OGH vom 13.09.2007, 6Ob179/07b

OGH vom 13.09.2007, 6Ob179/07b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Emilio F*****, geboren am *****, *****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Krems an der Donau, Jugendwohlfahrt, 3500 Krems an der Donau, Josef Wichner Straße 2, über den Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom , GZ 2 R 4/07m-U-40, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien der Beschluss des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom , GZ 17 P 50/06s-U-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie ersatzlos aufgehoben werden.

Text

Begründung:

Der am geborene Emilio ist der uneheliche Sohn der E***** M***** F***** und des Salvatore C*****; er lebt bei seiner Mutter, der die Pflege und Erziehung zukommen.

Der Jugendwohlfahrtsträger beantragte namens des Kindes


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am , den Vater ab zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von EUR 240 und
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am , den Vater mittels einstweiliger Verfügung gemäß § 382a EO zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts von monatlich EUR 105,40 zu verpflichten.
Mit Beschluss vom wurde die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater mit Beschluss vom zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von EUR 240 ab für seinen Sohn Emilio. Zugleich sprach es aus, dass mit Rechtskraft dieses Beschlusses die einstweilige Verfügung vom aufgehoben wird. Am bestätigte das Erstgericht die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit seines Beschlusses vom . Am beantragte der Minderjährige, wiederum vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG auf Grundlage der einstweiligen Verfügung vom . Das Erstgericht gewährte mit Beschluss vom die beantragten Unterhaltsvorschüsse von monatlich EUR 105,40 für die Zeit vom bis , weil die Führung einer Exekution aussichtslos erscheine, da der Vater kein Vermögen habe oder ein Dienstgeber im Inland nicht bekannt sei.
Mit weiterem Beschluss vom erhöhte das Erstgericht gemäß § 19 Abs 2 UVG die mit Beschluss vom gewährten Vorschüsse ab dem neuen Unterhaltstitel gemäß auf monatlich EUR 240. Das Rekursgericht gab dem hiegegen vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zufolge divergenter Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (3 Ob 147/00i gegenüber 4 Ob 137/99x) zulässig sei. Es schloss sich der Entscheidung des 3. Senats an, der ein vergleichbarer Fall zugrunde gelegen sei. Eine Auslegung nach dem Zweck des § 19 UVG (Gleichlauf zwischen Unterhaltsvorschüssen und Unterhaltstiteln) scheine geboten. Das Gesetz spreche von der Herabsetzung oder Erhöhung des Unterhaltsbeitrags, ohne diesbezüglich nach den Anspruchsgrundlagen zu differenzieren.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien mit dem Antrag, in Stattgebung seines Rechtsmittels die bekämpfte Entscheidung und den Beschluss des Erstgerichts vom ersatzlos zu beheben. Der vom Jugendwohlfahrtsträger vertretene Minderjährige erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht formulierten Grund zulässig und auch berechtigt.

Zu dem gleichzeitig mit dem Revisionsrekurs gemäß § 16 Abs 2 und 3 UVG gestellten Antrag „an das Erst- bzw Rekursgericht bzw an den Obersten Gerichtshof" auf „Innehaltung mit der Auszahlung der gesamten Vorschüsse" ist darauf zu verweisen, dass das Erstgericht auf Grund des zugleich mit dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien gegen den Beschluss vom am gestellten Antrags anordnete, mit dem Vollzug des Erhöhungsbeschlusses innezuhalten.

Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend:

