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OGH vom 24.04.2020, 7Ob116/19p

OGH vom 24.04.2020, 7Ob116/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** S*****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek und Dr. Martin Sommer, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Z*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.041.334,82 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 54/19w-90, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 54 Cg 21/16d-84, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

I. Das angefochtene Urteil wird – einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils – im Umfang der

a) Stattgebung des Klagebegehrens von 748.334,82 EUR samt 4 % Zinsen aus 682.000 EUR von bis und 4 % Zinsen aus 712.678,82 EUR von bis und 4 % Zinsen aus 748.334,82 EUR seit und der

b) Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens von jeweils 5,08 % Zinsen aus 1.975.000 EUR von bis , aus 2.005.678,82 EUR von bis und aus 2.041.334,82 EUR seit sowie der

c) Feststellung, dass die beklagte Partei für Personenschäden aus dem Eisenbahnunfall vom auf der Strecke Ü*****-P***** im Rahmen des Betriebshaftpflichtversicherungsvertrags Polizzennummer ***** Deckung zu gewähren hat,

als Teilurteil bestätigt.

Die Kostenentscheidung bleibt insoweit der Endentscheidung vorbehalten.

II. Im Übrigen, somit im Umfang der Stattgebung eines Teilbegehrens von 1.293.000 EUR samt 4 % Zinsen seit , werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die auf dieses Teilbegehren entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt unter der Bezeichnung „S***** L*****“ (fortan: Bahnen) einen Verkehrsbetrieb ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Sie hat als Versicherungsnehmerin mit der Beklagten als Versicherer einen Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen. Diesem Versicherungsvertrag liegen (ua) die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Haftpflichtversicherung (AHVB und EHVB 2007) zugrunde. Die AHVB 2007 lauten auszugsweise:

Artikel 7

Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)

10. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf tatsächliche oder behauptete Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an

10.1 Sachen, die der Versicherungsnehmer oder die für ihn handelnden Personen … gemietet … haben;

Der Versicherungsvertrag enthält (ua) folgende Vereinbarungen:

3 Versicherungssummen:

3.1 Pauschalversicherungssumme:

3.2 Sublimite für Deckungserweiterungen:

- Mietsachschäden an Fahrzeugen (Pkt. 8.12.1) EUR 2.000.000,--

4 Selbstbehalte:

4.2 Selbstbehalte bei Deckungserweiterungen:

- Mietsachschäden an Fahrzeugen (Pkt. 8.12.1) EUR 25.000,--

5.2 Prämie

Die Berechnung der Prämie erfolgt auf der Grundlage des Jahres-Umsatzes (ohne Umsatzsteuer). …

5.2.1 Der Prämiensatz beträgt vom Umsatz

[Es folgen gestaffelt: Umsatz in EUR, Prämiensätze brutto und

8 Deckungserweiterungen

8.12 Mietsachschäden

8.12.2 Mietsachschäden an Fahrzeugen

Abweichend von Art. 7, Pkt. 10.1 AHVB erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an gemieteten, gepachteten, geliehenen oder in Verwahrung genommenen Fahrzeugen (Loks, Waggons und dergleichen), sei es auch im Zuge der Verwahrung als Nebenverpflichtung.

Auf die Formulierung dieser Regelungen nahm die Klägerin keinen Einfluss. Art 7.10.1 AHVB 2009 und Pkt 8.12.2 des Versicherungsvertrags wurden nicht besprochen.

Bei den Vertragsverhandlungen kannte der Vertreter der Beklagten den Zustand der Signalanlagen des Eisenbahnnetzes der Bahnen oder der versicherten Züge nicht. Es wurde weder über die Eigentumsverhältnisse an den Fahrzeugen noch über die Gefahrenneigung einzelner Strecken des Bahnnetzes diskutiert. Bei Vertragsabschluss wurde zwischen den Vertragsparteien nicht besprochen, welche Fahrzeuge die Klägerin gerade betreibt, erfasst wurden sämtliche betriebenen Fahrzeuge. Diese wurde seitens der Beklagten nicht besichtigt und es wurde auch nicht danach gefragt. Die Anzahl der Fahrzeuge hatte auf die Prämiengestaltung keinen Einfluss. Es wurden auch keine Züge konkretisiert, vielmehr konnten Fahrzeuge dazu- und wegkommen.

