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OGH vom 23.10.2019, 1Ob118/19p

OGH vom 23.10.2019, 1Ob118/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Ing. W*****, vertreten durch die Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft (OG), Graz, gegen den Antragsgegner Wasserverband L*****, vertreten durch die Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Graz, wegen Festsetzung einer Entschädigung nach § 34 Abs 4 WRG iVm § 117 Abs 4 WRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 21/19d-113, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 17 Nc 307/11t-100, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts mit Ausnahme der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem Rekursgericht vorbehalten.

Text

Begründung:

Der Entschädigungswerber, ein Landwirt, beantragte am als Eigentümer bestimmter Grundstücke bei der Bezirkshauptmannschaft eine Entschädigung für alle Nachteile, die ihm durch „neue Bewirtschaftungsauflagen“ im „Wasserschongebiet E***** LGBl 61/1988 und Novellen (letzte LGBl 47/2006)“ entstehen. Die Antragsgegnerin ist der in dieser Verordnung genannte Wasserverband.

Mit Bescheid vom verpflichtete die Wasserrechtsbehörde den Wasserverband zur Leistung einer Entschädigung für Erschwernisse und Mindererträge aus der Bewirtschaftung seiner Grundstücke (aufgrund der Verordnung des Landeshauptmanns LGBl 1990/88 „in der Fassung LGBl 14/2009“) von 2.365,29 EUR pro Jahr, wobei der rückständige Entschädigungsbetrag (für den Zeitraum bis 2010) mit 9.461,16 EUR festgesetzt wurde.

Der Wasserverband rief gegen diese Entscheidung am das Gericht an und begehrte die Zurück- bzw Abweisung des Entschädigungsantrags.

Dagegen wandte sich der Entschädigungswerber mit der Behauptung, die „Berechnung“ der Bezirkshauptmannschaft sei richtig. Durch die in der Schongebietsverordnung normierten Bewirtschaftungsbeschränkungen seien ihm – hinsichtlich seiner im Schongebiet gelegenen Grundstücke – wirtschaftliche Nachteile entstanden. Dafür stehe ihm eine angemessene Entschädigung in der Höhe, wie sie im – aufgrund der rechtzeitigen Anrufung des Gerichts gemäß § 117 Abs 4 WRG außer Kraft getretenen – Bescheid der Bezirkshauptmannschaft zugesprochen worden sei, zu. Insbesondere durch die in der Verordnung vorgeschriebene „hundertprozentige“ Winterbegrünung und die damit zusammenhängende Verpflichtung zum ausschließlichen Anbau von Maissorten, die vor dem 10. Oktober abreifen, komme es zu Ertragsminderungen, weil vor dem 10. Oktober abreifende Maissorten weniger Ertrag abwerfen als später abreifende Sorten. Aus der Verpflichtung zu einer „hundertprozentigen“ Winterbegrünung ergebe sich auch ein Mehraufwand aufgrund höherer Maschinen- und Arbeitskosten im Vergleich zu einer „normalen“ (40 %igen) Winterbegrünung. Durch das Verbot der Ausbringung von Gärsubstraten aus Biogasanlagen sei Mineraldünger anzuschaffen, was ebenfalls Mehrkosten verursache; ebenso die erforderliche Lagerung der Gärsubstrate. Erlöseinbußen ergäben sich auch durch die in der Schongebietsverordnung normierten Obergrenzen für die Stickstoffdüngung bei Mais auf bestimmten Bodenarten. Ohne die in dieser Verordnung enthaltenen Beschränkungen wäre er im Rahmen einer ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung – also ohne wasserrechtliche Bewilligung, weil dadurch kein übermäßig hoher Nitratgehalt des Grundwasserkörpers bewirkt worden wäre – zur Ausübung der durch die Verordnung beschränkten Nutzungsrechte berechtigt gewesen. Da das Schongebiet zum Schutz der Wasserversorgungsanlage des Wasserverbandes bestimmt worden sei, habe ihn dieser (und nicht etwa der Bund oder [auch] andere Wasserberechtigte) für die dadurch bewirkten Nutzungsbeschränkungen zu entschädigen.

