OGH vom 18.12.1991, 1Ob605/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter S*****, vertreten durch Dr.Hans-Peter Benischke und Dr.Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Hanns A*****, vertreten durch Dr.Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 220.000 samt Anhang infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 110/91-33, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 9 Cg 214/89-24, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben, die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Mit Verträgen vom und übernahm der Beklagte auf unbestimmte Zeit vom Kläger (als Vertreter der A*****, Inc.) den exklusiven Vertrieb des ***** Giude in der Bundesrepublik Deutschland, Italien, Spanien, Portugal, Benelux, Frankreich und der Türkei. Die Firma A***** zahlte für die Aufbauarbeit und die Erstellung einer Bürostruktur Beträge von DM 20.000 und S 50.000. Diese Akontozahlungen sollten mit einem Satz von 5 % der Umsatzprovision unverzinst zurückverrechnet werden. Vereinbart war weiters eine Umsatzprovision von 55 %, fällig 10 Tage nach Zusendung der vom Verlag bestätigten und abgerechneten Aufträge. Dieser Provisionssatz sollte sich auf 50 % vermindern, wenn weniger als 100 Seiten Werbung (Gesamtausgabe) erreicht werden sollten. Es bestand eine Kündigungsmöglichkeit jeweils zum 31.12. jeden Jahres mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten, es sollte deutsches Recht zur Anwendung kommen. Auf Grund eines fingierten Auftrages des S*****verbandes erhielt der Beklagte vom Kläger eine Provisionszahlung von S 56.700. Mit Schreiben vom teilte der Klagevrrtreter dem Beklagten mit, daß die Voraussetzungen für einen sofortigen Vertragsrücktritt vorlägen. Gleichzeitig wurde die Rückzahlung der als Vorfinanzierung geleisteten Beträge und der zu Unrecht bezogenen Provision begehrt.
Der Kläger begehrt nach einer Teilzahlung von S 26.700 den Zuspruch des Betrages von S 220.000 samt Anhang. Er sei zum Rücktritt berechtigt gewesen, der Beklagte habe eine Bürostruktur nicht aufgebaut und keine Inseratenaufträge überbracht.
Der Beklagte wendete, soweit dies für das Rekursverfahren noch von Bedeutung ist, ein, im Mai 1989 hätte er die Büroorganisation so weit eingerichtet gehabt, daß durch den Vertreter Herbert R***** fixe Aufträge im Gesamtumfang von DM 88.302 vorgelegen seien. Wegen vertragswidrigen Vehaltens des Klägers hätten diese Inserate nicht mehr eingeschaltet werden können. Der Kläger habe Aufträge, Fotos, Landkarten, Texte, Entwürfe und Layouts, die er von Herbert R***** erhalten oder die von ihm vorbereitet worden seien, im Guide verwendet. Die Tätigkeit Herbert R*****s sei dem Beklagten zuzurechnen. Unabhängig von den tatsächlich erbrachten Leistungen und Barauslagen stehe dem Beklagten für die vermittelten Geschäfte und aus der Tatsache, daß Vorleistungen des Beklagten bzw seines Handelsvertreters im Guide Verwendung gefunden hätten, ein Vertragsentgelt, ein Anspruch aus dem Titel der nützlichen Verwendung bzw Bereicherung sowie Schadenersatzansprüche zu, die den Klagsbetrag bei weitem überstiegen. Die Zahlungen von DM 20.000 und S 50.000 seien durch die Ansprüche des Beklagten auf Grund der Verträge, aber auch auf Grund der §§ 89 a und 89 b dHGB getilgt. Die Provisionsansprüche, die dem Beklagten infolge der Vermittlung zustünden, überstiegen den Klagsbetrag bei weitem, sie würden bis zur Höhe des Klagsbetrages aufgerechnet.
Der Kläger replizierte, es sei unrichtig, daß der Beklagte im Juni 1989 über einen festen Auftragsstand von DM 88.302 verfügt habe. Es seien keine Inseratenaufträge vorgelegen, es habe sich lediglich um lose Kontaktanknüpfungen gehandelt. Gleichzeitig legte der Kläger (in Telekopie) 19 auf Geschäftspapier verfertigte Schreiben diverser Unternehmungen wie der Sch*****, der A***** AG, der B***** AG, der F***** GmbH, der B*****bank AG und anderer (Beilagen ./M bis ./Z und ./AA bis ./EE) vor, aus denen sich ergab, daß Herbert R***** bei den Absendern dieser Schreiben nicht bekannt sei.
