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OGH vom 05.07.1989, 1Ob600/89

OGH vom 05.07.1989, 1Ob600/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosemarie P***-T***, Pensionistin, Wiener Neustadt, Weinhebergasse 8, vertreten durch Dr. Gernot Hain, Dr. Joachim Wagner, Dr. Martin Schober, Rechtsanwälte in Wr.Neustadt, wider die beklagten Parteien


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1.)
Johanna M***, Angestellte, Sauerbrunn, Eisenstädterstraße 3,
2.)
Walter P***, Angestellter, Neunkirchen, Alleegasse 28,
3.)
Günter P***, Bäcker, Wiener Neustadt, Neunkirchnerstraße 55, sämtliche vertreten durch Dr. Günter Philipp, Rechtsanwalt in Mattersburg, wegen Feststellung (Streitwert S 320.000,-- samt Anhang) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 13 R 269/88-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ 2 Cg 174/88-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben, die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die Witwe des am verstorbenen Johann P***. Die Beklagten sind seine Kinder aus erster Ehe. Am (seinem Todestag) errichtete Johann P*** ein fremdhändiges Testament mit folgendem Wortlaut:

"Wien, den . Mein letzter Wille! Wenn ich sterben sollte, soll meine Ehefrau Rosemarie P***-T*** Alleinerbin meines gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens sein. Weiters sollen die Kinder aus den Pflichtteilen bezahlt werden, welches der Notar mit meiner Ehefrau festzusetzen hat. Meine Ehefrau soll bis ans Lebensende unentgeltliches Wohnrecht in meinem Haus Weinhebergasse 8, Wiener Neustadt haben."

Als Testamentszeugen unterfertigten die Schwester des Erblassers Maria H*** sowie zwei weitere Zeugen. Im Verlassenschaftsverfahren nach Johann P***, A 46/87 des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt gab die Klägerin auf Grund des fremdhändigen Testamentes vom die unbedingte Erbserklärung ab, die zu Gericht angenommen wurde. Die Beklagten erklärten, das Testament "nicht als rechtsgültig anzuerkennen", weil die Schwägerin der Klägerin keine fähige Testamentszeugin sei. Mit Beschluß des Abhandlungsgerichtes vom , ON 27, wurde der erblasserischen Witwe die Klägerrolle zuerkannt.

Die Klägerin begehrt mit der Behauptung, auch die Schwester des Erblassers sei eine fähige Zeugin, die Fällung des Urteiles, das fremdhändige Testament des am verstorbenen Johann P***, errichtet in Wien am , sei gültig, der Klägerin stehe auf Grund dieses Testamentes das Erbrecht zum ganzen Nachlaß des am verstorbenen Johann P*** zu.

Die Beklagten wendeten ein, das fremdhändige Testament sei formungültig, weil der Testamentserrichtung nur zwei fähige Testamentszeugen beigezogen worden seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus,daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000 übersteigt. Das Gesetz schließe einen bestimmten Personenkreis, den es im Hinblick auf die konkrete letztwillige Verfügung für befangen halte, als fähige Testamentszeugen aus, ohne daß zu prüfen wäre, ob diese Personen im Einzelfall tatsächlich befangen gewesen seien. Darunter fielen auch die mit dem Bedachten bis zum zweiten Grad der Seitenlinie verwandten oder verschwägerten Personen. Es komme nicht auf das Verhältnis zwischen Erblasser und Testamentszeugen, sondern auf jenes zwischen dem Bedachten und den Testamentszeugen an. Da Maria H*** die Schwester des Erblassers sei, sei sie auch die Schwägerin der mit dem Erblasser verheiratet gewesenen Klägerin und mit dieser daher im zweiten Grad der Seitenlinie verschwägert. Die Ansicht der Berufung, daß nur jene Verschwägerten als fähige Testamentszeugen gemäß § 594 ABGB ausgeschlossen wären, die mit den Eltern, Kindern oder Geschwistern des Bedachten verheiratet seien, nicht aber jene, die deshalb mit dem Bedachten verschwägert seien, weil sie Eltern, Kinder oder Geschwister des Ehegatten des Bedachten seien, sei verfehlt. Eine solche Unterscheidung, für die eine sachliche Grundlage nicht zu erblicken sei, nehme das Gesetz nicht vor. Das Erstgericht habe daher zutreffend erkannt, daß Maria H*** im Sinne des § 594 ABGB in Ansehung der Erbseinsetzung der Klägerin keine fähige Testamentszeugin gewesen sei, weil sie als Schwester des Erblassers mit der Klägerin als dessen Ehefrau im zweiten Grad der Seitenlinie verschwägert sei. Die Prüfung einer Befangenheit im Einzelfall sei nicht vorzunehmen. Das zugunsten der Klägerin am errichtete fremdhändige Testament sei daher nicht formgültig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist berechtigt.

