OGH vom 21.08.2013, 3Ob111/13i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder H*****, und zwar L*****d, geboren am *****, L*****e, geboren am *****, und M*****, geboren am *****, alle in Obsorge der Mutter N***** H*****, alle vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Mag. Florian Plöckinger Rechtsanwälte GesBR in Wien, Vater: S*****, vertreten durch Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Mag. Michaela Schmotzer, Rechtsanwältinnen in Wien, über den Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 563/12y 81, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 32 PU 107/09g 72, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Soweit für das Revisionsrekursverfahren noch relevant, verpflichtete das Erstgericht mit seinem Beschluss vom den Vater, für seine drei Kinder zu Handen der mit der Obsorge betrauten Mutter ab einen monatlichen Unterhalt von je 510 EUR für L*****d, und für L*****e sowie einen monatlichen Unterhalt von 480 EUR für M*****, zu leisten. Das Erstgericht sprach weiters aus, dass die bis zur Rechtskraft seines Beschlusses fällig gewordenen Beträge abzüglich bestimmter geleisteter Zahlungen binnen 14 Tagen zu entrichten sind.
Das Erstgericht legte seiner Entscheidung zusammengefasst zugrunde, dass der Vater, den außer für die drei Kinder und deren Mutter keine weiteren gesetzlichen Sorgepflichten treffen, Einkünfte aus nichtselbständiger und selbständiger Arbeit, aus Vermietung und aus Kapitalvermögen bezieht. In den Jahren 2008 bis 2010 hatte er ein durchschnittliches Monatseinkommen von 2.178 EUR (2008), 3.226 EUR (2009) und 4.701 EUR (2010), im Schnitt der drei Jahre von 3.368 EUR. Seine Entnahmen in diesen Jahren hatten folgende Höhe: 3.996 EUR (2008), 3.824 EUR (2009) und 4.210 EUR (2010), im Schnitt der drei Jahre 4.010 EUR monatlich.
Das Erstgericht berechnete den vom Vater ab zu leistenden Unterhalt nach der Prozentsatzmethode, ausgehend von den durchschnittlichen Entnahmen des Vaters von 4.010 EUR.
Der Zuspruch eines monatlichen Betrags von je 480 EUR für L*****d und für L*****e sowie eines monatlichen Betrags von 400 EUR für M*****, jeweils für den Zeitraum vom bis , durch das Erstgericht blieb unbekämpft.
Infolge Rekurses des Vaters bestätigte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluss
(2a) für die Zeit vom bis hinsichtlich eines weiteren Betrags von 50 EUR monatlich, insgesamt somit eines Unterhalts von 450 EUR monatlich, für M*****,
(2b) für die Zeit vom bis hinsichtlich eines monatlichen Unterhalts von je 435 EUR für L*****d, L*****e und M*****, sowie
(2c) für die Zeit ab hinsichtlich eines monatlichen Unterhalts von 500 EUR für L*****d und je 435 EUR monatlich für L*****e und M*****.
Hinsichtlich des jeweils darüber hinausgehenden Mehrbegehrens der Kinder, den monatlichen Unterhalt ab bis auf Weiteres mit insgesamt je 510 EUR für L*****d und L*****e und mit insgesamt 480 EUR für M***** festzusetzen, sowie hinsichtlich der Nichtberücksichtigung einer einmaligen Zahlung des Vaters von 1.000 EUR im Leistungsbefehl hob das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts auf.
In einer rechtlichen Beurteilung berief sich das Rekursgericht auf die Entscheidungen 2 Ob 224/08t und vor allem 2 Ob 115/11t, nach denen Einkünfte aus Kontoüberziehungen und Kreditaufnahmen nur dann in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen seien, wenn es sich dabei um einen Eingriff in die Vermögenssubstanz des Unterhaltspflichtigen handle und diese Mittel zur Verbesserung seiner Lebensverhältnisse verwendet würden. Maßgeblich sei, ob der Unterhaltsschuldner unabhängig von der Art seiner Erwerbstätigkeit die Substanz seines Aktivvermögens welcher Art auch immer zur Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse heranziehe.
Das unterhaltsberechtigte Kind, dessen notwendiger Bedarf durch die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils angemessen gedeckt sei, dürfe unterhaltsrechtlich aber nicht an jeglicher nichtbetrieblich bedingten Heranziehung des Vermögensstamms durch diesen Elternteil partizipieren, sondern in der Regel nur dann, wenn es sich dabei um die Deckung von Bedürfnissen des laufenden Unterhalts des Unterhaltsschuldners handle. Auch in einer intakten Familie würde der Umstand, dass der Unterhaltsschuldner einen Sonderbedarf habe (zB Zahnsanierung), den er nur durch die Heranziehung seines Vermögens finanzieren könne, für sich allein noch nicht zur Erhöhung des Unterhalts seiner Kinder oder der unterhaltsberechtigten Ehegattin führen. Stets sei im Einzelfall zu prüfen, inwieweit der Unterhaltsschuldner in einer intakten Familie bei der Heranziehung des Stamms seines Vermögens auch seine unterhaltsberechtigten Kinder hieran partizipieren lassen würde. Dabei könnten Ausgaben, die keine Abzugspost von einer an sich zur Bedürfnisbefriedigung der Kinder ausreichenden Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellten, unter Umständen auch nicht als Entnahmen und damit nicht als diese Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöhend zu werten sein.