Die Klägerin hatte als Auftraggeberin mit der S***** B***** AG als Auftragnehmerin (fortan: AN) am einen Liefervertrag über Elektrotriebwagen abgeschlossen. Nach diesem Vertrag war die AN zur Fertigung, Lieferung und Inbetriebsetzung der Elektrotriebwagen verpflichtet, wozu (ua) auch die Erwirkung sämtlicher fahrzeugbezogenen und für den Betrieb der Triebwägen auf dem gesamten österreichischen Schienennetz erforderlichen Zulassungen gehörte. Die vorläufige Übernahme der Triebwägen erfolgte nach deren Lieferung durch schriftliche Erklärung der Bahnen, die den Gefahrenübergang bewirkte und deren Zweck in der Durchführung einer Probephase bestand. Zur endgültigen Übernahme war die Klägerin nur verpflichtet, wenn (ua) die Probephase mängelfrei absolviert wurde bzw aufgetretene Mängel behoben wurden.

Am schlossen die AN als Vermieterin und die Klägerin als Mieterin einen Mietvertrag über die Anmietung der Triebwagenzüge. Der Grund für den Abschluss dieses Mietvertrags war, dass sich die dem Liefervertrag entsprechende Bereitstellung der Fahrzeuge verzögert hatte, weil die vertragsgemäße Zulassung wegen diverser Probleme nicht rechtzeitig erfolgt war. Dieser Mietvertrag lautete auszugsweise:

Präambel

2. Die dem Liefervertrag entsprechende Lieferung der Fahrzeuge verzögert sich derzeit, weil die vertragsgemäße Zulassung wegen diverser Probleme nicht rechtzeitig erfolgt ist. Zur Verfügung der für die Erreichung der vertragsgemäßen Zulassung nach erforderlichen Zeit wird der vorliegende Mietvertrag abgeschlossen. …

3. Der Mieter beabsichtigt, mit der Anmietung der Fahrzeuge Dienstleistungen im Bereich des Schienenverkehrs zu erbringen. Grundlage hierfür ist die Anmietung der vom Vermieter zur Verfügung zu stellenden funktionsfähigen, betriebsbereiten, betriebssicheren, komplett ausgestatteten und wirtschaftlich einsetzbaren Fahrzeuge. …

4. Während der Überlassung der Fahrzeuge auf Basis des vorliegenden Vertrags reduziert sich die Vertragsstrafe … des jeweiligen Liefervertrages … Wie immer geartete sonstige Veränderungen der Lieferverträge und der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus den Lieferverträgen werden durch diesen Mietvertrag und seine Anhänge nicht bewirkt.

§ 11

Vergütung und Miete

1. Die Miete beträgt Euro 1,-.

§ 12

Rückgabe

1. Der Mieter hat die Fahrzeuge bei Ende der Mietzeit in dem bei Abnahme protokollierten Zustand unter Berücksichtigung eventueller zwingender oder vereinbarter baulicher Änderungen und der normalen Abnutzung … zurückzugeben.

§ 13

Gefahrenübergang, Eigentum, Halterverantwortung

1. Die Fahrzeuge befinden sich im Eigentum des Vermieters. Eine Eigentumsübertragung an die Mieter findet nicht statt. Machen Dritte Eigentumsrechte an den Fahrzeugen gegenüber dem Mieter geltend, so wird der Mieter den Dritten auf das Eigentum des Vermieters hinweisen und den Vermieter hierüber unterrichten.

§ 14

Haftung

1. Der Mieter haftet für Personenschäden und Sachschäden nach den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen.

2. Der Mieter haftet für alle während des Mietzeitraumes auftretenden Schäden an den Mietobjekten, soweit diese nicht durch vom Vermieter zu vertretende Mängel verursacht werden.

§ 15

Versicherungen

1. Der Mieter verfügt über eine ausreichende Haftpflichtversicherung. Der Mieter verpflichtet sich, auf eigene Kosten eine ausreichende Versicherung gegen aus dem Betrieb der Fahrzeuge resultierende Haftpflichtrisiken abzuschließen. ...

Am ereignete sich auf der Strecke Ü*****-P***** ein Eisenbahnunfall zwischen zwei Zügen. Die beim Eisenbahnunfall beschädigten Züge waren jeweils Gegenstand des zwischen der Klägerin und der AN abgeschlossenen Liefer- und Mietvertrags.

Die Unfallstelle befindet sich auf einer eingleisigen freien Strecke zwischen dem Bahnhof P*****-D***** und dem Bahnhof Ü***** nächst der unbesetzten, fernbedienten Betriebsstelle W*****. Unfallursache war, dass der Triebfahrzeugführer des Zuges *****2 entgegen den betrieblichen Weisungen in der Betriebsstelle nicht die Zugbegegnung mit dem entgegenkommenden Zug *****7 abgewartet hat, sondern in den eingleisigen, vom Zug *****7 besetzten Abschnitt einfuhr. Trotz eingeleiteter Schnellbremsung an beiden Zügen war der Frontalzusammenstoß nicht abzuwenden. Bei diesem Unfall erlitten der Triebfahrzeugführer des Zuges *****2 und ein Fahrgast tödliche Verletzungen. Weitere Fahrgäste wurden verletzt und die am Unfall beteiligten Schienenfahrzeuge wurden schwer beschädigt.

