OGH vom 25.10.2018, 6Ob179/18v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** M*****, vertreten durch SchneideR´S Rechtsanwalts-KG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. J***** Foundation, *****, sowie 2. R***** M*****, beide vertreten durch Berlin & Partner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Unwirksamkeit einer Schenkung, Löschung sowie Herausgabe und Einwilligung, über den Revisionsrekurs der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 75/18v-8, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 7 Cg 25/18i-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es habe keine oberstgerichtliche Judikatur zur Anmerkung einer Klage gemäß § 61 Abs 1 GBG aufgefunden werden können, welche sich auf ein letztwillig verfügtes, verbüchertes Vorkaufsrecht gründe und welche daraus die Unwirksamkeit einer Schenkung ableite. Da § 1078 ABGB auf „eine besondere Verabredung“ abstelle und eine letztwillige Verfügung keine „Verabredung“ sei, könne der Entstehungsgrund des Vorkaufsrechts für die hier entscheidungswesentliche Rechtsfrage, ob das Vorkaufsrecht auch eine Schenkung hindern könne und ob die Klage somit schlüssig sei, nicht als unerheblich qualifiziert werden.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:
1. Das Verfahren hinsichtlich der Bewilligung einer Streitanmerkung ist ein Grundbuchsverfahren, auch wenn der Antrag auf Bewilligung dieser Anmerkung beim Prozessgericht gestellt wird (RIS-Justiz RS0060701 [T2]). Es ist darüber daher im Grundbuchsverfahren nach den Vorschriften des GBG zu entscheiden, weshalb die Erstattung einer (Revisions-)Rekursbeantwortung unzulässig ist (RIS-Justiz RS0060516). Somit besteht auch keine Konformatssperre (10 Ob 20/18s ErwGr 1.2).
2.1. Die Klägerin bringt vor, an der Liegenschaft bestehe ein Vorkaufsrecht zu ihren Gunsten, weiters bestehe ein Schenkungsverbot. Diese habe der Zweitbeklagte dadurch verletzt, dass er das Grundstück einer von ihm beherrschten Stiftung, der Erstbeklagten, geschenkt habe, die nunmehr (seit 1988) als Eigentümerin eingetragen ist.
2.2. Voraussetzung für eine Streitanmerkung ist, dass derjenige, der diese Anmerkung anstrebt, in einem bücherlichen Recht verletzt worden ist (RIS-Justiz RS0060512). Demgegenüber ist bei bloß obligatorischen, auf vertraglicher Grundlage beruhenden Ansprüchen eine Streitanmerkung nicht zu bewilligen (RIS-Justiz RS0060629). Die Streitanmerkung hat nach § 61 Abs 2 GBG zudem zur Voraussetzung, dass die Wiederherstellung des früheren Buchstandes verlangt wird (RIS-Justiz RS0060511). Eine bloß auf Feststellung der Unwirksamkeit des Erwerbstitels des Beklagten gerichtete Klage reicht hingegen nicht aus (RIS-Justiz RS0060511 [T2]). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin jedoch mit Punkt 2 des Klagebegehrens ausdrücklich ein Begehren auf Wiederherstellung des früheren Buchstandes erhoben.
2.3. Die Frage, ob die Streitanmerkung zu bewilligen ist, ist aufgrund des Klagevorbringens und des Urteilsantrags zu entscheiden (RIS-Justiz RS0074232). Es hat auch eine Prüfung der Klage auf ihre Schlüssigkeit hin zu erfolgen, ob nämlich im Falle des Zutreffens des Klagsvorbringens eine stattgebende Entscheidung ergehen könne (RIS-Justiz RS0074232 [T2]).
2.4. Klagt der bücherlich Vorkaufsberechtigte gemäß § 1079 zweiter Satz ABGB den bereits ins Grundbuch gelangten Dritten auf Übertragung des Eigentumsrechts, liegen die Voraussetzungen einer Streitanmerkung (Verletzung in einem bücherlichen Recht) vor (7 Ob 313/01g = RIS-Justiz RS0024788 [T1]). Begründend wurde in der zitierten Entscheidung ausgeführt, nach ständiger Rechtsprechung besitze das verbücherte Vorkaufsrecht eine dem Veräußerungsverbot entsprechende Wirkung. Es stelle ein vom Grundbuchsgericht von Amts wegen zu beachtendes Verfügungshindernis für den dinglich belasteten Eigentümer dar. Werde ein Dritter im Grundbuch unter Missachtung des verbücherten Vorkaufsrechts als Eigentümer eingetragen, so stehe dem Vorkaufsberechtigten gegen den eingetragenen Dritten daher die Löschungsklage und die Streitanmerkung zu. In diesem Fall habe der Vorkaufsberechtigte gegen den Dritten auch ein Abforderungsrecht nach § 1079 2. Satz ABGB. Demgegenüber könne im Fall einer bloßen Schadenersatzklage gegen den Vorkaufsverpflichteten keine Streitanmerkung bewilligt werden.