Der Wasserverband entgegnete, für durch eine Schongebietsverordnung angeordnete Nutzungsbeschränkungen stehe generell kein Entschädigungsanspruch zu. Jedenfalls sei er nicht alleine entschädigungspflichtig, weil auch anderen Wasserberechtigten im Schongebiet die Vorteile der Verordnung (Schutz des Grundwassers) zugute kämen. Eine Entschädigung würde allenfalls auch nur insoweit in Betracht kommen, als dem Entschädigungswerber tatsächlich zustehende Rechte beeinträchtigt worden wären. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil der Landwirt auch ohne die in der Schutzgebietsverordnung enthaltenen Beschränkungen nicht zur Ausübung der davon betroffenen Nutzungen berechtigt gewesen wäre, zumal diese die Grundwasserqualität mehr als bloß geringfügig beeinträchtigt hätten und daher über den bewilligungsfreien Rahmen einer ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung hinausgegangen wären. Darüber hinaus stehe auch keine Entschädigung für die Beeinträchtigung jener Rechte zu, auf deren Ausübung der Entschädigungswerber freiwillig (etwa durch Teilnahme am Österreichischen Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft: „ÖPUL“) verzichtet habe.

–– ––

– – – –

Rechtliche Beurteilung

––––sei

Nach § 34 Abs 1 WRG kann .

LindnerOberleitnerBerger4B. Raschauer– –

4.1. § 34 Abs 4 WRG normiert eine Entschädigungspflicht des „Wasserberechtigten“. Mit diesem Begriff ist („nach den vorstehenden Bestimmungen“) der Betreiber einer durch Bescheid geschützten Wasserversorgungsanlage (§ 34 Abs 1 WRG) oder der durch Verordnung geschützte Träger der „allgemeinen“ (idR kommunalen oder regionalen) Wasserversorgung (§ 34 Abs 2 WRG) gemeint, dessen Wasserversorgungsanlage Anlass für eine Maßnahme nach § 34 WRG gegeben hat (LindnerB. Raschauer. Dies wird vom Revisionsrekursgegner für Nutzungsbeschränkungen durch Schutzgebietsbescheide gemäß § 34 Abs 1 WRG nicht in Frage gestellt. Die Entschädigungspflicht desjenigen, der Anlass zu einer behördlichen Nutzungsbeschränkung zum Schutz des (Grund-)Wassers gegeben hat, kann aber auch bei im Verordnungsweg nach § 34 Abs 2 WRG normierten Wasserschongebieten zumindest dann nicht zweifelhaft sein, wenn die VSchutz der gesamten (Grund)Wasserversorgung in einem bestimmten Gebiet bezweckt, sondern zOb das angestrebte Ziel des (Grund)Wasserschutzes durch Erlassung eines Schutzgebietsbescheids nach § 34 Abs 1 WRG (im Fall eines kleinräumigen Schutzbereichs) oder einer Schongebietsverordnung nach Abs 2 leg cit (im Fall eines größeren Einzugsgebiets) verfolgt wird, kann für die – primär teleologisch zu beantwortende – Frage, ob eine Entschädigungspflicht besteht und welcher „Wasserberechtigte“ nach Abs 4 leg cit entschädigungspflichtig ist, keine Rolle spielen.

4.2. Im vorliegenden Fall ergibt sich bereits aus dem Titel der Verordnung, auf welche der Entschädigungswerber seine Entschädigungsansprüche stützt („(auch) Hausbrunnenversorgung geschützt werden sollteie Rechtsform der Verordnung wurde hier ersichtlich deshalb gewählt, weil sich größere Fläche von den Wasserschutzmaßnahmen betroffen ist. Dies ändert aber nichts daran, dass nur die Wasserversorgungsanlage des Antragsgegners Anlass zu den Maßnahmen gemäß § 34 Abs 2 WRG gegeben hat, sodass dieser – auch wenn er die getroffenen Schutzmaßnahmen nicht angeregt hat – zur Entschädigung nach § 34 Abs 4 WRG verpflichtet ist.