Die Bahnstrecke von Ü***** nach P***** ist eingleisig. In W***** befindet sich eine Kreuzung (zweigleisige Ausweichstelle). Für den Betrieb von Personenzügen auf dieser Strecke ist die von der obersten Eisenbahnbehörde genehmigte sogenannte Dienstvorschrift DV V3 der Bahnen einschlägig. Diese Betriebsvorschrift regelt alle maßgeblichen Punkte und Verfahren für die Fahrtvorbereitung, die Fahrtdurchführung und etwa auch das Herstellen der Abfahrbereitschaft. Zusätzlich haben die Bahnen für den Betrieb auf der Strecke die Dienstanweisung „Besonderheiten in der Betriebsabwicklung P*****-Ü*****“ erlassen. Unter Punkt 4.3. ist als Kommunikationsmittel die Verwendung handelsüblicher GSM-Mobiltelefone vorgeschrieben. Die Zuordnung der Telefonnummern ist fest vergeben, als Redundanz befindet sich in jedem Triebwagen ein Ersatztelefon. Die Verantwortung dafür wird dem Triebfahrzeugführer übertragen. Unter Punkt 4.6. wird verbal die Abwicklung des Zugmeldeverfahrens mit Zugbegegnung (Kreuzung) in W***** beschrieben. Richtung P***** nach Ü***** erteilt der Fahrdienstleiter, der die Strecke von der Betriebsstelle W***** fernüberwacht, die Fahrerlaubnis „Zug ... darf bis W***** kommen“. Der Gegenzug hält an der Trapeztafel an und erhält die Erlaubnis zur Einfahrt in die Betriebsstelle W***** akustisch durch das Signal „Kommen“. Die Trapeztafel hat die gleiche Bedeutung wie ein Einfahrhauptsignal. Richtung Ü***** nach P***** kommend erteilt der Fahrdienstleiter, der die Strecke von der Betriebsstelle W***** fernüberwacht, die Fahrerlaubnis „Zug ... darf bis W***** kommen“. Der Triebfahrzeugführer wartet vor der Trapeztafel auf das Signal „Kommen“. Diese Abläufe sind explizit für alle Züge, eindeutig definiert durch die Zugnummer, angeführt, so auch für den Zug *****2. Die Züge mit Zugbegegnung in W***** sind in Fettbuchstaben hervorgehoben. Es sind auch die Züge, die keine Begegnung in W***** haben, angeführt. Hier erteilt der Fahrdienstleiter die Erlaubnis, bis D***** oder Ü***** zu fahren. Buchfahrpläne werden für alle Personen-, Güter- und Sonderzüge aufgestellt und enthalten alle für den Triebfahrzeugführer wichtigen Informationen zu seiner Zugfahrt. Es gab zwei Möglichkeiten, den Buchfahrplan mitzuführen, und zwar in Papierform oder auf einem Tablet. Bei einer Zugbegegnung in W***** war das verpflichtende Halten vor der Trapeztafel für jeden Zug in der Spalte 4 verzeichnet. Da sonst keine weiteren Eintragungen in Spalte 4 erfolgten, war dieses Zeichen gut wahrnehmbar. Das richtige Lesen und Anwenden von Buchfahrplänen ist Teil der Triebfahrzeugführerausbildung.

Beim Vormittagsdienst fuhr der Triebfahrzeugführer zirka 16-mal an der Stelle vorbei, musste aber nur 2 bis 3-mal stehen bleiben. Dies bei gleich bleibendem Signal. Einige Triebfahrzeugführer fanden diese Stelle als gefährlich, weil aufgrund der Routine eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben war, dass man einmal vergisst, stehen zu bleiben. Routine und Wiederholungen sind eine Gefahr in Bezug auf Sicherheit. Wenn ein Triebfahrzeugführer täglich mehrere Male diese kurze Strecke befährt, besteht die Gefahr, dass er nicht immer in den Buchfahrplan hineinschaut, weil er den Buchfahrplan insgesamt schon gut kennt.