Selbst eine endgültige Unterhaltsfestsetzung in Höhe der vorläufigen, der die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO folge, verwandle einen unechten Titelvorschuss nach § 4 Z 5 UVG keinesfalls in einen echten nach § 4 Z 1 UVG. Zu 3 Ob 147/00i sei übersehen worden, dass gemäß § 399a Abs 2 Z 2 EO eine einstweilige Verfügung nach § 382a EO zwingend aufzuheben sei, wenn das Unterhaltsverfahren beendet sei. Gerade darin liege aber der wesentliche Unterschied zu einer „gewöhnlichen bloßen Unterhaltserhöhung", wohingegen es hier um ein „Umstellen" von einem bisherigen Exekutionstitel auf einen neuen gehe. Da mit der Festsetzung des endgültigen Unterhalts (zwingend) die Aufhebung der einstweiligen Verfügung verbunden sei, falle hiedurch die frühere Bewilligungsvoraussetzung weg; selbst wenn gleichzeitig ein neuer wirksamer Exekutionstitel entstehe, ändere dies nichts daran, dass der Vortitel (einstweilige Verfügung) grundsätzlich unwirksam geworden sei, wodurch ein Einstellungsgrund verwirklicht werde. In Wahrheit liege dann auch gar kein Anlass zu einer Vorschusserhöhung vor, sondern sogar ein Anlass zu einer amtswegigen Einstellung der auf Basis der einstweiligen Verfügung gewährten Unterhaltsvorschüsse, welche Beschlussfassung funktionell dem Erstgericht vorbehalten bliebe.

Jüngst hat der 2. Senat des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung vom , 2 Ob 113/07t, erwogen:

„In der Entscheidung vom , 3 Ob 147/00i (= SZ 73/127) wurde bei gleichgelagertem Sachverhalt ausgesprochen, dass auf den titulierten Anspruch eines Minderjährigen auf vorläufigen Unterhalt gemäß § 382a EO bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen auch Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 1 UVG gewährt werden können; allein die Erwirkung eines Unterhaltstitels im Hauptverfahren entziehe Unterhaltsvorschüssen, die einem Minderjährigen infolge eines Titels gemäß § 382a EO gewährt wurden, nicht die Grundlage; übersteige der Unterhaltsanspruch des Minderjährigen nach dem im Hauptverfahren erwirkten Titel den gemäß § 382a EO festgesetzten vorläufigen Unterhalt als bisherige Grundlage für Unterhaltsvorschüsse, so seien die Unterhaltsvorschüsse gemäß § 19 Abs 2 UVG - auch rückwirkend - zu erhöhen (vgl RIS-Justiz RS0113996).

Der Entscheidung 4 Ob 137/99x (= ÖA 1999, 263) lag insoweit ein abweichender Sachverhalt zugrunde, als anders als zu 3 Ob 147/00i (und auch im vorliegenden Verfahren) der dortige Kindesvater nur zu Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 5 UVG - während laufenden Provisorialverfahrens - verpflichtet worden war und erst nach Schaffung eines rechtskräftigen Unterhaltstitels (samt Aufhebung der einstweiligen Verfügung) Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zukunft bewilligt worden waren. Demgemäß hatte sich der 4. Senat sodann auch nur mit der Anpassung (Erhöhung) eines Unterhaltsvorschusses nach § 4 Z 5 UVG nach Gewährung eines vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO zu befassen, wobei ausdrücklich auf dessen Unterschiede zu einem (echten) Unterhaltstitel(vorschuss) hingewiesen wurde. Demgemäß wurde die rückwirkende Gewährung eines Titelvorschusses bei einem reinen Unterhaltsvorschussbegehren nach § 4 Z 5 UVG für unzulässig und eine „Anpassung" des Vorschusses nach § 4 Z 5 UVG an den (später) festgesetzten Unterhaltsbeitrag durch Erhöhung dieses Vorschusses (und nicht durch rückwirkende Gewährung eines Titelvorschusses) als ausgeschlossen erachtet, weil der vorläufige Unterhalt nach § 382a EO und damit auch der Vorschuss nach § 4 Z 5 UVG mit dem Grundbetrag der Familienbeihilfe begrenzt sei (RIS-Justiz RS0112087). Wenn der Differenzbetrag zwischen dem vorläufigen Unterhalt und dem endgültigen Unterhalt nachträglich bevorschusst würde, käme es zu einer (unzulässigen) rückwirkenden Gewährung des Titelvorschusses (RIS-Justiz RS0112086). Zu 7 Ob 194/01g (= SZ 74/173) wurde schließlich ausgesprochen, dass für die Gewährung eines Vorschusses nach § 4 Z 5 UVG nicht erforderlich sei, dass die Entscheidung nach § 382a EO rechtskräftig sei, Exekution geführt oder ein Bedarf nachgewiesen werde; die endgültige Unterhaltsfestsetzung in Höhe der vorläufigen Festsetzung verwandle einen „unechten" Titelvorschuss nach § 4 Z 5 UVG nicht in einen solchen nach Z 1 leg cit, sodass auch insoweit mangels Vergleichbarkeit kein Widerspruch zu 3 Ob 147/00i vorliege, weil dort (anders als zu 7 Ob 194/01g) Identität des Vorschussgrundes (nämlich des § 4 Z 1 UVG) gegeben gewesen sei.