3.1. Der angefochtene Beschluss steht mit der Entscheidung 7 Ob 313/01g in Einklang, weil die Klägerin hier die Verletzung in ihrem einverleibten Vorkaufsrecht geltend macht und die Klage (auch) gegen die erstbeklagte Eigentümerin gerichtet hat. Das Rekursgericht hat auch bereits ausgeführt, dass ein Vorkaufsrecht – wie jenes, das die Klägerin hier besitzt – auch durch letztwillige Verfügung eingeräumt werden kann (RIS-Justiz RS0020344; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4§ 1072 Rz 9 mwN). Das Vorkaufsrecht der Klägerin wurde hier auch einverleibt und entfaltete damit dingliche Wirkung. Auf das behauptete testamentarisch angeordnete Schenkungsverbot kann sich die Klägerin demgegenüber nicht stützen, weil dieses nach dem Grundbuchstand nicht einverleibt wurde und somit diesbezüglich keine Verletzung in einem bücherlichen Recht vorliegt (vgl 10 Ob 20/18s).
3.2. Der Schwerpunkt des Revisionsrekurses betrifft die Argumentation, wonach durch die Schenkung der Liegenschaft vom Zweitbeklagten an die Erstbeklagte kein Vorkaufsfall ausgelöst worden und die Klägerin somit in keinem bücherlichen Recht verletzt worden sei, zumal das Vorkaufsrecht nicht iSd § 1078 ABGB durch „besondere Verabredung auf andere Veräußerungsarten ausgedehnt“ worden sei.
3.3. Ist eine Sache mit einem Vorkaufsrecht iSd § 1072 ABGB belastet, bildet nur der Abschluss eines Kaufvertrages den Vorkaufsfall; die Ausdehnung des Vorkaufsrechts auf „andere Veräußerungsarten“ iSd § 1078 ABGB bedarf hingegen stets einer besonderen Vereinbarung (RIS-Justiz RS0109624). § 1078 ABGB bedeutet daher, dass mangels abweichender Vereinbarung nur der Verkauf den Vorkaufsfall auslöst; bei einer Schenkung als „anderer Veräußerungsart“ iSd § 1078 ABGB kann das Vorkaufsrecht daher nicht ausgeübt werden (RIS-Justiz RS0020203; vgl auch RS020200).
3.4. Unter „anderen Vertragsarten“ sind solche Vertragstypen zu verstehen, bei denen sich aus dem Vertragsinhalt ergibt, dass die typischen Vertragszwecke aus der Sicht des Verpflichteten in besonderem Maße an der Person des Partners oder an der von ihm zu erbringenden individuellen Gegenleistung orientiert sind (RIS-Justiz RS0020199). Unter diese Bestimmung fallen alle Geschäfte, die das endgültige Ausscheiden einer Sache aus dem Vermögen des einen und ihre Übertragung auf einen anderen bezwecken oder bewirken, wie Tausch, Schenkung oder Sacheinlage in eine Gesellschaft (RIS-Justiz RS0020199 [T1]). Wechselt eine mit einem verbücherten Vorkaufsrecht belastete Liegenschaft ihren Eigentümer ohne den Vorkaufsfall auszulösen, dann bleibt das Vorkaufsrecht bestehen: Es geht als Belastung auf den Erwerber über (§ 443 ABGB) und kann ausgeübt werden, wenn dieser nun die Sache verkauft (RIS-Justiz RS0014294).
3.5. Grundbuchsperrende Wirkung gegenüber einer anderen Veräußerungsart entfaltet das verbücherte Vorkaufsrecht nur, wenn die Erweiterungsabrede im Hauptbuch eingetragen ist oder zumindest das Hauptbuch diesbezüglich auf die Urkundensammlung verweist (5 Ob 4/76; 5 Ob 195/99h; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4§ 1078 ABGB Rz 10; vgl auch allgemein RIS-Justiz RS0060233). Da eine solche Erstreckung im vorliegenden Fall aber nicht im Hauptbuch eingetragen ist, kein Verweis auf die Urkundensammlung vorliegt und der Zweitbeklagte die Liegenschaft an die Erstbeklagte nicht verkauft, sondern bloß verschenkt hat, wurde die Klägerin dadurch nicht in einem bücherlichen Recht verletzt und kann die Streitanmerkung darauf somit nicht gestützt werden.
