Letztlich komme dem Kläger das Allein-, jedenfalls aber ein Mitverschulden zu, weil er nicht ausreichend aufmerksam gewesen sei.

1. Zum Umfang des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter:

1.1 In Lehre und Rechtsprechung ist heute allgemein anerkannt, dass Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis nicht nur zwischen den Vertragsparteien, sondern auch gegenüber bestimmten dritten Personen bestehen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maße gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. In diesem Fall erwirbt der Dritte unmittelbare vertragliche Ansprüche gegen den Schuldner (RIS-Justiz RS0037785 [T39, T 45]), der dann auch gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden jener Personen haftet, deren er sich zur Erfüllung bediente (3 Ob 265/02w; 6 Ob 21/04p uva). Begünstigte Personen in diesem Sinne sind Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluss vorhersehbar war und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte, an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat, oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist („Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter“; grundlegend F. Bydlinski, JBl 1960, 363; vgl ferner Karner, KBB5 § 1295 ABGB Rz 19; 4 Ob 203/00g; 2 Ob 226/05g; RIS-Justiz RS0037785 [T5, T 22]; RS0034594). Der begünstigte Personenkreis ist aufgrund einer objektiven Auslegung des Vertrags zu bestimmen (2 Ob 129/15g mwN).

1.2 Im vorliegenden Fall schuldete die beklagte Partei der Nebenintervenientin aufgrund der Jahresleistungsvereinbarung für das Jahr 2012 ua den Reinigungsdienst im Bahnhofsgebäude, der im fraglichen Zeitraum durch verschiedene Umstände (fehlende Fußbodenheizung, Eindringen von Schnee und Matsch) außergewöhnliche Intensität erforderte (der Bereichsleiter der beklagten Partei ortete „Gefahr im Verzug“). Es ist in dritter Instanz nicht strittig, dass einem der hiefür zuständigen Mitarbeiter der beklagten Partei eine für den Unfall des Klägers kausale Sorgfaltswidrigkeit unterlaufen ist.

1.3 Zwischen der Nebenintervenientin, einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU), und der Arbeitgeberin des Klägers, einem Eisenbahnverkehrs-
unternehmen (EVU), bestand ein Vertragsverhältnis, der am abgeschlossene Eisenbahninfrastrukturvertrag (§ 70a EisbG), womit der gesetzlich geregelte Zugang des EVU zur Schieneninfrastruktur (vgl § 56 ff EisbG in der zum Unfallszeitpunkt geltenden Fassung) die entsprechende Ausgestaltung erfuhr. Schon das damit festgelegte Zusammenwirken von EIU und EVU zum Zweck der Erreichung der gemeinsamen Ziele (Güter- und Personentransport), das die Revisionswerber in ihren Rechtsmitteln selbst betonen, lässt keinen Zweifel daran, dass damit auch die regelmäßige Nutzung der Einrichtungen des EIU, zu denen auch das Bahnhofsgebäude zu zählen ist, durch die Bediensteten des EVU verbunden sein würde. Somit war aber auch ein zeitlicher, räumlicher und sachlicher Kontakt dieser Bediensteten mit der vertraglichen Hauptleistung der beklagten Partei (Reinigung) vorhersehbar (vgl 2 Ob 36/14d; 8 Ob 53/14y). Aus dem erwähnten Zusammenwirken ergibt sich aber auch das „sichtbare eigene Interesse“ des EIU an der körperlichen Unversehrtheit der Bediensteten ihres Vertragspartners (des EVU), wäre doch nicht einzusehen, dass ein solches Interesse zwar gegenüber den Kunden des EVU bestehen sollte (dies gestehen die Revisionswerber sogar ausdrücklich zu), nicht aber gegenüber dessen Bediensteten. Die ergänzende Auslegung des zwischen der Nebenintervenientin und der beklagten Partei geschlossenen Vertrags führt deshalb zu dem Ergebnis, dass verständige Vertragsparteien alle mit der vertraglichen Hauptleistung der beklagten Partei geradezu typischerweise in Berührung geratenden Personen, wie die Fahrgäste und das Personal des EVU, in den Schutzbereich des Vertrags, mit dem eine gefahrlose Benutzung des Bahnhofs sichergestellt werden sollte, einbezogen hätten; die Bediensteten des EVU zumindest, solange sie sich – wie hier der Kläger – auf dem ihnen vom EIU vorgeschriebenen „Dienstweg“ befanden.