Der Beklagte bestritt das Vorbringen des Klägers und die "Echtheit und Richtigkeit der Beilagen ./M bis ./DD".
Das Erstgericht sprach aus, daß die Forderung des Klägers mit S 220.000 zu Recht, die eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung nicht zu Recht bestehe. Es erkannte demnach den Beklagten schuldig, dem Kläger den Betrag von S 220.000 samt Anhang zu bezahlen. Es stellte fest, der Beklagte habe als Subvertreter Herbert R***** angeworben. Von diesem seien keine Inseratenaufträge gebracht worden. An Herbert R***** seien vom Beklagten keinerlei Zahlungen erfolgt. Herbert R***** habe sich dann an den Kläger persönlich gewendet und ihm mitgeteilt, daß er Subvertreter des Beklagten sei, von diesem jedoch kein Geld bekomme und er die Arbeit einstellen werde. Herbert R***** habe dem Kläger auch erklärt, daß er schon Aufträge von -zigtausend Mark habe, die aber noch unterschrieben werden müßten. Er habe dem Kläger eine Liste von Kontaktadressen vorgelegt. Tatsächlich habe es sich aber um Adressen gehandelt, die von Herbert R***** nicht angeworben worden seien, die Person des Herbert R***** sei den von ihm angeblich angeworbenen Personen nicht bekannt. Im April 1989 habe Herbert R***** Lieselotte Sch***** als Vertreterin aufgenommen. Diese habe von Herbert R***** lediglich das Bild von München und ein Design sowie fünf Adressen, darunter die St***** und die B***** erhalten. Den Auftrag für die St***** habe Lieselotte Sch***** erhalten können, aber erst nachdem sie in der Presseabteilung vorgesprochen habe, wo aber Herbert R***** nicht bekannt gewesen sei. Bei den übrigen Adressen habe Lieselotte Sch***** Absagen erhalten bzw sei Herbert R***** dort nicht bekannt gewesen. Bei der Feststellung dieses Sachverhaltes folgte das Erstgericht der Zeugenaussage der Lieselotte Sch*****, deren Angaben durch die Urkunden ./M bis ./DD bestätigt worden seien. Daraus folge, daß Herbert R***** die Kontaktadressen nicht durch persönlichen Kontakt mit diesen Personen erstellt habe.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß der Kläger die Verträge gemäß § 89 a dHGB aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist habe auflösen können. Die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, das Beweisverfahren habe ergeben, daß vom Beklagten keine Grundlagen für die später von Lieselotte Sch***** getätigten Inseratenaufträge gelegt worden seien, so daß Ansprüche nach § 89 b dHGB nicht vorlägen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an dieses zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Es ging zwar gleichfalls davon aus, daß der Kläger gemäß § 89 a dHGB berechtigt gewesen sei, mit außerordentlicher Kündigung den Vertrag zur Auflösung zu bringen. Was die geltend gemachten Gegenforderungen betreffe, sei aber das Verfahren noch nicht spruchreif. Der Beklagte habe ein für die Begründung eines Anspruches nach § 87 Abs 3 dHGB ausreichendes Vorbringen erstattet. Danach habe der Handelsvertreter Anspruch auf Provision für ein Geschäft, das erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden sei, wenn er es vermittelt oder eingeleitet und so vorbereitet habe, daß der Abschluß überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen sei, sofern das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden sei. Nun sei davon auszugehen, daß tatsächlich der Reiseführer des Klägers im Herbst 1989 erschienen sei, so daß die Inseratenabschlüsse jedenfalls vorher erfolgt sein müssen. Damit sei aber von der Einhaltung dieser Frist auszugehen. Dem Vorbringen des Beklagten sei zu entnehmen, daß sein Untervertreter Herbert R***** eine große Anzahl von Inseratenaufträgen so weit vorbereitet habe, daß es für die Nachfolgerin (Lieselotte Sch*****) nur noch einer geringfügigen Mitwirkung bedurft hätte. Damit werde aber behauptet, daß die Inseratenaufträge überwiegend auf die Tätigkeit des Beklagten zurückzuführen seien. Der Beklagte habe als Gegner des Beweisführers im Sinn des § 312 Abs 1 ZPO die Echtheit sämtlicher Urkunden bestritten. Dies habe nach § 312 Abs 2 ZPO zur Folge, daß der Kläger die Echtheit dieser Urkunden zu beweisen habe. Keinesfalls hätte sich das Erstgericht aber vor Durchführung eines entsprechenden Beweisverfahrens auf diese Urkunden zur Begründung seiner Tatsachenfeststellungen stützen dürfen. Unter Echtheit der Urkunde versteht man, daß diese tatsächlich von dem als Aussteller Bezeichneten herrühre. Eine unechte Urkunde habe demnach keinerlei Beweiskraft. Insbesondere zur Frage der Tätigkeit des Zeugen Herbert R***** und seiner Erfolge, die für einen Anspruch nach § 87 Abs 3 dHGB maßgeblich seien, habe sich der Erstrichter auch auf diese Urkunden zur Begründung seiner negativen Feststellungen berufen. Der in der Berücksichtigung in ihrer Echtheit bestrittenen Urkunden liegende Verfahrensmangel sei deshalb wesentlich, weil zumindest abstrakt bei Außerachtlassung dieser Urkunden durchaus eine andere Beweiswürdigung des Erstgerichtes denkbar erscheine. Es liege somit ein Verfahrensmangel nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO vor. Dieser mache die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nötig. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht mit den Parteien insbesondere mit dem Kläger zu erörtern haben, inwieweit letzterer den Echtheitsbeweis antreten wolle.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Klägers ist berechtigt.