Neumayr lehnt in seiner ausführlichen Kommentierung des UVG in Schwimann, ABGB I³ die Entscheidung 3 Ob 147/00i ausdrücklich ab (FN 392 zu § 4 und FN 124 zu § 19) und führt hiezu näher aus:

„Ganz allgemein ist dann, wenn aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein 'echter' Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 bewilligt wird, im Auge zu behalten, dass die Grundlage der Vorschussgewährung eine einstweilige Verfügung ist, die in einem vereinfachten und beschleunigten Verfahren mit - zunächst - beschränktem rechtlichen Gehör des Gegners ergangen ist. Der damit zuerkannte Unterhalt ist aus diesem Grund auch betragsmäßig beschränkt. Unabhängig davon, ob nun aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein 'unechter' Titelvorschuss nach § 4 Z 5 oder ein 'echter' Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 begehrt wird, ist der 'vorläufige Unterhalt' kein Vorgriff auf den 'erst festzusetzenden Unterhalt', der eine nachträgliche 'Anpassung' des auf einem Titel nach § 382a EO beruhenden Vorschusses an den endgültigen Unterhalt entsprechend § 19 Abs 2 rechtfertigen könnte, sobald dieser festgesetzt ist. Vielmehr kann erst dann, wenn der (endgültige) Unterhalt festgesetzt ist, erstmals auf dessen Basis ein Titelvorschuss beantragt werden, dessen Beginn und Dauer sich nach § 8 richten. Eine unterschiedliche Behandlung bei der Erhöhung je nachdem, ob auf der Grundlage der einstweiligen Verfügung Vorschüsse nach § 4 Z 5 oder nach §§ 3, 4 Z 1 beantragt wurden, wäre sachlich nicht zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn die endgültige Unterhaltsfestsetzung in der Höhe des vorläufigen Unterhalts erfolgt."

In Rz 29 zu § 19 UVG wird dies vom genannten Autor nochmals verdeutlicht:

„Bei Vorschüssen nach § 4 Z 5 ist eine Anpassung entsprechend § 19 Abs 2 UVG mit der endgültigen Unterhaltsfestsetzung nicht möglich, weil der Titel für die Vorschussgewährung, nämlich die einstweilige Verfügung damit beseitigt und nicht erhöht wird. Die fehlende Anpassungsmöglichkeit gilt auch dann, wenn aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein 'echter' Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 gewährt wird. In beiden Fällen, also sowohl bei einem 'unechten' Titelvorschuss nach § 4 Z 5 als auch bei einem 'echten' Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1, ist der vorläufige Unterhalt kein Vorgriff auf den erst festzusetzenden Unterhalt. Vielmehr kann erst dann, wenn der (endgültige) Unterhalt festgesetzt ist, erstmals auf dessen Basis ein Titelvorschuss beantragt werden. Dies gilt auch dann, wenn die endgültige Unterhaltsfestsetzung in der Höhe des vorläufigen Unterhalts erfolgt."

Diese Ausführungen sind überzeugend."

Dem schließt sich der erkennende 6. Senat an. Er folgt daher ebenfalls nicht der zu 3 Ob 147/00i vertretenen Auffassung; diese ist angesichts der zitierten Entscheidungen des 4. und 7. Senats auch letztlich - wenngleich sich die Sachverhalte (geringfügig) unterschieden haben mögen - vereinzelt geblieben. Da keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs" vorliegt (Neumayr, aaO § 19 Rz 23), scheidet somit eine Vorschusserhöhung nach § 19 Abs 2 UVG aus.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren somit ersatzlos aufzuheben.