5.1. Zur Höhe der Entschädigung ist zunächst allgemein darauf hinzuweisen, dass – weil es sich bei den Anordnungen nach § 34 WRG um keine Zwangsrechte im Sinn der § 60 und 63 WRG handelt – die Bestimmungen der § 4 bis 7 EisbEG, auf die § 118 Abs 1 WRG (nur) hinsichtlich der Zwangsrechte verweist, keine Anwendung finden (Lindner§ 34 E 2 mN der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs). Es besteht daher kein umfassender Entschädigungsanspruch, wie er § 4 EisbEG zu Grunde liegt, wonach alle durch die Enteignung bedingten vermögensrechtlichen Nachteile (also insbesondere die Minderung des Verkehrswerts des betroffenen Grundstücks) zu ersetzen sind. Vielmehr ist nach § 34 Abs 4 WRG nur dafür eine Entschädigung zu leisten, dass der Grundeigentümer sein im Wasserschutz- bzw -schongebiet gelegenes Grundstück nicht auf die Art oder in dem Umfang nutzen kann, wie es ihm aufgrund bestehender Rechte zusteht. Nach der Rechtsprechung ist dabei allerdings jede mögliche Nutzung zu entschädigen, die dem Anspruchsberechtigten infolge des Eingriffs verwehrt bleibt, soweit sie bei dessen Anordnung zulässig und durch etwa erforderliche behördliche Bewilligungen gedeckt war (

RS0082579).

5.2. Die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht, dass für die (von den Vorinstanzen angenommenen) Nutzungseinschränkungen des Entschädigungswerbers deshalb keine Entschädigung zustehe, weil der daraus abgeleitete Vermögensschaden von jährlich 496 EUR zu gering sei, um im Hinblick auf den auch im Interesse des Landwirts liegenden Zweck der Nutzungsbeschränkungen (Milderung der von der Landwirtschaft ausgehenden Auswirkungen auf das Grundwasser) als gleichheitswidriges – und daher zu entschädigendes – „Sonderopfer“ zu gelten, steht im Widerspruch zu dieser Rechtsprechung. Zwar kann eine „vernünftige wirtschaftliche Betrachtungsweise“ in Einzelfällen dazu führen, dass bloß geringfügige Beeinträchtigungen noch kein entschädigungspflichtiges Sonderopfer sind (vgl 5 Ob 555/77). Davon kann bei dem von den Vorinstanzen zugrunde gelegten Vermögensnachteil von 496 EUR pro Jahr aber auch dann nicht gesprochen werden, wenn man diesen Betrag in Relation zur Größe der von der Schutzgebietsverordnung betroffenen Grundstücksfläche (hier rund 9 ½ Hektar) setzt. Es überzeugt auch nicht, ein entschädigungspflichtiges „Sonderopfer“ deshalb zu verneinen, weil auch der Landwirt selbst ein Interesse an einer verbesserten Trinkwasserqualität hat, kommt doch der Vorteil eines sauberen Trinkwassers sämtlichen Wasserbeziehern zugute, wogegen die Nutzungsbeschränkungen nur Landwirte mit (agrarisch bewirtschafteten) Liegenschaften im Schongebiet treffen.

6. Zur strittigen Frage, ob – wovon die Vorinstanzen ausgingen – auch freiwillig eingegangene Nutzungsbeschränkungen aufgrund einer Teilnahme

– – – –

und

7.2.Ausgehend davon, dass die „bestehenden Rechte“ im Sinn des § 34 Abs 4 WRG richtigerweise (auch) auf Basis der freiwilligen Teilnahme des Entschädigungswerbers am ÖPUL sowie der Beschränkungen durch das Aktionsprogramm Nitrat zu beurteilen sind, nahmen die Vorinstanzen nur insoweit eine Einschränkung der Nutzungsrechte des Entschädigungswerbers durch die Schongebietsverordnung (in der Fassung der Novelle als der Erntetermin bei Körnermais vom 15. Oktober eines Jahres auf den 10. Oktober vorverlegteine spätere Beseitigung der (Winter)Gründecke vorgesehen

8. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass das Rekursgericht gemäß § 117 Abs 6 WRG iVm § 30 Abs 2 EisbEG die Kostenentscheidung einem gesonderten Beschluss nach rechtskräftiger Erledigung der Hauptsache vorbehielt (§ 24 Abs 1 EisbEG iVm dem sinngemäß anzuwendenden § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00118.19P.1023.000

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