Die Bahnen hatten im Unfallzeitpunkt für die Strecke Ü*****-P***** eine aufrechte Verkehrsgenehmigung und Sicherheitsbescheinigung, die durch die oberste Eisenbahnbehörde des BMVIT ausgestellt wurden. Voraussetzung für die Erteilung einer Sicherheitsbescheinigung ist der Nachweis eines durch eine akkreditierte Stelle zertifizierten Sicherheitsmanagementsystems gemäß Eisenbahngesetz. Das Sicherheitsmanagementsystem dient als Werkzeug, damit die Einhaltung der Sicherheitsziele überprüft wird, geeignete Verfahren und Prozesse zu deren Einhaltung in Kraft gesetzt werden, ein kontinuierlicher Kontroll- und Verbesserungsprozess implementiert ist und betriebliche Abläufe entsprechend dokumentiert werden. Zum Unfallzeitpunkt war ein zertifiziertes Sicherheitsmanagementsystem in Kraft. Die gewählte Vorgehensweise zur Sicherung der Zugbegegnung wurde erlaubterweise durch organisatorische Maßnahmen, Kommunikation und Kennzeichnung im Buchfahrplan, in der Letztverantwortung des Triebfahrzeugführers umgesetzt. Bei sicherheitsrelevanten Verfahren sind technische Sicherungen gegenüber organisatorischen Maßnahmen der Vorzug zu geben, wobei dies davon abhängt, ob eine technischen Lösung verfügbar ist, die Mittel für eine technische Lösung vorhanden sind, der Einsatz der Mittel verhältnismäßig zu dem zu erwartenden Sicherheitsgewinn ist und bei welcher Verkehrsverdichtung eine technische Maßnahme angebracht ist. Die Betriebsabwicklung an der Kreuzung W***** wurde organisatorisch gelöst, eine technische Sicherheitslösung gab es nicht; insofern entsprach die Lösung nicht dem Stand der Technik. Durch die behördliche Genehmigung gab es aber keine Vorgabe für den Betreiber, eine technische Lösung zu implementieren.

Es kam vor dem Unfall mehrmals vor, dass Triebfahrzeugführer trotz gegenteiliger Anweisung im Buchfahrplan und des Fahrdienstleiters nicht vor der Kreuzung W***** stehen blieben. Es wurde aber nur ein solcher Vorfall gemeldet. Dieser eine gemeldete Beinahe-Unfall betraf jenen Triebfahrzeugführer, der auch den vorliegenden Unfall verschuldete. Der Betriebsleiter der Strecke wusste nur von diesem einen Beinahe-Unfall, von weiteren Vorkommnissen, bei denen Lokführer nicht stehen blieben, wusste die Betriebsleitung nichts. Nach dem Beinahe-Unfall des Triebfahrzeugführers wurde dieser zur Einvernahme durch den Betriebsleiter geladen. Bis zu seiner Einvernahme durfte er nicht weiterfahren. Der Triebfahrzeugführer sah bei seiner Einvernahme sofort ein, dass er einen Fehler gemacht hatte und verstand sein Fehlverhalten. Nach dieser Einvernahme durfte er wieder als Triebfahrzeugführer auf der gleichen Strecke weiterfahren. Er hatte zirka 450 Stunden an Grundausbildung, als Stammtriebfahrzeugführer für die Strecke Ü*****-P***** wurde er hauptsächlich auf dieser Strecke ausgebildet. Nach dem Beinahe-Unfall gab es keine weiteren Schulungsmaßnahmen. Vor dem gab es keine technischen Maßnahmen, die auch bei einem Ausfall eines Zugführers einen Unfall verhindert hätten. Ein Notbremssystem wurde erst nach dem Unfall installiert.

Wenn ein Lokführer einmal ein Haltesignal übersehen hat, wird seine Betriebstauglichkeit wieder festgestellt, er muss eine entsprechende Nachunterweisung absolvieren, dann ist es gängige und anerkannte Praxis, den Triebfahrzeugführer wieder einzusetzen. Fast jeder Triebfahrzeugführer hat in seiner Laufbahn einmal eine Signalüberfahrung. Die meisten Signalüberfahrungen passieren auf zweigleisigen Strecken oder in Bahnhöfen.

Bis zum Jahr 2009 gab es auf der Unfallstrecke keinen Gegenverkehr. Die ersten planmäßigen Gegenzüge gab es im Dezember 2009. Ein paar Jahre danach kam es zu einer Verdichtung, sodass im Jahr 2012 die Notwendigkeit bestand, vier Kreuzungen auf der Strecke abzuwickeln. Seit 2012 ist die Anzahl der Züge gleich geblieben und nicht erhöht worden. Das Sicherheitsrisiko hat sich seit dem (Zeitpunkt des Abschlusses des Betriebshaftpflichtvertrags) nicht erhöht. Es wurde seither ein gleicher Fahrplan gefahren.