4.1. Die Klägerin hat in der Klage jedoch auch behauptet, der Schenkungsvertrag vom sei als Umgehungsgeschäft zu beurteilen, sodass damals in Wahrheit der Vorkaufsfall ausgelöst worden sei.
4.2. Von einem Umgehungsgeschäft wird dann gesprochen, wenn die Parteien die von einer Norm angeordneten Rechtsfolgen dadurch vermeiden, dass sie ein Rechtsgeschäft schließen, das dem Wortlaut nach nicht von dieser Norm betroffen wird, das jedoch den gleichen Zweck erfüllt wie das verbotene Geschäft (RIS-Justiz RS0018173). Es genügt, dass das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt; auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0016780 [T1]).
4.3. Der Abschluss eines Umgehungsgeschäfts ist wie eine Bedingungsvereitlung zu beurteilen: Der durch ein Vorkaufsrechte Belastete muss sich dann so behandeln lassen, als wäre durch das zweckgleiche Umgehungsgeschäft ein Kaufvertrag abgeschlossen worden (RIS-Justiz RS0101995; vgl RS0016198; 2 Ob 89/13x): Dem Vorkaufsverpflichteten darf es nicht ermöglicht werden, das Vorkaufsrecht durch eine bestimmte Vertragsgestaltung mit dem Drittkäufer zu umgehen (RIS-Justiz RS0016198 [T3]). Das Umgehungsgeschäft ist daher als Kaufvertrag zu behandeln, der den Vorkaufsfall auslöst (3 Ob 2136/96f). Bringt der Verpflichtete etwa die mit einem Vorkaufsrecht belastete Sache in eine von ihm beherrschte Gesellschaft ein und überträgt er anschließend die Gesellschaftsanteile entgeltlich an einen Dritten, dann kann eine den Vorkaufsfall auslösende kaufähnliche Vertragsgestaltung vorliegen (BGH V ZR 272/10; Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek, ABGB4§ 1078 Rz 1).
4.4. Wenngleich die Klägerin im Prozess noch zu präzisieren haben wird, warum genau der Schenkungsvertrag eine Umgehung ihres Vorkaufsrechts bewirkt haben sollte, zumal ihr Vorkaufsrecht ja eingetragen blieb und jedenfalls bei Verkauf der Liegenschaft durch die Stiftung an einen Dritten schlagend würde, liegt keine Unschlüssigkeit vor, weil ihr Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Buchstandes berechtigt wäre, wenn sich ihr Vorbringen, wonach der Schenkungsvertrag als Umgehungsgeschäft zu beurteilen sei, letztlich als berechtigt herausstellt (vgl allgemein RIS-Justiz RS0037516). Ob der Schenkungsvertrag tatsächlich als Umgehungsgeschäft zu beurteilen ist, wird erst im Prozess und nicht bereits jetzt bei der Entscheidung über den Antrag auf Streitanmerkung zu beurteilen sein, weil für die Streitanmerkung die Schlüssigkeit der Klage genügt (vgl RIS-Justiz RS0074232).
5.1. Auf die weitere Argumentation im Revisionsrekurs, wonach das Herausgabebegehren nur obligatorischer Natur sei und für sich eine Streitanmerkung nicht tragen könnte, kommt es nicht an, wenn bereits eines der übrigen Begehren die Streitanmerkung trägt.
5.2. Was die im Revisionsrekurs monierte Namensverschiedenheit der Klägerin und der Vorkaufsberechtigten betrifft, wurde in der Klage vorgebracht, dass zugunsten „der Klägerin“ ein Vorkaufsrecht einverleibt ist, worin zweifellos auch die Behauptung liegt, dass es sich bei der Klägerin um die Vorkaufsberechtigte handelt. Die Erstbeklagte behauptet auch weder im Rekurs noch im Revisionsrekurs inhaltlich, dass es sich bei der Klägerin und der Vorkaufsberechtigten nicht um die selbe Person handelt. In der Klagebeantwortung wird die Personenidentität sogar ausdrücklich zugestanden. Damit besteht aber kein Anlass, den Antrag auf Streitanmerkung aus diesem Grund abzuweisen.
6. Zusammenfassend steht daher die Bewilligung der Streitanmerkung in Einklang mit der Judikatur, sodass sich die Entscheidung des Rekursgerichts als nicht korrekturbedürftig erweist. Der Revisionsrekurs war daher spruchgemäß zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00179.18V.1025.000 |
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