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OGH vom 08.09.2009, 1Ob119/09w

OGH vom 08.09.2009, 1Ob119/09w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Gottfried K*****, vertreten durch Dr. Helga Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei Maria Ann K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Ebenbichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO, über den Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 59/09p-18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom , GZ 1 C 95/07v-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die Gegnerin der gefährdeten Partei die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Parteien haben am geheiratet, ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Der Antragsteller war zum Zeitpunkt der Eheschließung Alleineigentümer einer mit zahlreichen Pfandrechten belasteten Liegenschaft, die er 1993 und 1996 (Erwerb jeweils eines Hälfteanteils) an die Antragsgegnerin verkaufte. Der Kaufpreis von 750.000 ATS bzw 2 Mio ATS wurde nicht an den Verkäufer ausbezahlt, sondern zur Lastenfreistellung verwendet. Die Antragsgegnerin verpflichtete sich, Pfandrechte abzudecken oder zur Berichtigung zu übernehmen. Nicht festgestellt werden konnte, ob die Antragsgegnerin zur Berichtigung der Verbindlichkeiten Geldmittel aus einer Erbschaft bzw aus dem Verkauf einer in die Ehe eingebrachten Liegenschaft verwendete. Im zweiten Notariatsakt vom wurde festgehalten, dass sämtliche von der Antragsgegnerin getätigten Investitionen sowie sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Vertragsparteien hinsichtlich des Vertragsobjekts seit Eheschließung als verrechnet gelten. Nach dem Verständnis der Antragsgegnerin sollte der Antragsteller keinerlei Ansprüche auf das Haus haben. Dieser verstand die Regelung dahin, dass „ein klarer Schlussstrich gesetzt werden sollte, soweit es das Haus betraf". Absicht der Parteien bei Abschluss der Kaufverträge war, die Liegenschaft lastenfrei zu stellen; ein Zusammenhang mit einem Verfahren auf Aufhebung oder Scheidung der Ehe bestand nicht. Zumindest ab 1995 wohnten die Ehegatten gemeinsam mit ihren Kindern in diesem Objekt. Nicht festgestellt werden konnte, wie lange die Familie dort gemeinsam wohnte und ob bzw wie häufig der Antragsteller das Objekt nach wie vor bewohnt und zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses benötigt. Die Antragsgegnerin hat einen Verkaufsauftrag erteilt und eine Räumungsklage gegen den Antragsteller eingebracht; die Liegenschaft sollte noch im Dezember 2007 verkauft werden.

Der Antragsteller begehrte zur Sicherung seines Aufteilungsanspruchs (§ 382 Abs 1 Z 8 lit c zweiter Fall EO) die Erlassung eines Verfügungsverbots. Die vor Übersiedlung der Antragsgegnerin und der gemeinsamen Kinder nach Slowenien gemeinsam benutzte Ehewohnung sei seine einzige Wohnmöglichkeit.

In ihrem Widerspruch gegen die am erlassene einstweilige Verfügung bestritt die Antragsgegnerin die Zugehörigkeit der Liegenschaft zur Aufteilungsmasse, die Nutzung als letzten gemeinsamen Familienwohnsitz und das dringende Wohnbedürfnis des Antragstellers.

Das Erstgericht wies diesen Widerspruch ab. Die frühere Ehewohnung gehöre jedenfalls im Umfang der werterhöhenden Aufwendungen, aber auch deshalb zur Aufteilungsmasse, weil sie aufgrund der Lastenfreistellung erst einen dauerhaften und gesicherten Wert dargestellt habe und als eheliche Errungenschaft zu qualifizieren sei. Die Vereinbarung im zweiten Notariatsakt regle nur die Frage der Investitionsabgeltung, aber keinen ehelichen Aufteilungsanspruch, weshalb sie kein nach § 97 EheG unzulässiger Vorausverzicht auf den Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens sei.

Das von der Antragsgegnerin angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 20.000 EUR und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Aufgrund der umfangreichen Belastung der Liegenschaft zum Zeitpunkt der Eheschließung gelte diese nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht als „eingebracht". Mangels Feststellung, dass sämtliche Investitionen und Kredittilgungen ausschließlich durch von der Antragsgegnerin in die Ehe eingebrachte Mittel finanziert worden seien, stelle das Objekt auch kein Surrogat der von der Antragsgegnerin in die Ehe eingebrachten Vermögenswerte dar. Das Objekt unterliege damit grundsätzlich der Aufteilung. Die 1996 getroffene Vereinbarung sei als endgültige Regelung auch über spätere Aufteilungsansprüche zu werten, weshalb sich die Frage der Zulässigkeit dieser Vereinbarung nach § 97 Abs 1 erster Satz EheG stelle. Aufgrund der Nutzung des Objekts als Ehewohnung zum Zeitpunkt der Vereinbarung sei diese als Vorausverzicht jedenfalls unzulässig gewesen. Diese Unzulässigkeit könne nicht nachträglich durch die - hier nicht festgestellte - Verlegung des Lebensmittelpunkts der Familie beseitigt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. § 82 Abs 1 Z 1 EheG nimmt unter anderem solche Sachen von der Aufteilung aus, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht hat. Ob eine Sache als eingebracht gilt, ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen (Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EheG § 82 Rz 9 mwN). Überwiegt der Wert der Investitionen und der Lastenfreistellung jenen der belasteten Liegenschaft zum Zeitpunkt der Eheschließung und ist damit die überwiegende Wertschöpfung während der Ehe erfolgt, ist die Liegenschaft zur Gänze in die Aufteilung einzubeziehen (Deixler-Hübner aaO; RIS-Justiz RS0057681; 1 Ob 159/04w). Dass diese (von den Vorinstanzen angenommene) Voraussetzung der überwiegenden Wertschöpfung verwirklicht ist, wird im Revisionsrekurs nicht konkret bezweifelt. Dass der Kauf der als Ehewohnung dienenden Liegenschaft und die - von den Vertragsparteien bei Abschluss der Kaufverträge primär beabsichtigte - Lastenfreistellung ausschließlich aus dem von der Käuferin in die Ehe eingebrachten Vermögen finanziert worden wäre, steht nicht fest, weshalb die (von Lasten freigestellte) Liegenschaft nicht als deutlich abgrenzbares Surrogat dieses Vermögens zu sehen ist (RIS-Justiz RS0057305; RS0057478). Fällt die Liegenschaft nach diesen Kriterien in die Aufteilungsmasse, muss auch die Frage, ob ihr Verkauf an den anderen Ehegatten für sich alleine bereits die Zugehörigkeit zur Aufteilungsmasse begründete, nicht beantwortet werden.

