OGH vom 15.10.2012, 6Ob180/12g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** H*****, vertreten durch Mag. Lukas Aigner, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei E***** AG, *****, vertreten durch Frieders Tassul Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen 394.198 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR, Gesamtstreitwert 404.198 EUR, Streitwert des Revisionsverfahrens 194.100 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 85/12t 28, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Beratungspflicht der Akkreditivbank sowie die Rolle der Zweitbank beim Dokumentenakkreditiv wurde durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt (7 Ob 282/06f). Bestätigt die Zweitbank das unwiderrufliche Akkreditiv aufgrund einer Ermächtigung oder eines Auftrags der eröffnenden Bank, so begründet dies grundsätzlich die eigene Haftung der Bestätigungsbank. Diese Bestätigung verstärkt die Sicherheit des Begünstigten, weil ihm nun die Zweitbank solidarisch mit der Akkreditivbank für die Bezahlung haftet; es wird also ein eigener Anspruch des Begünstigen gegen die Zweitbank begründet (7 Ob 282/06f mwN).
2. Auch zur allgemeinen Frage der Aufklärungspflicht von Banken liegt eine umfangreiche Judikatur vor (RIS Justiz RS0026135, RS0029601). Dabei hängt der Umfang der Aufklärungspflicht jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0026135 [T22]; RS0029601 [T9]).
3. Außerhalb der Sondersituation bei ärztlichen Behandlungsfehlern obliegt nach ständiger Rechtsprechung der Beweis der Kausalität auch bei Verletzung von Aufklärungspflichten dem Geschädigten (vgl RIS Justiz RS0106890 [T23, T 27, T 28]; vgl auch RIS Justiz RS0022900, RS0022706).
4.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wäre der Kläger bereit gewesen, eine Bestätigungsprovision zu leisten, um das Akkreditiv abzusichern, unterließ dies jedoch, weil eine Angestellte der beklagten Partei ihn dahin beriet, dass dies nicht erforderlich sei. Der Kläger, der keine Erfahrung mit der Akkreditivabwicklung hatte, wies die beklagte Partei ausdrücklich auf die Wichtigkeit einer einwandfreien Akkreditivabwicklung hin, weil bei einem Scheitern die wirtschaftliche Existenz seines Familienbetriebs gefährdet wäre. Er ließ klar erkennen, dass bei ihm aufgrund seiner mangelnden Erfahrung mit Akkreditiven ein erhöhter Beratungsbedarf bestand, und forderte eine entsprechende Beratung ein. Eine Mitarbeiterin der beklagten Partei erklärte ihm jedoch, dass eine Bestätigung („confirm“) nur erforderlich wäre, wenn sich das Land, in dem sich die eröffnende Bank befindet, in einem kriegsähnlichen Zustand oder in erheblichen Zahlungsschwierigkeiten befinde; aufgrund der Lage in Chile sei eine derartige Bestätigung nicht erforderlich.
4.2. Der Kläger reichte für die erste Teillieferung sämtliche nach den Akkreditivbedingungen der beiden Akkreditive erforderlichen Dokumente bei der Beklagten ein; die Beklagte überprüfte diese Dokumente, befand sie als in Ordnung und leitete sie an die chilenische Eröffnungsbank weiter. Erst danach, am , erfuhr die Beklagte erstmals von Betrugsvorwürfen. In einem Telefonat am rief ein Mitarbeiter der beklagten Partei den Geschäftspartner des Klägers an, wies auf die Abstraktheit des Akkreditivs hin und darauf, dass die vorliegenden Beweise seiner Meinung nach nicht ausreichten, nachzuweisen, dass ein Rechtsmissbrauch vorliege. Am erklärte ein Angestellter der beklagten Partei gegenüber dem Rechtsvertreter des Klägers, dass die beklagte Partei die eröffnende Bank informiert habe, dass ihre Beanstandungen nicht den einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumentenakkreditive entsprächen.
4.3. Wenn das Berufungsgericht aus dieser Sachlage ableitete, dass eine Auszahlung der Akkreditivsumme von 185.000 EUR durch die beklagte Partei mit der für einen hypothetischen Kausalverlauf erforderlichen Wahrscheinlichkeit erfolgt wäre, handelt es sich dabei um eine nicht der Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegende Tatfrage. Eine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vermag die beklagte Partei nicht aufzuzeigen.
5. Soweit die Revision behauptet, die beklagte Partei hätte die rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme durch den Kläger eingewendet, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Insoweit ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS Justiz RS0043312). Zwar hat die Bank, wenn sie vor Honorierung des Akkreditivs von anderer Seite als vom angeblichen Aussteller erfährt, dass ein Akkreditivdokument gefälscht sein soll, einem Fälschungsverdacht nachzugehen ( Apathy in Apathy/Iro/Koziol , Österreichisches Bankvertragsrecht 2 V Rz 1/124 f). Dieser Verdacht hat sich nach den Verfahrensergebnissen jedoch in keiner Weise bestätigt.
6. Die Revision war daher spruchgemäß zurückzuweisen.