OGH 11.07.2012, 3Ob113/12g
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Lechner & Dr. Pfurtscheller Rechtsanwälte OG in Innsbruck, gegen die beklagte Partei G***** Rechtsanwälte KG, *****, wegen 251.870,64 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 265/11i-32, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 34 Cg 138/10s-25, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage einer Anwaltshaftung infolge Nichtaufklärung des Mandanten über drohende Verjährung anlässlich der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses am . Im Revisionsverfahren bildet die Sorgfaltspflichtverletzung kein Thema mehr; strittig ist allein die Frage der Passivlegitimation. Die klagende Partei richtete ihre Schadenersatzklage gegen eine 1996 gegründete Rechtsanwälte KG, die den Einwand erhob, dass nicht sie, sondern ihr alleiniger persönlich haftender Gesellschafter (im Folgenden abgekürzt mit G) passiv legitimiert sei.
Dieser hatte im Jahr 2003 als Vertreter der (auch nun) klagenden Partei beim Landesgericht Salzburg eine Klage eingebracht. Sämtliche Eingaben für die klagende Partei wiesen ihn als Klagevertreter aus, im Kopf der Schriftsätze gab es einen Hinweis auf ein Partnerschaftsverhältnis. Ab einer Stellungnahme vom gab es am Ende der ersten Seite des jeweiligen Schriftsatzes im Kleingedruckten einen Hinweis auf die FN-Zahl der beklagten Partei.
Mit Zusammenschlussvertrag vom übertrug G das gesamte Vermögen seines Einzelunternehmens als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten auf die beklagte Partei. Der Zusammenschluss sollte nach den Vorschriften und mit den Folgen des UmgrStG erfolgen. In § 5 („Rechtsübergang“) stellten die Vertragsparteien klar, „dass die übernehmende Gesellschaft aufgrund des Zusammenschlussvertrags sämtliche Rechte der übertragenden Rechtsanwaltskanzlei, insbesondere Rechte aus Dauer- und Wiederkehrschuldverhältnissen übernimmt und damit berechtigt ist, alle diese Rechte im eigenen Namen geltend zu machen und demnach allfällige Eintragungen und Anmeldungen bei Gerichten und Behörden aller Art zu begehren, sofern diese Rechtsnachfolgen nicht ohnedies schon durch den Zusammenschluss selbst eingetreten sind“.
Die Übertragung des Einzelunternehmens von G an die beklagte Partei aufgrund des Zusammenschlussvertrags wurde im Firmenbuch veröffentlicht.
Die klagende Partei erteilte der beklagten Partei nach dem Zusammenschlussvertrag vom keine Vollmacht zur Vertretung in dem Verfahren vor dem Landesgericht Salzburg. Eine Information der klagenden Partei von dem Zusammenschluss ist nicht feststellbar.
Das Erstgericht wies die Schadenersatzklage ab, die beklagte Partei hafte mangels Gesamtrechtsnachfolge nicht für das Fehlverhalten von G. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass die Haftung der beklagten Partei dem Grunde nach in einem Zwischenurteil bejaht wurde. Ein Zusammenschluss nach § 23 UmgrStG („Einbringung“ eines Einzelunternehmens in eine KG) bewirke keine Gesamtrechtsnachfolge, sondern eine Einzelrechtsnachfolge, weshalb im Bereich des Schuldrechts Übertragungsakte notwendig seien. Die Vereinbarung einer Übernahme (auch) des mit der klagenden Partei geschlossenen Bevollmächtigungsvertrags zwischen G als Altpartei und der beklagten Partei als Neupartei ergebe sich schon aus der im Firmenbuch veröffentlichten Übertragung des Einzelunternehmens von G auf die beklagte Partei aufgrund des Zusammenschlussvertrags. Die (schlüssige) Zustimmung der klagenden Partei liege in ihrer Klageführung gegen die beklagte Partei und ihrem im gesamten Verfahren aufrecht erhaltenen Standpunkt, nur die beklagte Partei und nicht G in Anspruch nehmen zu wollen. Somit sei von einer im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz auch im Außenverhältnis wirksamen Übernahme des zwischen der klagenden Partei als Restpartei und G als Altpartei geschlossenen Bevollmächtigungsvertrags durch die beklagte Partei als Neupartei auszugehen, weshalb die passive Klagelegitimation der beklagten Partei zu bejahen sei.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer außerordentlichen Revision macht die beklagte Partei keine erhebliche Rechtsfrage geltend.
