OGH 09.08.2011, 4Ob110/11x
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. M***** L*****, 2. Mag. W***** H*****, 3. Dr. M***** K*****, alle vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, und 4. Dr. E***** W*****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung, Leistung, Feststellung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren hinsichtlich Erst- bis Drittbeklagter 35.002 EUR, hinsichtlich Viertbeklagten 5.001 EUR), im Verfahren über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 15 R 83/11b-14, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 18 Cg 225/10t-9, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag übermittelt, den Bewertungsausspruch dahin zu ergänzen, dass das vom Revisionsrekurs betroffene Teilbegehren gesondert bewertet wird, und gegebenenfalls eine Entscheidung nach § 508 Abs 3 iVm § 528 Abs 2a ZPO zu treffen.
Text
Begründung:
Die Klägerin erhob zur Sicherung ihrer inhaltsgleichen Unterlassungsansprüche zwei Sicherungsbegehren: sie beantragte, dem Erst- bis Drittbeklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr eine bestimmte Telefonnummer (samt allfälligen Subnummern) im Aktiv- und Passivverkehr zu benützen und weiters (allen) Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr Klienten der Klägerin, die mit dem Unternehmenskaufvertrag vom übernommen wurden, rechtswidrig abzuwerben und/oder darauf gerichtete Aktivitäten zu setzen.
Das Erstgericht wies beide Sicherungsbegehren ab.
Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Zum Bewertungsausspruch verwies das Rekursgericht auf die Bewertung der Klägerin in der Klage, von der abzugehen kein Anlass bestünde.
Mit dem als außerordentlichen Revisionsrekurs bezeichneten Rechtsmittel begehrt die Klägerin eine antragsstattgebende Entscheidung in Ansehung des ersten Unterlassungsbegehrens, die Abweisung des zweiten Unterlassungsbegehrens ließ sie ausdrücklich unbekämpft.
Die Akten sind dem Rekursgericht zur Ergänzung seines Bewertungsausspruchs und zur allfälligen Entscheidung nach § 508 Abs 3 iVm § 528 Abs 2a ZPO zurückzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand - und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Rechtsmittelgerichts -, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; sonst sind sie getrennt zu behandeln (RIS-Justiz RS0053096, RS0037838, RS0042349).
Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus dem selben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen Anspruch ohne ergänzendes weiteres Sachvorbringen entscheiden zu können (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt etwa dann vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden, nicht aber wenn die Ansprüche ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (4 Ob 67/11y mwN; vgl RIS-Justiz RS0037899). Ob die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung gegeben sind, ist nach den Klagebehauptungen (Antragsbehauptungen) zu beurteilen (RIS-Justiz RS0042741).
Im vorliegenden Fall stützt sich die Klägerin auf zwei Wettbewerbsverstöße der Beklagten. Sie behauptet einerseits eine sonstige unlautere Handlung iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG durch Missachtung vertraglicher Vereinbarungen in Ansehung einer Telefonfestnetznummer zwecks Umleitung von Klientenströmen (erste Anfragen etc), andererseits durch vertragswidrige Abwerbung von Klienten (entgegen vertraglicher Einigung, wonach bestimmte Klienten der Klägerin verbleiben sollen, andere den Beklagten zukommen sollen). Daraus leitet die Klägerin zwei voneinander getrennte Unterlassungsansprüche ab. Diese sind auf unterschiedliche Sachverhalte gestützt, ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang ist nicht erkennbar. Die Ansprüche sind daher nach § 55 Abs 1 JN nicht zusammenzurechnen. Damit hat das Rekursgericht über voneinander getrennte Gegenstände entschieden, die gesondert zu bewerten sind.
Sollte das Rekursgericht entscheiden, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands beim in dritter Instanz allein strittigen (ersten) Unterlassungsbegehren (Unterlassung der Nutzung einer bestimmten Festnetznummer) 5.000 EUR nicht übersteigt, wäre der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig. Sollte es zum Ergebnis kommen, dass dieser Wert zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, wird es weiters zu prüfen haben, ob es die diesbezüglichen Ausführungen der Zulassungsbeschwerde als Antrag nach § 508 Abs 1 iVm § 528 Abs 2a ZPO deutet. In diesem Fall wird es über die nachträgliche Zulassung des Revisionsrekurses zu entscheiden haben, sonst wird insofern ein Verbesserungsverfahren einzuleiten sein. Nur die gesonderte Bewertung des (ersten) Unterlassungsbegehrens als Entscheidungsgegenstand mit mehr als 30.000 EUR müsste zur unmittelbaren Vorlage des außerordentlichen Revisionsrekurses an den Obersten Gerichtshof führen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. M***** L*****, 2. Dr. M***** K*****, 3. Mag. W***** H*****, alle vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Leistung, Feststellung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 35.002 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 15 R 83/11b-14, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 18 Cg 225/10t-9, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden in Ansehung des den Telefonanschluss betreffenden Unterlassungsbegehrens sowie im Kostenpunkt aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Erst-, Zweit- und Viertbeklagter waren Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin; der Drittbeklagte war Mieter und Kooperationspartner der Klägerin. Der Viertbeklagte ist mit Ablauf des emeritiert.
