OGH vom 12.11.1996, 5Ob2273/96t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Karoline S*****, vertreten durch Mag.Günther Weber, Landessekretär des Mieterschutzverbandes Österreichs, Landesorganisation Steiermark, 8010 Graz, Sparbersbachgasse 61, wider die Antragsgegner 1.) Ing.Ernst K*****, 2.) Ing.Manfred M*****, beide vertreten durch Dr.Josef Peissl, Mag.Klaus Rieger, Rechtsanwälte in Köflach, wegen Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 3 R 426/95-11, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichts Voitsberg vom , GZ 9 Msch 5/95f-7, bestätigt wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Die Antragsgegner sind Eigentümer des Hauses *****, in welchem die Antragstellerin, beginnend mit , eine Wohnung mit einer Nutzfläche von 54,75 m2 gemietet hatte. Der vereinbarte Hauptmietzins betrug S 6.075,61 monatlich (S 110,97 pro m2 Nutzfläche).
Mit dem am eingebrachten Antrag begehrte die Antragstellerin, die Höhe des zulässigen Mietzinses für die Mietdauer festzustellen und ihr etwaige Überschreitungsbeträge hinsichtlich der letzten 3 Jahre zuzusprechen. Sie begründete diesen Antrag damit, daß der vereinbarte Mietzins aufgrund Lage, Ausstattung und Erhaltungszustand des Mietobjektes (zum Zeitpunkt der Anmietung) zu hoch sei.
Die Antragsgegner wendeten im wesentlichen ein, daß das Mietobjekt nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetzes 1989 gefördert worden sei, weshalb die Mietzinsbildung nicht dem § 16 MRG unterliege und der Mietzins keiner Angemessenheitsprüfung zu unterziehen sei. Darüber hinaus bestehe keine Zuständigkeit des Außerstreitrichters. Im übrigen stellten die Antragsgegner "außer Streit", daß der angemessene Mietzins für die Wohnung der Antragstellerin S 70,--/m2 monatlich betrage.
Das Erstgericht sprach aus, daß der "vereinbarte angemessene" Hauptmietzins für die Wohnung der Antragstellerin netto S 70,--/m2 monatlich beträgt. Weiters erkannte es die Antragsgegner zur ungeteilten Hand schuldig, der Antragstellerin den Überschreitungsbetrag von S 72.781,52 für die Zeit vom bis samt 4 % Zinsen seit zu bezahlen.
Das Erstgericht stellte fest, daß den Antragsgegnern für die umfassende Sanierung des Hauses vom Land Steiermark ein 50%iger Annuitätenzuschuß für das bei der Volksbank Köflach aufgenommene Darlehen nach den Bestimmungen des StmkWFG 1989 gewährt wurde, die Antragstellerin im Juli 1995 die Wohnung geräumt und bis dahin "den Mietzins" bezahlt hat.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß auf das vorliegende Bestandverhältnis die Bestimmungen des MRG idF vor dem 3. WÄG anzuwenden seien. In dieser Fassung sei die Bestimmung des § 16 Abs 12 MRG nF nicht vorgesehen gewesen, weshalb hinsichtlich der Mietpreisbildung höchstens die Bestimmungen über die Angemessenheit zur Anwendung kämen, weil eine Mietzinsbildung nach förderungsrechtlichen Bestimmungen nur bei völliger Neuerrichtung von Mietgegenständen vorgesehen gewesen sei. Ein Mietzins von S 70,--/m2 erscheine auch dem Erstgericht angemessen. Demnach betrage der angemessene monatliche Hauptmietzins S 3.832.50 netto, woraus sich für die Zeit vom bis einschließlich ein Überschreitungsbetrag von insgesamt S 72.781,52 ergebe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs - mangels erheblicher Rechtsfrage - für nicht zulässig. Es führte folgendes aus:
Zutreffend sei zunächst die Ansicht des Erstgerichts, daß auf das vorliegende Mietverhältnis die Bestimmungen des MRG idF vor dem 3. WÄG anzuwenden seien, weil die neuen Rechtsvorschriften grundsätzlich nur auf nach Inkrafttreten des 3. WÄG verwirklichte Sachverhalte anzuwenden seien. Dadurch ändere sich allerdings in bezug auf die Anwendung mietzinsrechtlicher Vorschriften in förderungsrechtlichen Bestimmungen nichts. Daß der Satz "Mietzinsvorschriften in förderungsrechtlichen Bestimmungen werden hiedurch nicht berührt" im § 16 Abs 1 Z 2 aF (betreffend Neubauten) enthalten gewesen sei, bedeute nämlich nicht, daß in allen anderen Fällen den Förderungsvorschriften derogiert worden wäre; vielmehr würden förderungsrechtliche Beschränkungen der Mietzinsbildung grundsätzlich weiter gelten. Damit sei für die Rekurswerber aber nichts gewonnen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts in Verbindung mit der Förderungszusicherung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung handle es sich hier um eine Sanierung des Hauses. Gemäß § 52 Abs 1 des StmkWFG 1989 seien jedoch nur Vereinbarungen über die Erhöhung des Hauptmietzinses zur Deckung der auf den Mietgegenstand entfallenden Kosten von Sanierungsarbeiten zulässig. Diese Bestimmung sei daher auf Neuvermietungen nicht anwendbar. Daß etwa bereits eine Erhöhung der Hauptmietzinse iSd § 52 leg cit stattgefunden hätte, an welche die Antragstellerin gebunden gewesen wäre, sei gar nicht behauptet worden. Schon aus diesem Grunde könnten sich die Rekurswerber nicht beschwert erachten, wenn das Erstgericht (nur) den angemessenen Hauptmietzins für die Wohnung der Antragstellerin - diesen hätten die Antragsgegner selbst mit S 70,--/m2 Nutzfläche beziffert - als zulässig angesehen habe.