Echt ist eine Urkunden dann, wenn sie tatsächlich von dem als Aussteller Bezeichneten herrührt (Fasching, Lehrbuch2 Rz 949; Rechberger-Simotta, ZPR3 Rz 506; Sperl, Lehrbuch 408). Hier handelt es sich durchwegs um unterfertigte Privaturkunden. Sind Privaturkunden unterschrieben, ist, wie sich aus § 312 Abs 1 zweiter Satz ZPO ergibt, die Echtheit des Textes von der Echtheit der Namensunterschrift zu unterscheiden. Der Beweisgegner hat sich demnach nicht nur über die Echtheit der Urkunden, sondern darüber hinaus über die Echtheit der Namensunterschriften zu erklären. Nur wenn auch die Echtheit der Namensunterschrift bestritten wird, ist die Frage nach dem Ursprung des Textes bedeutungslos, weil damit die ganze Urkunde falsch wäre (Sperl aaO 408). Eine solche Erklärung gab aber der Beklagte nicht ab. Er stellte nur die Behauptung auf, die Urkunden wären nicht echt. Damit leugnet er zwar, daß die in den Urkunden enthaltenen Erklärungen von dem stammten, mit dessen Unterschrift sie versehen sind (etwa infolge späterer Verfälschung, Unterschiebung der Urkunde zur Unterschrift oder blankettwidriger Ausfüllung), er gab damit aber nicht auch die Prozeßerklärung ab, daß die Namensunterschriften als solche gefälscht seien, was durchaus verständlich erscheint, stünden doch mutwillige Bestreitungen der Echtheit der Namensunterschriften unter der Sanktion des § 313 ZPO (vgl Fasching, Kommentar III 401). Daß der Beklagte inhaltlich des Protokolles zu einer solchen Erklärung nicht aufgefordert wurde, mag einen Verfahrensmangel darstellen (vgl Fasching aaO), der aber von ihm in der Berufung nicht gerügt wurde. Hat der Beklagte aber nicht die Echtheit der Unterschrift, sondern nur die Echtheit des Textes bestritten, kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes die Beweislastregel des § 312 Abs 2 ZPO, die nur die Fälle der bestrittenen Echtheit der Namensunterschrift, nicht aber den Fall der bestrittenen Echtheit der unterfertigten Privaturkunde regelt, nicht zum Tragen. In einem solchen Fall ist vielmehr § 294 ZPO anzuwenden, so daß derjenige, der die Verfälschung oder blankettwidrige Ausfüllung einer echt unterfertigten Privaturkunde (also nur die Echtheit des Textes) bestreitet, dies zu beweisen hat (Fasching aaO 400;
Sperl aaO 408; Stohanzl GMA ZPO14 Anm 3 zu § 312; vgl BGHZ 104, 172, 177, Hartmann in Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO50 1170, 1182; Wieczorek ZPO2 § 416 B II b und § 440 A II b 1;
Leipold in Stein-Jonas ZPO20 Rz 6 zu § 416 und Rz 4 zu § 440;
Rosenberg-Schwab, ZPR14 745). Einen solchen Beweis trat aber der Beklagte nicht an.
Die vom Berufungsgericht angenommene Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens liegt nicht vor. Unter Aufhebung seines Beschlusses wird es daher auch die zu diesem Feststellungskomplex erhobene Beweisrüge des Beklagten zu behandeln haben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.