Die Vertragsübernahme erfordert grundsätzlich eine Übereinkunft aller Beteiligten, nämlich der verbleibenden, der ausscheidenden und der an ihre Stelle tretenden Partei (RIS-Justiz RS0032607). Stimmt die verbleibende Vertragspartei nicht bereits im Vorhinein zu, so wird die Vertragsübernahme für sie erst durch die rechtsgeschäftliche Erklärung, dem Wechsel des Vertragspartners zuzustimmen wirksam (8 Ob 34/08w = RIS-Justiz RS0108705 [T3]). Diese Zustimmung der verbleibenden Partei zum Vertragsübergang kann auch schlüssig erfolgen (8 Ob 34/08w = RIS-Justiz RS0032607 [T6]).
Bereits abgewickelte Verträge, also beiderseits bereits erfüllte Verträge, können nicht mehr Gegenstand einer Vertragsübernahme sein (8 Ob 34/08w = RIS-Justiz RS0123377 mit Hinweis auf 4 Ob 355/97b). Als „Stichtag“, zu dem ein noch nicht abgewickeltes Vertragsverhältnis zwischen der verbleibenden Partei und der Altpartei bestehen müsse, nahm der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 34/08w den Zeitpunkt der Übertragung laut Vereinbarung zwischen der Altpartei und der Neupartei (und nicht den Zeitpunkt der Zustimmung der verbleibenden Partei) an.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Zusammenschlussvertrag vom eine Übertragung der Rechte und Pflichten auch in Bezug auf das Vertragsverhältnis zwischen G und der klagenden Partei. Durch die Klageführung gegen die beklagte Partei, vor allem aber durch den während des gesamten Verfahrens aufrechterhaltenen Standpunkt, die beklagte Partei in Anspruch nehmen zu wollen, erteilte die klagende Partei nachträglich in konkludenter Form ihre Zustimmung zur Vertragsübernahme durch die beklagte Partei (ebenso 8 Ob 34/08w).
Der zentrale Standpunkt der beklagten Partei, dass eine Schadenersatzforderung, die nach der Vereinbarung zwischen der Alt- und der Neupartei, aber vor der Zustimmung der verbleibenden Partei entsteht, gegenüber der Altpartei geltend zu machen sei, ist mit der Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen, wonach eine zwischen Altpartei und Neupartei vereinbarte Vertragsübernahme nicht unwirksam, sondern bloß unvollständig ist, solange die Zustimmung der verbleibenden Partei nicht vorliegt (RIS-Justiz RS0032629); bis zu dieser Zustimmung fehlt es bloß an einer Bindung der verbleibenden Partei an die Vertragsübernahme. Im Verhältnis zwischen Alt- und Neupartei („Innenverhältnis“) erfolgte der Vertragsübergang aber schon wirksam aufgrund ihrer Vereinbarung.
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) zurückzuweisen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Lechner & Dr. Pfurtscheller Rechtsanwälte OG in Innsbruck, gegen die beklagte Partei G***** Rechtsanwälte KG, *****, wegen 251.870,64 EUR sA, im Verfahren überdie außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 265/11i-32, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 34 Cg 138/10s-25, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei zur außerordentlichen Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Berufungsgerichts mit Beschluss vom entschieden.
Die klagende Partei hatte am im Elektronischen Rechtsverkehr eine an das Erstgericht gerichtete Revisionsbeantwortung eingebracht, die dem Obersten Gerichtshof am übermittelt wurde.
Mangels Freistellung nach § 508a Abs 2 ZPO ist die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignet und daher zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0124353; RS0113633).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2012:0030OB00113.12G.0711.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAD-34415