Nach § 82 Abs 2 EheG setzt die Einbeziehung einer eingebrachten Ehewohnung voraus, dass sie der andere Ehegatte zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse benötigt. Diese Bestimmung ist hier jedenfalls irrelevant: Ein dringendes Wohnbedürfnis keines der Ehegatten steht fest.

2. Nach § 97 Abs 1 Satz 1 EheG ist ein Vorausverzicht auf den Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens nicht zulässig, während Satz 2 leg cit solche Vereinbarungen in Notariatsaktform bezogen auf eheliche Ersparnisse erlaubt. Bei Abschluss der Vereinbarung im Jahr 1996 über die Abgeltung sämtlicher Investitionen und der wechselseitigen Ansprüche hinsichtlich des Vertragsobjekts diente die Liegenschaft als Ehewohnung und gehörte nach § 81 Abs 2 letzter Halbsatz EheG zum ehelichen Gebrauchsvermögen. Die vom Rekursgericht vorgenommene Interpretation der im Kaufvertrag enthaltenen Vertragsbestimmung als eine Vereinbarung über eine endgültige Regelung auch der Aufteilungsansprüche ist überzeugend. Im Sinn des übereinstimmenden Verständnisses der Parteien sollte eine abschließende Regelung getroffen werden, die nach ihrem Wortlaut sämtliche, wechselseitigen Ansprüche seit Eheschließung betraf. Darunter fallen somit eindeutig auch die gegenseitigen Aufteilungsansprüche, soweit sie sich auf die Liegenschaft beziehen. Zum damaligen Zeitpunkt war die Vereinbarung nach § 97 Abs 1 Satz 1 EheG unzulässig. Diese Unwirksamkeit wäre dann nachträglich weggefallen, wenn das Objekt zum Zeitpunkt der Trennung der Ehegatten nicht mehr gemeinsam bewohnt worden wäre und den Charakter als Ehewohnung endgültig verloren hätte. Dann gilt das Objekt nämlich nicht mehr als Ehewohnung, sondern als gewöhnliche eheliche Ersparnis, deren Aufteilung nach § 97 Abs 1 Satz 2 EheG zulässigerweise mit Notariatsakt geregelt werden kann (3 Ob 187/07g = EFSlg 117.577). Diese, der zitierten Entscheidung zugrunde liegende Voraussetzung, ist nach dem im Provisorialverfahren bescheinigten Sachverhalt nicht verwirklicht. Es steht nämlich nicht fest, ob bzw zu welchem Zeitpunkt die gesamte Familie (also nicht nur die Antragsgegnerin und die beiden gemeinsamen Kinder) ihren Lebensmittelpunkt an einen anderen Ort (Slowenien) verlegt hat und den bisherigen Familienwohnsitz überhaupt nicht mehr als Ehewohnung oder als eheliches Gebrauchsvermögen (Ferienwohnung) benutzte. Steht die (ursprüngliche) Unzulässigkeit der Vereinbarung fest, wirkt das zugunsten des Antragstellers, der trotz dieser Vereinbarung die Einbeziehung der Liegenschaft in die Aufteilungsmasse anstrebt. Die nachträglich eingetretene Wirksamkeit dieser Vereinbarung hätte die Antragsgegnerin zu behaupten und zu bescheinigen, was ihr nach den im Provisiorialverfahren getroffenen Negativfeststellungen nicht gelungen ist.

Ihr erstmals im Rekurs erhobener Einwand, der Antragsteller handle aufgrund der gewollten abschließenden Regelung in der vertraglichen Vereinbarung rechtsmissbräuchlich, ist ein Verstoß gegen das auch im Sicherungsverfahren geltende Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0002445; vgl RIS-Justiz RS0016481).

Die im Revisionsrekursverfahren allein noch strittige Voraussetzung für die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO, nämlich die Zugehörigkeit der Liegenschaft zur Aufteilungsmasse, ist damit verwirklicht, weshalb dem Rechtsmittel der Antragsgegnerin nicht Folge zu geben ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 EO (Antragsteller) und auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO (Antragsgegnerin).