Mit Unternehmenskaufvertrag vom vereinbarten die Klägerin und der Viertbeklagte, dass die Klägerin die Rechtsanwaltskanzlei des Viertbeklagten zum Übergabestichtag übernehmen soll. Bis zu diesem Zeitpunkt betrieb der Viertbeklagte seine Rechtsanwaltskanzlei als eigenständiger Anwalt auf eigene Rechnung an der Adresse der Klägerin weiter.
Der Telefonanschluss 01 513 44 34 oder die Übertragung dieses Telefonanschlusses waren nicht ausdrücklich Gegenstand des Unternehmenskaufvertrags. Aktuell wird die genannte Telefonnummer von den Erst- bis Drittbeklagten, selbständige Rechtsanwälte in Kooperation, verwendet. Ursprünglich war es der Telefonanschluss des Viertbeklagten. Dieser gab anlässlich seiner Übersiedlung gegen Jahresende 2007 eine Rufumleitung zu der immer noch aktuellen Nummer der Klägerin 72 577 für siebeneinhalb Monate in Auftrag und kündigte seinen Anschluss mit Wirkung zum . Am aktivierte der Viertbeklagte den Anschluss wieder und verlängerte die Anrufumleitung zur Rufnummer 72 577.
Die aktuelle Telefonnummer seit der Übersiedlung des Viertbeklagten war die Nummer 01 72 577, das ist immer noch die Nummer der Klägerin, seit diesem Zeitpunkt wurden alle Anrufe unter der Nummer 513 44 39 auf die neue Nummer 72 577 mit der Ansage umgeleitet, „(Name der Rechtsanwälte GmbH) Wir haben eine neue Telefonnummer, sie erreichen uns unter 72 577, wir leiten Sie an diese Nummer weiter“.
Zur Sicherung des im Wesentlichen inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin - soweit in dritter Instanz noch relevant - dem Erst-
bis Drittbeklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Wiener Telefon-Teilnehmeranschluss 01 513 44 34 und allenfalls damit verknüpfte Subnummern (Klappen) zu nutzen. Obwohl sich der ursprünglich Viertbeklagte im Unternehmenskaufvertrag verpflichtet habe, ausschließlich mit der Klägerin zu kooperieren und es zu unterlassen, anderen Rechtsanwälten potentielle Klienten zuzuführen, würben die Beklagten systematisch den gekauften Kundenstock ab. Sie hätten darüber hinaus die mitgekaufte Telefonnummer vor ihrem Ausscheiden aus der Klägerin heimlich auf sie übertragen, womit bewirkt werde, dass Kundenströme von der Klägerin auf die Beklagten verlagert würden. Die Klägerin stünde in einem Konkurrenzverhältnis mit den Beklagten, von denen Erst- bis Drittbeklagter bereits im November 2009 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet hätten. Im Rahmen des Unternehmenskaufvertrags sei mit dem Viertbeklagten vereinbart worden, dass er seine mitverkaufte Telefonnummer, die einen Vermögensbestandteil seines Unternehmens bilde, an die Klägerin übertragen und die Klägerin eine Rufumleitung an ihre neue Telefonnummer einrichten werde. Tatsächlich habe der ursprünglich Viertbeklagte jedoch nur eine Rufumleitung in Auftrag gegeben, was für die Klägerin nicht erkennbar gewesen sei. Am , also zu einem Zeitpunkt als der Erstbeklagte noch Geschäftsführer der Klägerin gewesen sei, habe er mit dem ursprünglich Viertbeklagten die Übertragung der Rufnummer an ihn vereinbart, obwohl ihm diese nicht mehr gehört habe. Seit dieser Übertragung verwende der Erstbeklagte, seine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht sowie seine Mitgesellschafter diese Rufnummer, um Kundenströme von der ehemaligen Kanzlei des Viertbeklagten umzuleiten. Die Übertragung der Telefonnummer sei zumindest eine zivilrechtliche Untreuehandlung des früheren Geschäftsführers der Klägerin (des Erstbeklagten), wobei der ursprünglich Viertbeklagte Beitragstäter sei. Letzterer begehe damit auch einen vorsätzlichen systematischen Vertragsbruch zum Nachteil der Klägerin. Die Beklagten hätten mit dem Gesamtkonzept gehandelt, möglichst viele materielle und immaterielle Werte ohne Gegenleistung „abzuzocken“. Sämtliche Beklagten hätten wissentlich und willentlich in Bezug auf die Pflichtverletzung des Erstbeklagten als Geschäftsführer der Klägerin als Mittäter gehandelt. Die Aktivitäten der Beklagten seien daher eine unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung iSd § 1 UWG.