Erbrechtsklagen sind negative Feststellungsklagen. Ihr Ziel ist die mit Wirkung zwischen den Streitteilen zu treffende Feststellung, ob der Erbrechtstitel des Beklagten, auf den er sich stützt, ungültig ist. Eine positive Entscheidung über die Erbberechtigung des Klägers hat nicht zu erfolgen (JBl 1987, 655; SZ 58/187; SZ 56/180; JBl 1984, 36; SZ 27/32; SZ 25/26 ua; Welser in Rummel, ABGB, Rz 24 zu §§ 799, 800; Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3 331). Sache des Verlassenschaftsgerichtes ist es dann, die sich aus der Feststellung der Ungültigkeit des vom Beklagten in Anspruch genommenen Erbrechtstitels ergebenden Schlußfolgerungen zu ziehen (JBl 1984, 36; SZ 56/180 ua, zuletzt 5 Ob 630/88). Die von der Klägerin gewählte positive Formulierung (Feststellung der Gültigkeit des Testaments und ihres testamentarischen Erbrechtes) würde ihr bei sachlicher Berechtigung der Feststellung, den Beklagten käme ein Erbrecht nicht zu, allerdings nicht schaden. Der Senat folgt der neueren Rechtsprechung, daß im Fall einer auf Feststellung des Erbrechtes des Klägers gerichteten Erbrechtsklage ohne Verletzung der Vorschrift des § 405 ZPO die Feststellung der Unwirksamkeit des Erbrechtstitels, auf den sich der Beklagte beruft, bei Abweisung des auf Feststellung des Erbrechtes des Klägers gerichteten Mehrbegehrens zulässig ist (SZ 58/187 ua, zuletzt 7 Ob 597/88). Die richtige Fassung der Erbrechtsklage soll aber grundsätzlich nur nach Erörterung mit den Parteien in mündlicher Verhandlung erfolgen (3 Ob 545/84). Einer solchen bedürfte es nur dann nicht, wenn schon jetzt abschließend beurteilt werden könnte, daß der Klägerin kein Erbrechtstitel zustehe, was zur Verneinung ihres rechtlichen Interesses an der Feststellung, den Beklagten stehe kein gesetzliches Erbrecht zu, führte. Dies ist aber nicht der Fall. Die Klägerin vertritt allerdings in ihrer Revision noch immer die unrichtige Rechtsansicht, ihre Schwägerin wäre eine fähige Zeugin für die Erbseinsetzung im fremdhändigen Testament des Erblassers vom gewesen. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach § 594 ABGB sind ua Geschwister des Bedachten oder in eben dem Grade verschwägerte Personen keine fähigen Zeugen einer letzten Anordnung. Entscheidend ist demnach das Verhältnis des Zeugen zum Bedachten (GlUNF 3937; Gschnitzer-Faistenberger, Erbrecht2 38; Krasnopolski, Österreichisches Erbrecht 72). Nach § 41 ABGB sind die Grade der Verwandtschaft zwischen zwei Personen nach der Zahl der Zeugungen, mittels welcher in der Seitenlinie beide von ihrem nächsten gemeinschaftlichen Stamm abhängen, zu bestimmen. In welchem Grad jemand mit einem Ehegatten verwandt ist, in eben dem Grad ist er mit dem anderen Gatten verschwägert. Geschwister sind im zweiten Grad der Seitenlinie verwandt, Ehegatten sind daher mit den Geschwistern des anderen im zweiten Grad verschwägert (Wolff in Klang2 I/1 280). Die Schwägerschaft im zweiten Grad zum Bedachten hat daher nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zur Folge, daß die Schwägerin keine fähige Zeugin für die letztwillige Zuwendung an die Klägerin war (Ehrenzweig-Kralik, aaO 143; Weiß in Klang2 III 340; Ehrenzweig2 II/2, 430; Krasnopolski aaO; Stubenrauch8 I 799). Enthält die letztwillige Anordnung aber weitere Verfügungen, auf die sich die von Gesetzes wegen angenommene und daher unwiderlegbare Befangenheit der Testamentszeugen nicht erstreckt, sind diese Verfügungen formgültig (in diesem Sinn bereits 5 Ob 620/82; Ehrenzweig aaO; Gschnitzer-Faistenberger aaO; Krasnopolski aaO 73). Die letztwillige Verfügung des Erblassers vom enthält nun nicht nur Verfügungen zugunsten der Klägerin (Erbseinsetzung, Wohnrecht), sondern auch die weitere Anordnung, daß die Beklagten "aus dem Pflichtteil bezahlt werden" sollen.