Die Eigentümerposition betreffend die Triebwägen war zwischen der Klägerin und der AN nie strittig; auch nach dem Unfall bestand die AN bis zur endgültigen Übernahme der beschädigten Züge auf ihrer Eigentümerposition und untersagte der Klägerin auch, irgendwelche Manipulationen an den Fahrzeugen vorzunehmen. Die AN wollte die Unfallschäden erst reparieren, wenn auch die Züge in das Eigentum der Klägerin übernommen und bezahlt werden. Schließlich wurden die Mängel der Züge auf Kosten der AN und „die Unfallschäden auf Kosten der klagenden Partei repariert“. Die Klägerin übernahm die Züge, gab die Reparatur in Auftrag und die Mängel sowie die Unfallschäden wurden dann durch die AN behoben. Die endgültige Übernahme der beim Unfall beschädigten Fahrzeuge durch die Klägerin erfolgte im Februar 2016. Die Summe der Reparaturkosten an den unfallbeteiligten Fahrzeugen beträgt zumindest 2 Mio EUR. An Reparaturkosten hat die Klägerin bislang 682.000 EUR an die AN tatsächlich bezahlt. Weiters hat die Klägerin aufgrund des Unfalls bislang 66.334,82 EUR an drei geschädigte Personen bezahlt. Aus weiteren unfallbedingten Personenschäden können künftig noch Ansprüche entstehen.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 2.041.334,82 EUR sA sowie die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für Personenschäden aus dem Eisenbahnunfall im Rahmen des Betriebshaftpflichtversicherungsvertrags. Sie brachte im Wesentlichen vor, dass nach Pkt 8.12.2 des Versicherungsvertrags auch Schäden an gemieteten Fahrzeugen mitversichert seien und die Pauschalversicherungssumme hiefür 2 Mio EUR betrage. Die AN habe als Eigentümerin der beschädigten Zuggarnituren im Unfallzeitpunkt gegenüber der Klägerin Schadenersatzforderungen, die diese Pauschalversicherungssumme weit überstiegen. Unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts von 25.000 EUR würden der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag 1.975.000 EUR zustehen, wozu noch 66.334,82 EUR an bezahlten Personenschäden kämen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren und wandte im Wesentlichen ein, versichertes Risiko sei die Unternehmertätigkeit der Bahnen gewesen. Die Klägerin habe die beim Unfall beschädigten Triebwägen von der AN käuflich erworben oder sei zumindest deren künftige Eigentümerin mit Anwartschaftsrecht gewesen. Der Fahrzeugschaden sei nicht gedeckt, entspreche es doch dem Wesen jedes Haftpflichtversicherungsvertrags, dass keine Eigenschäden der Versicherungsnehmerin versichertes Risiko seien. Der Unfall habe sich nicht nur aufgrund des menschlichen Versagens des Lokführers, sondern auch aufgrund verschiedener technischer Mängel der Loks ereignet. Der Lokführer habe an der Unfallstelle schon einmal ein Signal übersehen. Dieser Vorfall habe die Klägerin nicht dazu veranlasst, zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Diese Unterlassung begründe eine Gefahrenerhöhung iSd § 23 Abs 1 VersVG. Die Klägerin hätte der Beklagten jedenfalls melden müssen, dass jener Zuglenker, der bei dem Unfall das Haltesignal übersehen habe, bereits neun Monate vor dem Unfall und acht Monate nach Abschluss des Versicherungsvertrags ein erhebliches Versäumnis zu vertreten gehabt habe. Weiters hätte die Klägerin der Beklagten mitteilen müssen, dass auf der einspurigen Strecke trotz entsprechender Verwarnungen keinerlei Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden seien, die bei einem menschlichen Versäumnis einen Zusammenstoß zweier Züge verhindern könnten. Auch ein GPSOrtungssystem hätte installiert werden müssen. Diese Obliegenheitsverletzungen führten gemäß § 23 Abs 1 und 2 VersVG zur Leistungsfreiheit. Die Versäumnisse vor Abschluss des Versicherungsvertrags könnten die Klägerin nicht entlasten, sondern würden zur Leistungsfreiheit gemäß § 16 f VersVG führen. Die Beklagte gehe davon aus, dass Zahlungen, die die Klägerin an die AN geleistet habe, der Erfüllung des vereinbarten Kaufpreises, nicht aber jener von Schadenersatzverpflichtungen gedient hätten. Der Versicherungsnehmer eines Haftpflichtversicherungsvertrags könne Zahlung an sich nur dann verlangen, wenn er selbst dem geschädigten Dritten bereits Zahlung geleistet habe.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 2.041.334,82 EUR sA, wies ein Zinsenmehrbegehren ab und gab dem Feststellungsbegehren statt. Es führte rechtlich zusammengefasst aus, dass nach der vereinbarten Deckungserweiterung (Pkt 8.12.2 des Versicherungsvertrags) die Beklagte auch Schadenersatzverpflichtungen der Klägerin für Schäden an gemieteten Fahrzeugen zu decken habe. Die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt Mieterin der beschädigten Triebwägen gewesen, weshalb die Beklagte die Fahrzeugschäden zu decken habe. Bei Vertragsabschluss habe die Beklagte am Zustand einzelner Züge, an deren Anzahl, an den Sicherheitsvorkehrungen auf den Bahnstrecken und an allfälligen Verfehlungen einzelner Triebfahrzeugführer kein Interesse bekundet. Die Klägerin habe daher der Beklagten solche Umstände nicht anzeigen müssen. Schließlich sei es auch nach Abschluss des Versicherungsvertrags zu keiner wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinn einer Gefahrenerhöhung gekommen. Die Züge seien in der gleichen Ausstattung schon im Jahr 2009 der Klägerin zur Verwendung übergeben worden, die Frequenz der Züge sei ab nicht gestiegen und der Beinahe-Unfall des Triebfahrzeugführers sei schon vor Vertragsabschluss erfolgt. Für die Klägerin bestünden die gedeckten Schäden schon aufgrund das Entstehens der Schadenersatzverpflichtungen gegenüber der AN und nicht erst mit deren Bezahlung. Die Klagebegehren in der Hauptsache seien daher berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten in der Hauptsache und der Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens jeweils nicht Folge und teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Abweisung der Klagebegehren. Hilfsweise stellt die Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin erstattete eine – ihr freigestellte – Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise dieser keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sind; sie ist in ihrem Aufhebungsantrag auch teilweise berechtigt.

