OGH vom 06.10.2000, 1Ob119/00g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der Antragsteller und Antragsgegner 1. Heinz R***** und 2. Roswitha R*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwalt in Linz, wider die Antragsgegnerin und Antragstellerin H***** Jagdverwaltungs-Anstalt *****, vertreten durch Mag. Dr. Rudolf Gürtler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Festsetzung einer Entschädigung gemäß § 77 Abs 1 Oö JagdG (Streitwert 320.040 S) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 22 R 19/00a-10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gmunden vom , GZ 1 Nc 213/98s, 1 Nc 256/98i-5, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsteller haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Antragsteller und Antragsgegner (im Folgenden Antragsteller) sind je zur Hälfte bzw je zu einem Viertel Eigentümer näher genannter Liegenschaften in Oberösterreich. Anlässlich einer Begehung am in einem bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anhängigen Verfahren wurden Wildschäden auf einer Liegenschaft der Antragsteller festgestellt. An dieser Begehung nahm auch ein Forstmeister teil. Dieser vertritt sowohl die Antragsgegnerin und Antragstellerin (im Folgenden Antragsgegnerin) - die 1986 gegründete Jagdpächterin und damit zufolge § 8 Abs 2 Oö JagdG auch Jagdausübungsberechtigte - als auch die Grundeigentümerin, die ihr Eigenjagdgebiet samt den dazugehörigen Jagdeinschlüssen und Arrondierungsflächen ab auf zehn Jahre an die Antragsgegnerin verpachtet hatte. Mit Schreiben an die Grundeigentümerin zu Handen des Forstmeisters vom zeigten die Antragsteller die anlässlich der Begehung am festgestellten Verbiss-Schäden an den Bäumen "nochmals schriftlich" an und ersuchten iSd § 73 Oö JagdG um eine gütliche Vereinbarung zwecks Regulierung des - betraglich nicht zifferten - Schadens, andernfalls der Schaden bei der zuständigen Jagd- und Wildschadenskommission (im Folgenden auch nur Kommission) angemeldet werden müsste. Mangels Einigung mit der Grundeigentümerin stellten die Antragsteller am einen Antrag an die Kommission, die Grundeigentümerin zur Zahlung einer Wildschadensentschädigung von 320.040 S zu verhalten. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden der Antragsgegnerin Ladungen für die Verhandlungen am 2. und zugestellt, denen der Antrag nicht beigeschlossen war. Mit Eingabe vom wendete die Antragsgegnerin ua die mangelnde aktive und passive Anspruchslegitimation ein. Mit Bescheid vom trug die Kommission der Grundeigentümerin auf, 10 % der Wildschadensforderung der Antragsteller, somit 32.004 S, binnen vier Wochen zu zahlen. Das darauf von beiden Teilen (die Antragsteller strebten die Verpflichtung der Grundeigentümerin zum Ersatz des gesamten geltend gemachten Wildschadens an, während die Grundeigentümerin die gänzliche Abweisung deren Verlangens begehrte) angerufene Bezirksgericht wies den Antrag auf Wildschadenersatz zur Gänze mit der Begründung ab, die Grundeigentümerin sei nicht iSd § 65 Abs 1 iVm § 8 Oö JagdG jagdausübungsberechtigt.
Am richteten die Antragsteller an die Kommission einen neuerlichen, inhaltlich jedoch gleichlautenden Antrag nunmehr gegen die Antragsgegnerin. Mit Bescheid vom trug die Kommission der Antragsgegnerin auf, 10 % der Wildschadensforderung der Antragsteller, somit 32.004 S, binnen vier Wochen zu zahlen. Das darauf von beiden Teilen mit dem gleichen Ziel wie im früheren Verfahren angerufene Bezirksgericht wies den Antrag auf Ersatz des Wildschadens - in dem ebenso wie in der Verhandlung vom vorgebracht worden war, dass es sich um dieselben Wildschäden wie im Verfahren gegen die Grundeigentümerin handle, die bei der Begehung am festgestellt worden seien - zur Gänze wegen Verfristung nach § 73 Oö JagdG ab. Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss, ging aber von einer Verfristung nach § 69 Oö JagdG aus.