Nach ganz herrschender Lehre und einheitlicher Rechtsprechung ist eine letztwillige Verfügung, die als Inhalt den Ausschluß eines oder mehrerer gesetzlicher Erben vom ganzen oder einen Teil des Nachlasses enthält, zulässig. In der österreichischen Rechtssprache ist dafür der Terminus "negatives Testament" gebräuchlich geworden (SZ 47/129; SZ 43/148; EvBl 1970/55; GlUNF 4975, 580; Welser in Rummel aaO, Rz 4 zu §§ 552, 553; Koziol-Welser8 II 332; Weiß aaO 56, 212; Gschnitzer-Faistenberger aaO 53, Ehrenzweig aaO 381, Krasnopolski aaO 47; Hofmann in Grünhuts Z 1876, 657; vgl. § 1938 BGB). Ein negatives Testament liegt daher, selbst wenn gleichzeitig eine positive Erbseinsetzung nicht erfolgt sein sollte, auch in der Beschränkung Pflichtteilsberechtigter auf den ihnen zustehenden Pflichtteil (GlUNF 4975; Ehrenzweig aaO; vgl RG 61, 14, 15;

Edenhofer in Palandt49 1869; Kregel in BGB-RGRK12 zu § 1938;

Soergel-Stein11, Rz 5 zu § 1938 BGB). Da ein "negatives Testament" eine positive Erbseinsetzung nicht enthält, wird es kraft der gesetzlichen Definition des § 553 ABGB als Kodizill angesehen (Welser aaO). Einzig Kralik in Ehrenzweig-Kralik aaO 203 hält ohne nähere Begründung negative Testamente nur dann für gültig, wenn sie, sei es durch Auslegung oder Konversion, als positive Anordnungen aufrecht erhalten werden können. Für eine solche teleologische Reduktion der Bestimmung des § 553 ABGB fehlen hinreichende Gründe. Gewiß ist es wirtschaftlich gesehen so, daß, in Ermangelung einer anderen Verfügung, alles das, was ein gesetzlicher Erbe, der durch ein negatives Testament von der Erbfolge ganz oder teilweie ausgeschlossen wird, nicht erhält, zwangsläufig anderen gesetzlichen Erben zufällt. Damit sind diese gesetzlichen Erben aber noch nicht letztwillig Bedachte. Erlebt für den Fall, daß ein negatives Testament vorliegt, einer der dann zum Zug kommenden gesetzlichen Erben den Erbanfall nicht, tritt bei Beachtung des negativen Testamentes dennoch nach der Bestimmung der §§ 733 ff Repräsentation, nicht aber Akkreszenz nach § 560 ABGB ein. Hätte der Erblasser, dessen negatives Testament sich wirtschaftlich zugunsten mehrerer gesetzlicher Erben derselben Linie auswirkt, für diesen Fall nicht Repräsentation, sondern Akkreszenz eintreten lassen wollen, hätte er dies im Rahmen eines positiven Testamentes ausdrücklich verfügen müssen. Die Möglichkeiten einer Umdeutung oder Konversion sind daher im Regelfall nicht gegeben. Will man aber den recte erklärten Willen des Erblassers befolgen, kann dann entgegen Kralik nur der Schluß der Gültigkeit auch negativer Anordnungen gezogen werden.