Die Beklagten wendeten ein, die Rufnummer sei nicht mitverkauft worden, weil sie jahrelang nicht benützt worden sei und daher keinen Wert mehr habe. Der Erstbeklagte habe wegen seiner Kanzleigründung eine neue Telefonnummer gebraucht, was sechs bis acht Wochen gedauert hätte, sodass er im Einvernehmen mit dem Viertbeklagten dessen frühere Telefonnummer übernommen habe. Dies sei der Klägerin bereits seit Jänner 2010 bekannt gewesen.
Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab. Eine seit eindreiviertel Jahren inaktive Telefonnummer sei nicht mehr als Vermögensgut anzusehen und daher vom Unternehmenskaufvertrag nicht umfasst. Erst- bis Drittbeklagte seien auch nicht Vertragspartner dieses Kaufvertrags, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe daher nicht. Das Verbot, den aktuellen Telefonanschluss zu nutzen, käme überdies praktisch einer Löschung der Telefonnummer gleich, weil sie dann nicht einmal zum Verweis auf die neue Telefonnummer genutzt werden dürfte. Die Beklagten wären daher gezwungen, eine neue Telefonnummer für ihre Rechtsanwaltskanzlei zu beantragen. Es dürfe mit einstweiliger Verfügung aber keine Sachlage geschaffen werden, die nicht mehr rückgängig zu machen sei.
Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO vorliege. Die Klägerin habe kein Vorbringen zu einem unwiederbringlichen Schaden erstattet, sie behaupte nur nicht bezifferbare Vermögensschäden. Die Untersagung der Aktivnutzung eines Telefonanschlusses sei zwar unproblematisch, nicht aber die der Passivnutzung, weil die Beklagten darauf keinen Einfluss nehmen könnten, außer sie würden den Anschluss kündigen. Dies würde aber einen unumkehrbaren Zustand schaffen, was mittels einstweiliger Verfügung nicht angeordnet werden dürfe. Dies stünde darüber hinaus in Widerspruch zum gleichfalls erhobenen Begehren auf Übertragung der Telefonnummer an die Klägerin.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie die Stattgebung des Sicherungsbegehrens anstrebt, ist zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags der Klägerin auch berechtigt.
1. Zur Sicherung anderer Ansprüche (als Geldforderungen) können einstweilige Verfügungen getroffen werden, wenn 1. zu besorgen ist, dass sonstige gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung des fraglichen Anspruchs, insbesondere durch eine Veränderung des bestehenden Zustands vereitelt oder erheblich erschwert werden würde oder 2. wenn derartige Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen (§ 381 EO).
Ein Schaden ist dann unwiederbringlich, wenn ein Nachteil an Vermögen, Rechten oder Personen eingetreten oder wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Schadenersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (RIS-Justiz RS0005270).
Einstweilige Verfügungen zur Sicherung von Unterlassungsansprüchen nach dem UWG können gemäß § 24 UWG auch ohne die Voraussetzungen des § 381 EO (Gefahrenbescheinigung) bewilligt werden (RIS-Justiz RS0005170, vgl RS0080058). Die in § 24 UWG geregelte Ausnahme von § 381 EO bezieht sich sowohl auf die Gefährdung iSd § 381 Z 1 EO als auch auf den drohenden Schaden nach § 381 Z 2 EO (Kodek/Leupold in Wiebe/G. Kodek, Kommentar zum UWG § 24 Rz 8 mwN).
Da die Klägerin einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach §§ 1 und 14 UWG geltend macht, bedarf es der vom Rekursgericht erörterten und verneinten Gefährdung des zu sichernden Anspruchs ebenso wenig wie der Gefahr eines drohenden unwiederbringlichen Schadens.
2. Der Rechtssatz, dass eine einstweilige Verfügung der endgültigen Entscheidung nicht vorgreifen und durch sie nicht das bewilligt werden darf, was die gefährdete Partei erst seinerzeit im Wege der Exekution erzwingen könnte, gilt nur für einstweilige Verfügungen nach §§ 379 und 381 Z 1 EO, nicht aber auch für solche nach § 381 Z 2 EO (RIS-Justiz RS0009418), wie diese im Rahmen des § 24 UWG regelmäßig vorliegen. Wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Verfügung kommt aber eine Sicherung dann nicht in Betracht, wenn damit eine Sachlage geschaffen würde, die im Fall eines die Verfügung nicht rechtfertigenden Urteils nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0009418 [T5]; vgl RS0080049; Kodek/Leupold aaO Rz 23 mwN; vgl auch König, Die Nichtrückführbarkeit einstweiliger Verfügungen in FS Griss, 389 ff).
