OGH vom 23.09.2020, 1Ob121/20f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** und 2. B*****, beide *****, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch die CHG Czernich Haidlen Guggenberger und Partner Rechtsanwälte GmbH, Innsbruck, wegen 212.708,56 EUR sowie Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 34/20x-49, mit dem das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 18 Cg 109/18f-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt zu laufen, wenn der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (vgl RISJustiz RS0034524). Die Kenntnis muss den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem dem Schädiger angelasteten Verhalten, sowie in Fällen der Verschuldenshaftung auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RS0034951 [T1, T 2, T 4, T 5, T 7]). Der anspruchsbegründende Sachverhalt muss dem Geschädigten nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Anspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RS0034524 [T24, T 25]). Die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermag ihr Bekanntsein grundsätzlich nicht zu ersetzen (RS0034459 [T1]).
1.2. Der Geschädigte darf sich allerdings nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erhält (RS0065360 [T3]). Wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RS0034327 [T1]). Das Ausmaß der Erkundungspflicht – die keinesfalls überspannt werden darf (RS0034327) – bestimmt sich jeweils nach den Umständen des konkreten Einzelfalls (vgl RS0113916). Die relevante Kenntnis kann sich auch aus den Ergebnissen eines Strafverfahrens ergeben (vgl 3 Ob 65/17f mwN). Dass sich ein Geschädigter einem solchen nicht als Privatbeteiligter anschloss und daher keine unmittelbaren Informationen über den Fortgang des
Strafverfahrens hatte, bewirkt kein Hinausschieben des Beginns der
Verjährungsfrist bis zum Ende des
Strafverfahrens oder bis zum Vorliegen der schriftlichen Urteilsausfertigung (RS0105969).
1.3. Das Berufungsgericht legte diese Rechtsprechung seiner Entscheidung zugrunde und ging davon aus, dass bei einer angenommenen Verpflichtung der Kläger, das Strafverfahren „laufend zu verfolgen“, die Kenntnisnahme der dort gewonnenen Verfahrensergebnisse mit dem Zeitpunkt anzunehmen gewesen wäre, zu dem sie den Klägern bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (vgl 3 Ob 65/17s mwN). Dies wäre nicht vor dem (Beginn der vom Zeitpunkt der Klageeinbringung zurückgerechneten Dreijahresfrist des § 1489 Satz 1 ABGB) der Fall gewesen, weil der relevante Sachverhalt im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bis dahin noch nicht hinreichend geklärt worden sei. Der Ersatzanspruch sei daher nicht verjährt.
1.4. Der Beklagte hält dem in seiner Revision entgegen, dass die dreijährige Verjährungsfrist bereits mit Vorliegen des ergänzten Sachverständigengutachtens am zu laufen begonnen habe. Auch wenn von den Klägern zu erwarten war, sich über die Ermittlungsergebnisse in dem gegen den Beklagten (wegen des Verdachts der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst gemäß § 170 Abs 1 StGB) geführten Strafverfahren zu informieren, könnte ihnen eine Unkenntnis dieses (ergänzten) Gutachtens aber nur insoweit als Verletzung ihrer Erkundigungsobliegenheit vorgeworfen werden, als sie von diesem bei „angemessener Erkundigung“ Kenntnis erlangt hätten. Geht man davon aus, dass von den Klägern keine permanente „Beobachtung“ des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (im Sinn ständiger Akteneinsichten) zu verlangen war, dass es ihnen aber zumutbar gewesen wäre, sich etwa alle drei Monate über dessen aktuellen Stand zu informieren, und legt man – wie der Revisionswerber – das ergänzte Sachverständigengutachten vom als jenes Ermittlungsergebnis zugrunde, das den Klägern eine ausreichende Kenntnis vom anspruchsbegründenden Sachverhalt verschafft hätte, wäre die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB bei Einbringung der Klage am noch nicht abgelaufen gewesen. Schon ausgehend von den Argumenten der Revision stellt sich daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 501 Abs 2 ZPO.
2. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach den Beklagten gemäß § 1298 ABGB die Beweislast für die Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt treffe und er dieser nicht nachgekommen sei, hält die Revision im Wesentlichen nur entgegen, dass aus der Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass der Beklagte Sicherheitsvorkehrungen zur Verhinderung eines Brandes getroffen hat, kein Sorgfaltsverstoß abgeleitet werden könne, weil es nur darauf ankomme, wie sich ein sorgfältiges Mitglied der Berufsgruppe des Beklagten verhalten hätte. Welchen für ihn geltenden Sorgfaltsanforderungen er nachgekommen sei, legt der Revisionswerber aber nicht dar. Da er sich auch nicht gegen die Rechtsansicht wendet, wonach die (auch vertragliche Schutz und Sorgfaltspflichten erfassende; vgl RS0026540 [T4]; RS0023498; RS0026236) Bestimmung des § 1298 ABGB die Beweislast auch für die Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt umkehrt, wie dies auch in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vertreten wird (vgl RS0026221 [T3]; RS0022686 [T24]; siehe auch Karner in KBB6 § 1298 ABGB Rz 2), zeigt der Rechtsmittelwerber insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00121.20F.0923.000 |
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