Die positive Erbseinsetzung der Klägerin, die auch gesetzliche Erbin wäre, hätte - ihre Gültigkeit vorausgesetzt - schon ohne weitere Verfügung des Erblassers die Beschränkung der Beklagten auf den Pflichtteil bewirkt. Bei Ungültigkeit der Erbseinsetzung der Klägerin hätten ohne negatives Testament dann aber die Beklagten als gesetzliche Erben mit der Klägerin konkurriert. Es ist daher zu prüfen, welche Rechtswirkungen die darüber hinaus erfolgte ausdrückliche Verweisung der Beklagten auf den Pflichtteil entfaltet, wenn die gleichzeitig im selben letzten Willen enthaltene Erbseinsetzung formungültig ist. Betrachtet man die Verweisung der Beklagten auf den Pflichtteil allein, so ergibt sich die Formgültigkeit dieser Anordnung daraus, daß ihre Tante als Verwandte dritten Grades sehr wohl fähige Zeugin der Anordnung war (vgl SZ 52/148; Eccher in Schwimann, ABGB, Rz 3 zu § 594). Mit der aufgezeigten Problemstellung hat sich, soweit ersichtlich, nur die Entscheidung SZ 33/29 befaßt. Der Erblasser hatte seine Frau zur Alleinerbin eingesetzt und weiters ausdrücklich verfügt, daß alle sonstigen Angehörigen und Verwandten für eine Erbschaft nach ihm nicht in Frage kämen und daher ausnahmslos als enterbt erscheinen. Ein erblasserischer Sohn gab aber dennoch auf Grund des Gesetzes eine bedingte Erbserklärung mit der Behauptung ab, die Testamentserbin sei gemäß § 543 ABGB erbunfähig, so daß die gesetzliche Erbfolge einzutreten habe. Der Oberste Gerichtshof sprach damals aus, daß es auf die Absicht des Erblassers ankomme, ob das negative Testament auch für den Fall der Ungültigkeit der darin verfügten Erbseinsetzung bestehen bleibe. Diese Ansicht wird von Eccher aaO Rz 2 zu § 553 gebilligt. Durch Auslegung sei zu ermitteln, ob der durch ein negatives Testament ausgeschlossene gesetzliche Erbe auch dann keinen gesetzlichen Erbanspruch habe, wenn es nicht zur beabsichtigten gewillkürten Erbfolge komme (vgl SZ 21/147; SZ 13/239). Ähnlich entschied auch das deutsche Reichsgericht in WarnRsp 1942/23. Es komme auf die Absicht des Erblassers an, ob bei Ungültigkeit der Erbseinsetzung ein damit im Zusammenhang stehendes negatives Testament aufrecht bleibe oder nicht. Diese Rechtsansicht vertritt auch die deutsche Lehre. War der ausdrücklich erfolgte teilweise oder gänzliche Ausschluß vom Erbrecht neben der positiven Erbseinsetzung unter allen Umständen gewollt, bleibt der Ausschluß auch dann gültig, wenn die positive Erbseinsetzung unwirksam gewesen sein sollte (Edenhofer in Palandt aaO, Leipold in MünchKomm Rz 6 zu § 1938 BGB; Soergel-Stein aaO Rz 5). Dieses Ergebnis ist zu billigen. Es führt nämlich dazu, daß dem Willen des Erblassers so weit wie möglich Rechnung getragen wird. Damit erweist sich aber das Verfahren als ergänzungsbedürftig. Das Erstgericht wird neben der Anleitung der Klägerin, ein dem Wesen der Erbrechtsklage entsprechendes negatives Feststellungsbegehren zu stellen, nach entsprechendem Vorbringen der Parteien Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht zu treffen haben, ob der Erblasser auch für den Fall, daß die Einsetzung der Klägerin als Testamentserbin formungültig sein sollte, die Absicht hatte, die Verweisung der Beklagten auf den Pflichtteil aufrecht zu erhalten, was dann naheliegend wäre, würde sich herausstellen, daß in diesem Fall die Klägerin gesetzliche Alleinerbin wäre. Der Revision ist daher Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen sind gemäß § 510 Abs 1 ZPO aufzuheben. Die Rechtssache ist an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.