Im Gegensatz zu der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung kommt das von der Klägerin angestrebte Verbot, eine bestimmte Telefonnummer aktiv und passiv zu nutzen, nicht der endgültigen Aufgabe dieser Nummer gleich und ist nicht mit der Gefahr des dauernden Verlusts der Telefonnummer verbunden. Es wird mit dem angestrebten Verbot auch nicht eine der verpönten Löschung einer Firma oder Domain (vgl RIS-Justiz RS0112483, RS0004997) vergleichbare endgültige und nicht mehr rückführbare Sachlage geschaffen. Mangels Vertragskündigung bliebe nämlich auch im Fall des Benützungsverbots der Anschluss sowie die Telefonnummer erhalten. Die durch den derart stillgelegten Anschluss infolge fortlaufender Entgeltzahlung entstehenden frustrierten Kosten bilden einen jederzeit nach § 394 Abs 1 EO zu ersetzenden Vermögensschaden, sollte sich die einstweilige Verfügung nachträglich als unberechtigt erweisen. Gleiches gilt für die mit der (vorübergehenden) Errichtung und Betreibung eines Ersatzanschlusses verbundenen Kosten. Im Falle eines die einstweilige Verfügung nicht rechtfertigenden Urteils im Hauptprozess ist somit die Wiederherstellung des früheren Zustands durchaus möglich.
3. Die Klägerin stützt ihr Unterlassungsbegehren ausdrücklich auf die Ausnützung fremden Vertragsbruchs unter besonderen die Unlauterkeit bewirkenden Begleitumständen; sie macht damit einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG geltend. Sie behauptet ausdrücklich, der Erstbeklagte habe seine Funktion als Geschäftsführer der Klägerin unter Verletzung der ihn treffenden Pflicht zur Wahrung der Interessen der Klägerin ausgenützt, um entgegen der ihm bekannten Verpflichtung des Viertbeklagten, die strittige Telefonnummer auf die Klägerin zu übertragen, diese auf sich selbst zu übertragen. Die Beklagten hätten mit dem Gesamtkonzept gehandelt, möglichst viele materielle und immaterielle Werte ohne Gegenleistung zu erlangen. Sämtliche Beklagten hätten wissentlich und willentlich als Mittäter gehandelt.
Das Ausnützen fremden Vertragsbruchs ist - auch wenn es zu Zwecken des Wettbewerbs geschieht - ebenso wie das Ausspannen von Kunden (RIS-Justiz RS0116886) an sich nicht wettbewerbswidrig, es sei denn, der Dritte hat den Vertragsbruch bewusst gefördert oder sonst aktiv dazu beigetragen (RIS-Justiz RS0107766, RS0079391). Das bloße Ausnützen fremden Vertragsbruchs ohne eigene Mitwirkung verstößt hingegen in der Regel nicht gegen § 1 UWG (RIS-Justiz RS0079384). Die planmäßige Förderung oder Unterstützung einer Verletzung bestehender vertraglicher Bindungen verstößt gegen § 1 UWG (RIS-Justiz RS0079398). Dass diese Grundsätze auch nach der UWG-Novelle 2007 fortzuschreiben sind, hat der erkennende Senat bereits mehrfach ausgesprochen (4 Ob 124/08a; RIS-Justiz RS0107766 [T7]).
Ob das Verhalten der Beklagten im Sinne der oben dargelegten Grundsätze der Rechtsprechung als unlauter zu beurteilen ist, lässt sich aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Weder die konkrete Handlungsweise der Erst- bis Drittbeklagten, noch deren Wissensstand oder Umstände, aufgrund derer auf den Wissensstand geschlossen werden könnte, wurden festgestellt. Dies wird im fortzusetzenden erstinstanzlichen Verfahren nach Aufnahme der angebotenen Bescheinigungsmittel nachzutragen sein.
Zutreffend hat das Rekursgericht jedenfalls darauf hingewiesen, dass aus dem Wortlaut des Unternehmenskaufvertrags nicht abzuleiten ist, dass bestimmte (oder gar alle) „wertlose“ Sachen oder Forderungen ausgeschlossen sein sollten oder der hier strittige Telefonanschluss aufgrund länger unterbliebener Benutzung wertlos und daher nicht vom Unternehmenskaufvertrag erfasst wäre.
4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO iVm § 393 Abs 1 EO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Gewerblicher Rechtsschutz |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00110.11X.0809.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAD-34301