OGH vom 09.08.2006, 4Ob111/06m

OGH vom 09.08.2006, 4Ob111/06m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Rechtsanwaltskammer, *****, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Christian F*****, Unternehmensberater, 2. K***** KEG, beide *****, beide vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 33.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom , GZ 2 R 53/06w-25, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten haben im Rahmen ihrer Tätigkeit als Unternehmensberater Gesellschaftsverträge und Eingaben an das Firmenbuch verfasst. Die Mandanten unterschrieben diese Schriftstücke anlässlich von Notariatsterminen, bei denen die für das Firmenbuch erforderlichen Notariatsakte erstellt wurden. Das erfolgte durch notarielle Mantelung der von den Beklagten vorbereiteten Privaturkunden (§ 54 NotO).

Die Vorinstanzen haben das Verhalten der Beklagten als Verstoß gegen das Vertretungsmonopol der Rechtsanwälte gewertet und daher nach § 1 UWG verboten. Dem Revisionsrekurs gelingt es nicht, das Vorliegen einer erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

Nach ständiger Rsp werden Unternehmensberater im Innenverhältnis zum Auftraggeber tätig; sie erhalten von ihm typischerweise weder Entscheidungsbefugnis noch die Ermächtigung, die beschlossenen Problemlösungen für ihn zu realisieren. Das obliegt vielmehr dem Auftraggeber selbst, der sich dazu wiederum beauftragter Hilfspersonen (im Rahmen von deren Befugnissen) bedienen kann (RIS-Justiz RS0105035, zuletzt etwa 4 Ob 248/04f = MR 2005, 195 - Unternehmensberater II mwN). Das (jetzt) in § 136 Abs 3 GewO vorgesehene Vertretungsrecht von Unternehmensberatern besteht nur „im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung", also soweit es für für die Durchführung der Beratung erforderlich ist (4 Ob 26/03g = RdW 2003, 700).

Als betriebswirtschaftliche „Problemlösung" kann zwar auch die Entscheidung für eine bestimmte Gesellschaftsform angesehen werden. Der Berater wird aber nur im Vorfeld dieser Entscheidung tätig. Ihre rechtliche Umsetzung durch Erstellung eines Gesellschaftsvertrags und von Eingaben an das Firmenbuch gehört nicht mehr zu seinem typischen, nämlich betriebswirtschaftlich geprägten Tätigkeitsgebiet; sie ist daher auch nicht mehr von seiner Gewerbeberechtigung erfasst. Damit ist ein solches Verhalten ein Verstoß gegen das Vertretungsrecht der Rechtsanwälte, das sich aus § 8 RAO ergibt und speziell für das Verfassen von Rechtsurkunden in § 1 lit b WinkelschreibereiV normiert ist (vgl dazu ausführlich und mwN 4 Ob 69/92).

Dass der Erstbeklagte über juristische Kenntnisse verfügt, die sich auch in mehreren einschlägigen Fachbüchern manifestieren, mag zutreffen. Ein typischer Unternehmensberater, der über kein rechtswissenschaftliches Studium verfügt, wird aber idR nicht in der Lage sein, gesellschaftsrechtliche Verträge zu verfassen. Der Gesetzgeber kann an solche typische Gegebenheiten anknüpfen, ohne mit dieser Durchschnittsbetrachtung gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen (RIS-Justiz RS0054009). An der Verfassungsmäßigkeit der WinkelschreibereiV bestehen keine Bedenken (RIS-Justiz RS0034943). Das Urheberrecht des Erstbeklagten an Fachbüchern, die auch Muster für Gesellschaftsverträge enthalten, gewährt die im Urheberrecht vorgesehenen Befugnisse (etwa das Verbreiten oder das Vervielfältigen der Fachbücher). Das Verfassen von Gesellschaftsverträgen, die auf die Bedürfnisse eines konkreten Falls abgestimmt sind, gehört nicht dazu.

Die (hier notwendige) Mantelung der Verträge durch einen Notar ändert nichts daran, dass die Beklagten (nicht nur die Firmenbucheingaben, sondern auch) die Gesellschaftsverträge außerhalb ihrer Gewerbeberechtigung erstellt und damit gegen die WinkelschreibereiV verstoßen haben. Die Argumentation der Beklagten, die Beteiligung eines Notars lasse „für andere Verantwortlichkeiten keinen Raum", führte letztlich dazu, dass die gewerbsmäßige Erstellung von Vertragsurkunden durch jedermann zulässig wäre, wenn nur sichergestellt ist, dass auf ihrer Grundlage ein Notariatsakt erstellt wird.

Das Berufsbild von Unternehmensberatern ist durch die Rsp eindeutig geklärt. Es ist daher keine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen das Vorliegen einer vertretbaren Rechtsansicht der Beklagten (RIS-Justiz RS0077771) verneint haben. Dass Notare und Anwälte mit den Beklagten zusammengearbeitet haben, kann auch damit erklärt werden, dass sie sich davon einen wirtschaftlichen Vorteil versprochen und ihre Standesregeln aus diesem Grund (zumindest) großzügig ausgelegt haben. Mit einem solchen Verhalten mussten die Beklagten rechnen. Sie können daher die Kooperationsbereitschaft einzelner Anwälte und Notare nicht als guten Grund für die Vertretbarkeit ihrer Rechtsansicht anführen.