A. Risikoausschluss und Deckungserweiterung

1. Nach Ansicht der Beklagten erstrecke sich zwar der Versicherungsschutz abweichend von Art 7.10.1 AHVB 2007 auch auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an gemieteten oder in Verwahrung genommenen Fahrzeugen, doch seien die maßgeblichen Vertragsklauseln systematisch-logisch bzw teleologisch zu interpretieren. Ein Haftpflichtversicherungsvertrag setze schon seiner Natur nach eine Personenverschiedenheit von Versicherten und geschädigten Dritten voraus. Die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt bereits wirtschaftliche Eigentümerin der Fahrzeuge gewesen und der Abschluss des Mietvertrags habe vorrangig dazu gedient, der AN mehr Zeit zur Beseitigung von Mängeln einzuräumen und der Klägerin die frühere Zahlung des Kaufpreises zu ersparen. Die zu beurteilende Klausel habe aber nur dazu dienen sollen, das mit der Verwahrung fremder Sachen typische Verwahrungsrisiko zu versichern, nicht aber das eigentliche Sachversicherungsrisiko des Verlusts des (wirtschaftlichen) Eigentums. Die Fahrzeugschäden seien daher nicht gedeckte Eigenschäden.

2. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 ff ABGB) ausgehend vom Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers auszulegen (RS0050063; RS0112256). Die einzelnen Klauseln sind, wenn sie – wie hier – nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RS0008901). In allen Fällen ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (RS0008901 [T5, T 7, T 8, T 87]). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung des wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031). Im Lichte dieser Auslegungsgrundsätze kann der Rechtsansicht der Beklagten, es liege ein von Pkt 8.12.2 des Versicherungsvertrags nicht gedeckter „Eigenschaden“ der Klägerin vor, nicht gefolgt werden:

3. Der von der Klägerin mit der AN vereinbarte Liefervertrag über die Triebwägen führte zunächst nur zu einer vorläufigen Übernahme dieser Fahrzeuge zum Zweck der Durchführung einer Probephase. Zur endgültigen Übernahme war die Klägerin nur verpflichtet, wenn (ua) die Probephase mängelfrei absolviert wurde bzw aufgetretene Mängel behoben wurden, was bis zum Unfallzeitpunkt nicht der Fall war. Da die vertragsgemäße Zulassung wegen diverser Probleme nicht rechtzeitig erfolgen konnte, kam es zum Abschluss des Mietvertrags, nach dessen ausdrücklicher Regelung die Klägerin als Mieterin die Fahrzeuge bei Ende der Mietzeit zurückzugeben hatte, sich die Fahrzeuge im Eigentum der AN als Vermieterin befanden und die Klägerin als Mieterin für alle während des Mietzeitraums auftretenden Schäden an den Mietobjekten der AN haftete, soweit diese nicht durch von der AN zu vertretende Mängel verursacht wurden. Es kann demnach keine Rede davon sein, dass die Fahrzeugschäden nach dieser Vertragslage bereits der Klägerin gleich einer Eigentümerin wirtschaftlich zugeordnet waren und in diesem Sinn ein „Eigenschaden“ (Schaden im Eigentum) der Klägerin vorlag. An dieser Einschätzung ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin mit der AN nur ein (vermeintlich) symbolisches Entgelt vereinbart hatte, verzichtete die Klägerin doch zugleich auf einen Teil der vereinbarten Vertragsstrafe. Schließlich handelte es sich bei den betreffenden Triebwägen jedenfalls auch um „in Verwahrung“ genommene Fahrzeuge, die nach der völlig eindeutigen Regelung des Pkt 8.12.2 des Versicherungsvertrags von der Deckungserweiterung ebenfalls umfasst waren.

4. Als Zwischenergebnis folgt, dass die Beklagte aufgrund der nach ihrem Wortlaut völlig unzweifelhaften Deckungserweiterung zufolge Pkt 8.12.2 des Versicherungsvertrags für die Schadenersatzverpflichtungen der Klägerin gegenüber der AN aus den Beschädigungen der zum Unfallzeitpunkt von der Klägerin gemieteten und in deren Verwahrung gestandenen Triebwägen grundsätzlich deckungspflichtig ist.

B. Anzeigepflicht und Risikoerhöhung

1. Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe auf der Unfallstrecke eine Erhöhung der Verkehrsfrequenz vorgenommen, die im Hinblick auf die damit verbundene Erhöhung des Umsatzes wegen dessen Prämienrelevanz anzeigepflichtig gewesen wäre. Diese Frequenzerhöhung sei letztlich auch kausal für den Schaden gewesen, vergrößere doch eine erhöhte Frequenz auch das Risiko von Fehlleistungen. Die vorgenommenen Evaluierungsmaßnahmen seien nicht ausreichend gewesen, das erhöhte Risikopotential zu entschärfen. Die Risikoerhöhung hätte gemäß § 16 VersVG vor Vertragsabschluss offengelegt werden müssen. Mit dem Unfalllenker habe es bereits einen Beinahe-Unfall gegeben. Das wiederholte Überlassen eines Fahrzeugs an eine untüchtige Person, stelle eine Gefahrenerhöhung dar. Es sei daher im Ergebnis das Vorliegen gefahrenerhöhender Umstände zu bejahen, die in voller Kongruenz zur vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit nach § 16 VersVG stünden.

2.1. Der genaue Umfang der Anzeigepflicht im Sinn des § 16 VersVG hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Im Allgemeinen gilt, dass ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, im Zweifel erheblich ist (RS0080628).

2.2. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen gab es auf der Unfallstrecke ab 2009 und damit noch vor Abschluss des vorangegangenen, im Wesentlichen gleichlautenden Versicherungsvertrags erstmals Gegenverkehr, der bei den Vertragsverhandlungen wie die sonstige Gefährlichkeit einzelner Strecken nie Verhandlungsthema war. Der S-Bahnverkehr wurde im Jahr 2007 eingeführt und „ein paar Jahre danach kam es zu einer Verdichtung“. Ein solcher, in tatsächlicher Hinsicht nicht näher konkretisierter Umstand war angesichts der Tatsache, dass Veränderungen der „Frequenz“ bei den Vertragsverhandlungen nie erörtert und von der Beklagten auch nicht nachgefragt wurden, nicht anzeigepflichtig. Daran ändert auch die Umsatzabhängigkeit der Prämie nichts, weil dafür – völlig unabhängig von der Gefährlichkeit einzelner Strecken – ohnehin eine fixe Umsatz-/Prämienstaffel vereinbart war.

3.1. Gefahrenerhöhung ist jede objektive, nach Abschluss des Vertrags eingetretene erhebliche Änderung der Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls wahrscheinlicher macht und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen (RS0080237; RS0080357).

3.2. Auf der Unfallstrecke ist seit 2012 die Anzahl der Züge gleich geblieben und nicht erhöht worden. Es wurde seither ein gleicher Fahrplan gefahren. Das Sicherheitsrisiko hat sich damit insoweit seit dem Abschluss des Versicherungsvertrags nicht erhöht.