1.4 Um eine uferlose Ausweitung der Vertragshaftung hintanzuhalten, wird in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Kreis der geschützten Personen, denen statt deliktsrechtlicher auch vertragsrechtliche Schadenersatzansprüche zugebilligt werden, grundsätzlich eng gezogen. Weitere Voraussetzung für die Einbeziehung des (geschädigten) Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags ist daher ein schutzwürdiges Interesse. Ein solches wird regelmäßig dann verneint, wenn der Dritte kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schuldner vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat (9 Ob 69/17p mwN; RIS-Justiz RS0022814, RS0129705). Dieser Fall liegt aber hier nicht vor, weil zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin eine derartige rechtliche Sonderverbindung nicht besteht. Auch der erstinstanzliche Einwand, der Kläger habe einen deckungsgleichen Anspruch gegen seine Arbeitgeberin, wird in den Revisionen nicht aufrechterhalten.

1.5 Daraus folgt, dass der Kläger im Unfallszeitpunkt in den Schutzbereich des zwischen der Nebenintervenientin und der beklagten Partei geschlossenen Reinigungsvertrags fiel und vertragliche Ansprüche geltend machen kann. Die beklagte Partei hat ihm gegenüber für die schuldhafte Pflichtverletzung ihres Bediensteten gemäß § 1313a ABGB nach vertraglichen Grundsätzen einzustehen.

2. Kein Dienstgeberhaftungsprivileg für die Beklagte:

2.1 Der von der Bestimmung des § 333 ASVG erfasste Dienstgeber ist grundsätzlich derjenige, der mit dem Verletzten durch ein Beschäftigungsverhältnis verbunden ist oder in dessen Betrieb der Verletzte eingegliedert ist (RIS-Justiz RS0119378; vgl auch RS0084993).

2.2 Hat ein Unternehmer mehrere Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit (wie dies zB die R***** Ö***** vor der Ausgliederung mit der P***** und T***** und den Ö***** B***** hatte), greift das Haftungsprivileg des § 333 ASVG auch bei Schädigung von Arbeitnehmern des einen durch (zurechenbare) Arbeitnehmer des anderen Betriebs (2 Ob 64/94 ZVR 1995/122; vgl auch RIS-Justiz RS0054324). Sind dagegen aber die Arbeitnehmer bei unterschiedlichen Rechtsträgern – wenn auch ein- und desselben Eigentümers – beschäftigt, wird in der Literatur vertreten, dass sich die schädigende Körperschaft nicht auf das Dienstgeberhaftungsprivileg berufen könne (Auer-Mayer in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 333 Rz 31; Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek4§ 333 ASVG Rz 22; Wellner in Geigel, Der Haftpflichtprozess27 Kapitel 31 Rn 79). In diese Richtung wies bereits die Entscheidung 2 Ob 64/94.

Dem ist auch für den vorliegenden Fall zu folgen: Weder die Beteiligung an einem anderen Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit und noch weniger die reine Konzernverbundenheit mit einem solchen Unternehmen führen für sich dazu, dass unter dem Aspekt des § 333 ASVG die Dienstnehmer des einen Unternehmens auch solche des (bzw aller) anderen Unternehmen wären. Entscheidend ist somit die rechtliche Selbständigkeit der Arbeitgeberin des Klägers. Ihre allfällige wirtschaftliche Abhängigkeit von anderen Gesellschaften im Konzern ist hingegen bedeutungslos (vgl auch 3 Ob 8/08k = RIS-Justiz RS0123419).