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Auf den vorliegenden Rechtsfall findet das Gesetz vom LGBl 1964/32 über die Regelung des Jagdwesens (Oö JagdG) idgF Anwendung. Dessen Abschnitt H regelt die Jagd- und Wildschäden. Gemäß § 65 Abs 1 Oö JagdG hat, soweit nicht besondere Vereinbarungen getroffen werden, der Jagdausübungsberechtigte allen entstandenen Jagd- und Wildschaden in dem in diesem Gesetz bestimmten Ausmaß zu ersetzen. Gemäß § 69 Oö JagdG idFd LGBl 1988/13 ist der Anspruch auf Ersatz eines Jagd- oder Wildschadens binnen drei Wochen nach Bekanntwerden des Schadens bei sonstigem Verlust des Anspruchs beim Jagdausübungsberechtigten oder dessen Bevollmächtigten geltend zu machen. Über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden entscheidet, sofern - wie hier - ein Übereinkommen zwischen dem Geschädigten und dem Jagdausübungsberechtigten nicht zustandekommt, die Jagd- und Wildschadenskommission (§ 70 Abs 2 Oö JagdG). Der Geschädigte hat nach § 73 Oö JagdG idFd LGBl 1988/13, wenn eine gütliche Vereinbarung mit dem Jagdausübungsberechtigten nicht zustande kommt, seinen Schadenersatzanspruch binnen zwei Wochen nach Ablauf der im § 69 festgesetzten Frist beim Obmann der Jagd- und Wildschadenskommission anzubringen. Gegen den Bescheid der Kommission ist eine Berufung an die Bezirksverwaltungsbehörde nicht zulässig. Er tritt jedoch außer Kraft, soweit eine Partei innerhalb von vier Wochen nach seiner Zustellung die Entscheidung durch das Gericht beantragt (§ 77 Abs 1 Oö JagdG). Dass das in § 70 Abs 2 und § 77 Abs 1 Oö JagdG eingerichtete Verfahren, das nach der Entscheidung einer Jagd- und Wildschadenskommission über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden eine sukzessive Kompetenz der ordentlichen Gerichte vorsieht, den gemäß Art 6 Abs 1 EMRK zu stellenden Anforderungen entspricht, wurde vom erkennenden Senat bereits ausgesprochen (1 Ob 506/95 = JBl 1996, 190 = ecolex 1995, 418; RIS-Justiz RS0063070).
§ 69 Oö JagdG enthält eine ausdrücklich angeordnete gesetzliche Fallfrist (ecolex 1995, 418; 1 Ob 507/96 = SZ 69/74 = JBl 1996, 799 [Klicka] = ecolex 1996, 674; RIS-Justiz RS0063067; Zl. 82/03/0008; Pesendorfer/Rechberger, Das oberösterreichische Jagdrecht 146, 151; Binder, Jagdrecht 107, 110), sodass eine Fristversäumnis den Anspruchsverlust zur Folge hat (JBl 1996, 190; SZ 69/74; Zl. 2301/74-8, somit vor der Einführung der sukzessiven Kompetenz im Oö Jagdrecht). Diese Fallfrist beginnt jedenfalls ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Geschädigte von einem Jagd- oder Wildschaden - nur ein solcher ist hier zu beurteilen - tatsächlich Kenntnis erlangte. Das ist hier der . Binnen drei Wochen, somit bis zum , hatten die Antragsteller ihren Schaden beim Jagdausübungsberechtigten oder seinem Vertreter (Forstmeister) bei sonstigem Anspruchsverlust geltend zu machen.
Die Frage, ob ein "Anspruch auf Ersatz des Wildschadens" auch dann als innerhalb der gesetzlichen Fallfrist des § 69 Oö JagdG geltend gemacht anzusehen ist, wenn vom Anspruchswerber wie hier kein ziffernmäßig bestimmter Anspruch erhoben wird, kann ebenso auf sich beruhen wie die Frage, ob die Antragsteller mit ihrem Schreiben vom an die nicht jagdausübungsberechtigte Grundeigentümerin - deren Vertreter zugleich auch die Antragsgegnerin vertrat - ihren Schaden (auch) gegen die allein haftende Antragsgegnerin geltend machten, sowie das von den Vorinstanzen nicht geprüfte Antragsvorbringen, anläßlich der Begehung vom sei der Wildschaden gegenüber dem Forstmeister als Vertreter der Antragsgegnerin (und nicht als Vertreter der Grundeigentümerin) geltend gemacht worden. Denn der Anspruch ist jedenfalls verfristet.