3.3. Fast jeder Triebfahrzeugführer hat in seiner Laufbahn einmal eine Signalüberfahrung. Die meisten Signalüberfahrungen passieren überdies nicht auf eingleisigen, sondern auf zweigleisigen Strecken oder in Bahnhöfen. Wenn ein Lokführer einmal ein Haltesignal übersehen hat, wird seine Betriebstauglichkeit wieder festgestellt, er muss eine entsprechende Nachunterweisung absolvieren. Dann ist es gängige und anerkannte Praxis, den Triebfahrzeugführer wieder einzusetzen. In diesem Sinn hat sich die Klägerin auch im Anlassfall verhalten, sodass im weiteren Einsatz des Lokführers ebenfalls keine relevante Gefahrenerhöhung und folglich auch keine Anzeigepflicht der Klägerin zu erkennen ist.

3.4. Die Klägerin erhielt nur einen BeinaheUnfall gemeldet. Der Betrieb auf der Unfallstrecke war behördlich genehmigt. Die Betriebsabwicklung an der Kreuzung W***** durch eine organisatorische Lösung war zulässig und daher bestand keine Verpflichtung der Klägerin schon früher als geschehen eine technische Lösung zu implementieren.

3.5. Damit lag insgesamt keine relevante Gefahrenerhöhung vor.

C. Deckungsanspruch und Zahlungsanspruch

1. Nach § 149 VersVG ist der Versicherer bei der Haftpflichtversicherung verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat.

2. Nach § 154 Abs 1 VersVG hat der Versicherer die Entschädigung binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an zu leisten, in welchem der Dritte vom Versicherungsnehmer befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist. Mit der bloßen Ablehnung der Deckung geht der primär nicht auf eine Geldleistung gerichtete Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers nicht gleichsam automatisch in einen Zahlungsanspruch über (7 Ob 142/18k mwN). Der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers verwandelt sich erst dann in einen Zahlungsanspruch, wenn der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt wurde (RS0080603). Von dieser Rechtslage sind die Vorinstanzen abgewichen, in dem sie teilweise das bloße Entstehen der Haftpflichtverbindlichkeit (Schadenersatzverpflichtung) der Klägerin gegenüber der AN für die Annahme eines Zahlungsanspruchs der Klägerin genügen ließen:

3. Unstrittig ist lediglich, dass die Klägerin an Ersatz für die Fahrzeugschäden der AN bislang 682.000 EUR tatsächlich bezahlt hat. Das Sublimit für Mietsachschäden an Fahrzeugen (Pkt 8.12.1) beträgt 2.000.000 EUR. Der Selbstbehalt für diese Deckungserweiterung beträgt 25.000 EUR, wonach ein Betrag von 1.975.000 EUR verbleibt. Nach Abzug der unstrittig bezahlten 682.000 EUR bleibt ein Betrag von 1.293.000 EUR sA, hinsichtlich dessen sich die Vorinstanzen – infolge unzutreffender Rechtsansicht – mit der Feststellung begnügten, dass „die Unfallschäden auf Kosten der klagenden Partei repariert“ worden seien. Diese Feststellung erlaubt aber keine abschließende Beurteilung eines bereits bestehenden Zahlungsanspruchs der Klägerin, lässt diese doch sowohl die Deutung zu, dass die Klägerin diese Kosten bereits tatsächlich bezahlt oder aber lediglich Zahlung zugesagt hat. Nur im erstgenannten Fall, nämlich nach bereits erfolgter Befriedigung der AN, hat die Klägerin einen entsprechenden Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten.

D. Ergebnis

1. Im Umfang von 748.334,82 EUR sA erweist sich das Zahlungsbegehren der Klägerin als berechtigt. Die Klagestattgebung im Umfang des Feststellungsbegehrens greift die Beklagte in ihrer Revision inhaltlich nicht mehr auf. Dagegen ist die Rechtssache im Umfang von 1.293.000 EUR sA mangels zweifelsfreier Tatsachengrundlage noch nicht entscheidungsreif, was insoweit zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung des Erstgerichts führen muss.

2. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht mit den Parteien zu erörtern haben, ob die Klägerin auch im Umfang von 1.293.000 EUR die Schadenersatzansprüche der AN bereits befriedigt hat. Dazu werden allenfalls noch erforderliche Beweise aufzunehmen und zweifelsfreie Feststellungen zu treffen sein. Erst danach wird eine Zahlungspflicht der Beklagten in diesem Umfang abschließend geklärt werden können. Alle sonstigen Rechtsfragen sind dagegen abschließend beurteilt.

3. Die Kostenentscheidung des Teilurteils beruht auf § 52 Abs 4 ZPO, der Kostenvorbehalt im Aufhebungsbeschluss auf § 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00116.19P.0424.000

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