2.3 Anderes gilt, wenn mehrere Unternehmer zur Erzielung eines Arbeitserfolgs zusammenwirken und Arbeitnehmer eines Unternehmers in den Betrieb eines anderen derart eingegliedert werden, dass sie dessen Weisungen zu befolgen haben, weil dann der schädigende Unternehmer als bevollmächtigter Vertreter des Arbeitgebers iSd § 333 Abs 4 ASVG anzusehen ist (RIS-Justiz RS0085019; vgl auch RS0128707, RS0021534, RS0084172). Auch bei Ausführung eines gemeinsamen Arbeitsziels (etwa eines großen Bauvorhabens) durch mehrere unabhängige Unternehmen sind aber nicht quasi automatisch sämtliche Arbeitnehmer bei sämtlichen Unternehmen „eingegliedert“ (2 Ob 26/12f; RIS-Justiz RS0128707 [T1]; vgl auch RS0021827). Wesentlich für die Haftungsbefreiung sowohl von Haupt- als auch Nebenunternehmer gegenüber einem Dienstnehmer eines der beteiligten Unternehmen ist das Vorliegen sowohl a) einer organisatorisch koordinierten Zusammenarbeit zur Erzielung eines gemeinsamen Erfolgs, als auch b) der Eingliederung des (ansonsten fremden Weisungen unterliegenden) Dienstnehmers in den fremden Betrieb (2 Ob 26/12f; RIS-Justiz RS0085043 ua). Ob neben der organisatorisch koordinierten Zusammenarbeit auch eine Eingliederung in den fremden Betrieb stattgefunden hat, ist aber immer eine Frage des konkreten Arbeitsablaufs (vgl RIS-Justiz RS0084209 [T9]).

2.4 Nach den Feststellungen waren hier aufgrund des zwischen der Nebenintervenientin und der Arbeitgeberin des Klägers am geschlossenen Infrastruktur-
nutzungsvertrags die Mitarbeiter der Arbeitgeberin des Klägers der Nebenintervenientin in sicherheits- und bahnbetrieblichen Belangen weisungsunterworfen und hatten deren „Dienstvorschrift V3 Betriebsvorschrift“ zu beachten, solange sie sich auf Anlagen der Nebenintervenientin aufhielten. Der Sturz des Klägers ereignete sich auf dem von der Nebenintervenientin vorgeschriebenen „Dienstweg“. Allerdings wird hier nicht die Nebenintervenientin in Anspruch genommen, sondern das zuständige Reinigungsunternehmen, die beklagte Partei.

Dass diese dem Kläger gegenüber weisungsbefugt gewesen wäre bzw dass sie mit der Arbeitgeberin des Klägers zur Erzielung eines gemeinsamen Arbeitserfolgs zusammengewirkt hätte und der Kläger in den Betrieb der beklagten Partei eingegliedert gewesen wäre, ist weder den Feststellungen zu entnehmen noch wurde dies behauptet. Allein das Vorbringen, dass die Gesellschaften des Ö*****-Konzerns, darunter auch die Beklagte und die Dienstgeberin des Klägers, zusammen die Aufgaben der früheren Ö***** B*****, also den Transport von Personen und/oder Gütern, verfolgten, zeigt keine Tatsachengrundlage für eine solche Weisungsbefugnis auf.

3. Zum Mitverschulden:

Wird Mitverschulden des Klägers eingewendet, so kann ein Zwischenurteil nur dann gefällt werden, wenn gleichzeitig über die Frage des Mitverschuldens und über das Ausmaß der Schadensteilung entschieden wird (RIS-Justiz RS0106185; RS0040935 [T8]). Hier hat das Berufungsgericht zur Frage des eingewandten Mitverschuldens des Klägers zwar nicht ausdrücklich Stellung genommen, aus den Feststellungen des Erstgerichts ist ein solches aber nicht ableitbar. Insbesondere für den in den Revisionen unterstellten Mangel an Aufmerksamkeit bietet der Sachverhalt keine Grundlage.

4. Ergebnis:

Das Zwischenurteil über die Haftung dem Grunde nach ist daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 4 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00209.17Z.1129.000

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