Im übrigen könne entgegen der Ansicht der Rekurswerber die Höhe des Mietzinses keinesfalls "im Sinne einer freien Mietzinsvereinbarung der Parteiendisposition überlassen bleiben". Selbst wenn eine "Mietzinsbildung bei Sanierungen" nach dem StmkWFG 1989 möglich wäre, dürfe gemäß § 52 Abs 4 leg cit eine Erhöhung der Hauptmietzinse unter Berücksichtigung der Mietzinsreserve das zur Deckung der Kosten notwendige Ausmaß nicht übersteigen.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluß im Sinne der Abweisung des Sachantrages abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs nicht zuzulassen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage, ob § 52 Abs 1 StmkWFG 1989 auch bei Neuvermietungen anzuwenden ist, fehlt; er ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Rechtsmittelwerber machen zusammengefaßt geltend, § 52 Abs 1 leg cit sei auch auf Neuvermietungen anzuwenden.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, daß förderungsrechtliche Mietzinsbestimmungen - etwa in Landesförderungsgesetzen - vorrangig anzuwenden sind (Würth in Rummel2 § 16 MRG Rz 5; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 16 MRG Rz 4). Dies gilt nicht erst seit dem 3. WÄG; der durch dieses geschaffene - im vorliegenden Fall noch nicht anwendbare - § 16 Abs 12 MRG hat lediglich eine Klarstellung vorgenommen (Würth-Zingher, Wohnrecht 94 § 16 MRG Anm 32), nachdem § 16 Abs 1 Z 2 letzter Halbsatz MRG aF aufgrund seiner systematischen Stellung zu Mißverständnissen Anlaß geben konnte (Würth-Zingher, MRG2 § 16 Anm 12).
Entgegen den Behauptungen der Antragstellerin enthält § 52 StmkWFG 1989, LGBl 77, der mit "Mietzinsbildung bei Sanierungen" überschrieben ist, mietzinsrechtliche Bestimmungen.
Absatz 1 lautet:
"Vereinbarungen über die Erhöhung des Hauptmietzinses (Betrages zur Bildung einer Rückstellung gemäß § 14 Abs 1 Z 5 WGG) zur Deckung der auf den Mietgegenstand entfallenden Kosten von Sanierungsmaßnahmen gemäß § 24 sind zulässig".
Absatz 4 lautet:
"Eine Erhöhung der Hauptmietzinse (Beträge zur Bildung einer Rückstellung) gemäß Abs 1 bis 3 darf unter Berücksichtigung der Mietzinsreserve (Rückstellung gemäß § 14 Abs 1 Z 5 WGG) das zur Deckung der Kosten notwendige Ausmaß nicht übersteigen. Auf Antrag eines Mieters hat das Gericht zu entscheiden, inwieweit eine Erhöhung der Hauptmietzinse (Beträge zur Bildung einer Rückstellung) dieser Vorschrift entspricht. Die Bestimmungen des MRG und des WGG über das Verfahren außer Streitsachen finden Anwendung".
§ 52 leg cit entspricht den §§ 38, 39 WSG (vgl Würth aaO § 16 MRG Anh [Landesförderungsgesetze] Rz 31 S. 1742, zur Geschichte Rz 30; vgl den Text der §§ 38, 39 WSG bei Würth aaO § 16 MRG Anh [WSG] S. 1729). Vereinbarungen nach § 38 WSG - und nach § 52 StmkWFG 1989 können zwar hinsichtlich der Notwendigkeit nach den § 37 ff MRG überprüft, dafür aber ohne Rücksicht auf die Mietdauer, also auch bereits im Mietvertrag gültig abgeschlossen werden und unterliegen nicht der Angemessenheitsgrenze (Würth aaO § 16 MRG Anh [WSG] Rz 25 S. 1739, vgl zum folgenden Rz 26, 28). Die vereinbarte Hauptmietzinserhöhung, deren Zulässigkeit im Außerstreitverfahren zu überprüfen ist, darf gemäß § 39 Abs 1 WSG - und gemäß § 52 Abs 4 StmkWFG 1989 - das zur Deckung der Kosten der Sanierungsmaßnahmen notwendige Ausmaß (unter Berücksichtigung der Mietzinsreserve) nicht überschreiten.
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß eine Vereinbarung gemäß § 52 Abs 1 StmkWFG 1989 entgegen der Ansicht des Rekursgerichts auch bei einer Neuvermietung - schon im Mietvertrag - getroffen werden kann, und daß es auf den angemessenen Mietzins im Sinne des § 16 Abs 1 MRG nicht ankommt. Für eine Beurteilung, ob die getroffene Mietzinsvereinbarung dem § 52 Abs 4 StmkWFG 1989 entsprach, fehlen aber Feststellungen, weshalb das Verfahren einer Ergänzung in erster Instanz bedarf.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen waren daher unter Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht aufzuheben.