Der Geschädigte hat, wenn eine gütliche Vereinbarung - wie hier unbestritten ist - mit dem Jagdausübungsberechtigten nicht zustande kommt, seinen Schadenersatzanspruch binnen zwei Wochen nach Ablauf der im § 69 festgesetzten Frist beim Obmann der Jagd- und Wildschadenskommission anzubringen (§ 73 Oö JagdG idFd LGBl 1988/13). Dieses Anbringen enthielt im vorliegenden Fall in beiden Fällen der Befassung der Kommission einen nun ziffernmäßig bestimmten Wildschaden. Die für die Geltendmachung und Anbringung eines Jagdschadens oder Wildschadens normierten Fristen - also jene nach § 69 und § 73 Oö JagdG - sind gesetzliche Fallfristen, obwohl dies in § 73, anders als in § 69, im Wortlaut nicht unmittelbar zum Ausdruck gebracht wird. Zwar wurde insoweit in der Entscheidung SZ 69/74 auf § 73 Oö JagdG nicht ausdrücklich Bezug genommen, doch ist in der Entscheidung 1 Ob 506/96 (insoweit zwar in ecolex 1995, 418, nicht aber auch in JBl 1996, 190 veröffentlicht) nach Wiedergabe des § 73 ausgeführt, die für die Geltendmachung und Anbringung eines Jagd- oder Wildschadens normierten Fristen seien gesetzliche Fallfristen. Streitentscheidend sei, ob die Antragstellerin ihre Ersatzansprüche innerhalb dieser Fristen (somit nach § 69) geltend gemacht und (zu ergänzen: nach § 73) angebracht habe. Obwohl der Verwaltungsgerichtshof vor Einführung der sukzessiven Kompetenz die Frist des § 73 Oö JagdG nicht als Fallfrist, sondern als bloße Ordnungsvorschrift beurteilte ( VwSlg 8213[A] und vom , Zl. 82/03/0008 = ZfVB 1984/4/1535; Pesendorfer/Rechberger, Das oberösterreichische Jagdrecht 151), bieten die Rechtsmittelausführungen keinen Anlass, von der in 1 Ob 506/96 vertretenen Auffassung abzugehen, weil die Geltendmachung einer Forderung auf Ersatz von Wildschäden (gegenüber dem Jagdausübungsberechtigten) und das Anbringen nicht verglichener Wildschäden (bei der Kommission) nur als Einheit gesehen werden können. Eine sachgerechte Entscheidung der Kommission wäre bei einem Anbringen der Forderung auf Ersatz des Wildschadens erst knapp vor Ablauf einer angenommenen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 1489 ABGB) wohl kaum möglich.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese kurze Frist von zwei Wochen bestehen nicht, weil einerseits das Oö JagdG gleich den anderen österreichischen Landesjagdgesetzen eine verschuldensunabhängige Schadenersatzpflicht der Jagdausübungsberechtigten vorsieht (4 Ob 593/95 = SZ 68/233; 2 Ob 256/99g; RIS-Justiz RS0090616; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 413), obwohl der Wildverbiß, worauf die Antragsgegnerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung zutreffend hinweist, auch in außerhalb der Jagd liegenden Gründen seine Ursachen hat. Andererseits können nur so sonst auftretende schwierige Beweisprobleme vermieden werden, ist doch jeder durch das Wild nach und nach verursachte Schaden als (neuer) Primärschaden anzusehen (SZ 69/74). Im Besonderen gilt dies, wenn das Fehlen der jährlich auftretenden Naturverjüngung eines Baumbestandes als Wildschaden geltend gemacht wird. Schließlich sind nach neuerer Rspr in gewissem Umfang die Verjährungsvorschriften, im Besonderen für die Hemmung und Unterbrechung, analog auf Präklusionsfristen anzuwenden (Koziol/Welser, Grundriß10 I 190 mwN in FN 2 f). In diesen Umständen ist die sachliche Rechtfertigung für die kurze Frist zur Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz des Wildschadens bei der Behörde (Kommission) zu sehen. An der Auffassung, § 73 Oö JagdG enthalte eine Präklusivfrist, ist somit festzuhalten.
Machten die Antragsteller tatsächlich bereits am gegenüber dem Forstmeister als Vertreter der Antragsgegnerin ihren Wildschaden geltend, so ist ihr erst am an die Kommission gestellter Antrag jedenfalls verfristet, zumal Hemmungs- oder Unterbrechungsgründe weder behauptet noch festgestellt wurden. Festgestellt ist dagegen, dass die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde dem Rechtsvertreter der Antragsteller über dessen Anfrage vom mit Schreiben vom (zugestellt am ) mitteilte, das gesamte Eigenjagdgebiet der Grundeigentümerin sei an die Antragsgegnerin verpachtet. Selbst wenn den Antragstellern erst seit bekannt gewesen sollte, dass die Antragsgegnerin Jagdausübungsberechtigte war, wäre ihr Antrag an die Kommission vom daher verfristet.
Dem Rechtsmittel kann daher kein Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung fußt auf § 77 Abs 1 Oö JagdG iVm § 44 EisbEG 1954, weil die Kosten des außerordentlichen Revisionsrekurses durch ein ungerechtfertigten Einschreiten der Antragsteller hervorgerufen wurden. Die Antragsgegnerin hat zu Recht keine Kosten verzeichnet.
Fundstelle(n):
SAAAD-34330