OGH vom 06.07.2016, 7Ob119/16z

OGH vom 06.07.2016, 7Ob119/16z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Ing. H***** T*****, vertreten durch Pallas Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, gegen die Antragsgegnerin Stadt Wien, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch Rudeck – Schlager Rechtsanwalts KG in Wien, wegen Entschädigung gemäß § 58 WrBauO, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 169/15f 73, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 1 Nc 1/13w 65, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 1.174,86 EUR (darin enthalten 195,81 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht begründete die nachträgliche Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses damit, dass angesichts der ursprünglichen Abtretung „unparzellierten“ – dh insbesondere mit einer Abtretungsverpflichtung für Verkehrsflächen nach § 17 WrBauO belasteten – Baulands in das öffentliche Gut das Abstellen auf den Verkehrswert für „parzelliertes“ Bauland im Rahmen der Ermittlung der Entschädigung für Mehrleistung nach § 58 Abs 2 lit d WrBauO unrichtig sein könnte.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG):

1. Welche Rechtswirkungen bei einer Änderung des Bebauungsplans eintreten, wenn anlässlich einer Abteilungsbewilligung Grundflächen zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetreten worden sind, bestimmt im Einzelnen § 58 Abs 2 WrBauO. Danach hat der Eigentümer eines Bauplatzes oder Bauloses nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anspruch auf Entschädigung für die Mehrleistung, die dadurch entstanden ist, dass das Ausmaß der zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetretenen Grundflächen bzw solcher, für die eine Geldleistung gemäß § 17 Abs 4a WrBauO entrichtet wurde, nach dem zur Zeit der Abtretung in Geltung gestandenen Bebauungsplan größer war, als sie sich nach dem neuen Bebauungsplan ergeben würde (§ 58 Abs 2 lit d Satz 1 WrBauO). Fällt die seinerzeit gegenüber der neuen Verpflichtung zu viel abgetretene Grundfläche nicht in den Bauplatz oder in das Baulos, hat die Gemeinde an den Eigentümer des Bauplatzes oder Bauloses, von dem die Grundflächen seinerzeit unentgeltlich abgetreten worden sind, Geldentschädigung in der Höhe des vollen Grundwerts zu leisten (§ 58 Abs 2 lit d Satz 4 WrBauO).

Hier ist die Höhe der nach § 58 Abs 2 lit d WrBauO von der Antragsgegnerin zu leistende Entschädigung für Mehrleistung nach einer Änderung des Bebauungsplans im Jahr 2006 zu beurteilen, weil eine Rückstellung der enteigneten Grundflächen unstrittig nicht möglich ist. Die Vorinstanzen sind dabei den Grundsätzen der Entscheidung 10 Ob 6/12y gefolgt. Auch eine Entscheidung, die zwar bisher die einzige ist, die aber ausführlich begründet wurde, reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung aus (RIS Justiz RS0103384 [T5]). Der Revisionsrekurs versucht auch gar nicht, mit neuen Argumenten Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung zu wecken (RIS Justiz RS0103384 [T4]), weil er davon ausgeht, diese Entscheidung stütze seinen Rechtsstandpunkt.

2.1. In der Entscheidung 10 Ob 6/12y hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass nach § 58 Abs 4 vorletzter Satz WrBauO die von der Gemeinde zu leistenden Entschädigungen fällig sind, sobald die abzutretenden Verkehrsflächen übergeben worden sind oder mit Rechtskraft des Bescheids über die Festsetzung der Entschädigung, wenn keine Abtretungsverpflichtung besteht. Nach Abs 2 des auf die Bemessung der Entschädigung anzuwendenden § 57 WrBauO hat die bei Enteignungen zu leistende Entschädigung den Ersatz aller dem Enteigneten und den an enteigneten Grundflächen dinglich Berechtigten durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile zu umfassen. Nach § 57 Abs 3 WrBauO ist bei der Ermittlung der Entschädigung für Grundflächen und deren Zugehör in einem eigenen Verfahren der Wert (§ 305 ABGB) nach Zeit, Lage, Beschaffenheit und jenem Nutzen festzustellen, den jedermann bei vernünftigem Gebrauch erzielen kann. Aus den §§ 57 Abs 3 iVm 58 Abs 4 vorletzter Satz WrBauO kann abgeleitet werden, dass die Höhe der Entschädigung nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Entschädigung zu bestimmen ist, zumal gemäß § 57 Abs 4 WrBauO nur werterhöhende Veränderungen, die nach Einleitung des Enteignungsverfahrens erfolgen, nicht zu berücksichtigen sind. Durch die Rückgängigmachung der Enteignung ist der seinerzeit Enteignete so zu stellen, als ob die Enteignung nicht stattgefunden hätte. Die Entschädigung ist auf Basis der bestehenden Widmung zu bemessen.

2.2. Wie in der Entscheidung 10 Ob 6/12y klar zum Ausdruck gebracht wurde, bezweckt § 58 Abs 2 lit d WrBauO eine Gleichstellung des Empfängers einer Geldentschädigung mit dem Empfänger einer in natura zurückgestellten Grundfläche. Damit hält sich die Entscheidung des Rekursgerichts, für die Ermittlung der Höhe der Entschädigungsleistung sei die seinerzeitige Widmung als „unparzelliertes“ Bauland nicht maßgeblich, sondern es komme entscheidend auf die bestehende Widmung an, im Rahmen der Judikatur. Dementsprechend hat das Rekursgericht eine Reduktion wegen der unentgeltlichen Grundabtretungsverpflichtung nach § 17 WrBauO für die Herstellung von Verkehrsflächen abgelehnt, weil die zu entschädigenden Flächen nach dem neuen Bebauungsplan nicht mit einer solchen Verpflichtung „belastet“ seien. Dagegen wird im Revisionsrekurs nichts Stichhaltiges vorgebracht.

3. Revisible Fehler bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage – auf mit den Gesetzen der Logik oder der Erfahrung unvereinbaren Schlussfolgerungen beruhende Tatsachenfeststellungen (RIS Justiz RS0109006 [T3, T 4, T 5]) – werden nicht dargelegt. Der Revisionsrekurs ist damit unzulässig und zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Obsiegen des Antragstellers im Revisionsrekursverfahren (§ 78 Abs 1 AußStrG). Bemessungsgrundlage ist der im Revisionsrekursverfahren strittige Betrag von 16.602,32 EUR.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00119.16Z.0706.000