Entscheidend sei im Sinne einer Gesamtbetrachtung, inwiefern vom Unterhaltsschuldner überhaupt Vermögen zur Deckung von Ausgaben herangezogen worden sei und inwieweit er im Beobachtungszeitraum Ausgaben getätigt habe, welche in einer intakten Familie nicht unterhaltserhöhend wirken würden. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage ergebe sich sohin als „Differenz“ der aus der Summe der im Beobachtungszeitraum bestehenden Einkünfte des Unterhaltschuldners aus selbständiger Erwerbstätigkeit, Kapitalvermögen, Vermietung zuzüglich der aus der Heranziehung von Vermögen stammenden Mittel abzüglich seiner nicht im obigen Sinn unterhaltserhöhend wirkenden Ausgaben.
Stets sei auch zu prüfen, ob die in einem Jahr tatsächlich getätigten (und unterhaltsrechtlich relevanten) Entnahmen auch für die künftigen Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen ein verlässlicher Indikator seien, ob also zu erwarten sei, dass dieser auch in Zukunft über sein Einkommen hinaus den Stamm seines Vermögens zur Verbesserung seiner Lebensverhältnisse heranziehen werde. Sei dies nicht der Fall, könnten die höheren Entnahmen nur für die Unterhaltsbemessung in dem Jahr, in dem sie getätigt worden seien, herangezogen werden.
Abgesehen von der notwendigen Klärung, ob die Entnahmen Eingang in die laufende Unterhaltsdeckung des Unterhaltspflichtigen gefunden hätten, könne derzeit auch noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die vom Vater begehrte Ergänzung des Gutachtens durch Ausdehnung auf das Jahr 2011 im Zusammenhang mit dem von ihm behaupteten Einkommensrückgang erforderlich sei. In diesem Zusammenhang sei es zweckmäßig, den Vater nochmals zur Vorlage weiterer Unterlagen aufzufordern.
Schließlich seien im fortgesetzten Verfahren auch die Umstände der einmaligen Zahlung von 1.000 EUR des Vaters zu erheben.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die vom Rekurssenat befürwortete Einschränkung der Unterhaltsbemessungsgrundlage auf Entnahmen, die zur Deckung des laufenden Unterhalts des Unterhaltspflichtigen verwendet werden, in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bisher nicht in dieser Deutlichkeit als maßgeblich erachtet wurde, dies jedoch für den vorliegenden Fall entscheidungswesentlich sei.
Gegen den aufhebenden Teil der Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Kinder mit dem Antrag, den Aufhebungsbeschluss aufzuheben und in der Sache die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Der Vater beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Das Vorbringen im Revisionsrekurs lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die Unterhaltsbemessung nach dem Lebenszuschnitt des Unterhaltspflichtigen unabhängig von dessen Finanzierung erfolgen könne. In diesem Sinn sei auch im konkreten Fall von den Entnahmen des unterhaltspflichtigen Vaters auszugehen. Das Rekursgericht lasse es demgegenüber zu, dass der Unterhaltspflichtige durch einen von ihm „richtig“ disponierten erhöhten Aufwand für seine private Lebensführung die Unterhaltsansprüche der Kinder verkürzen könne, was dem Anspannungsgrundsatz widerspreche. Richtigerweise müssten Entnahmen jeder Art in die Unterhaltsbemessungsgrundlage Eingang finden.
Mit dieser allgemein gehaltenen und nur peripher auf die Rechtsansicht des Rekursgerichts eingehenden Argumentation wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.
1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 2 Ob 224/08t darauf hingewiesen, dass der Lebenszuschnitt des Unterhaltspflichtigen nur ausnahmsweise zur Bestimmung der Unterhaltsbemessungsgrundlage herangezogen werden kann, nämlich dann, wenn etwa aufgrund mangelnder Mitwirkung des Unterhaltspflichtigen dessen Einkommen nicht ermittelt werden kann, sein Lebensaufwand aber für ein bestimmtes Einkommen spricht (RIS-Justiz RS0125129). Diese Voraussetzung trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu.
2. Selbst wenn die Entnahmen des Unterhaltsberechtigten als Unterhaltsbemessungsgrundlage herangezogen werden, sind nach der Entscheidung 2 Ob 115/11t nur solche Entnahmen relevant, die sich auf die vom Unterhaltspflichtigen gewählte private Lebensführung auswirken. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass in diesem Sinn bei den Entnahmen zu differenzieren sei und eine Entnahme beispielsweise zur Deckung eines berechtigten Sonderbedarfs des Unterhaltspflichtigen nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen werden könne, weil sie keine Auswirkung auf die private Lebensführung zeitige, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
Das Argument der Revisionsrekurswerber, demnach hätte es der Unterhaltsschuldner in der Hand, den Unterhalt der Unterhaltsberechtigten mehr oder minder nach seinem Gutdünken zu verkürzen, überzeugt nicht. Das Rekursgericht fordert nur, dass im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bei den Entnahmen danach differenziert wird, ob sie sich auf die vom Unterhaltspflichtigen gewählte private Lebensführung auswirken oder nicht. Der Vergleich mit den Verhältnissen in einer intakten Familie ist durchaus angebracht (vgl etwa RIS Justiz RS0114189, RS0117200 [T3]).
3. Erachtet das Rekursgericht auf der Grundlage einer vom Obersten Gerichtshof gebilligten Rechtsansicht das Verfahren für ergänzungsbedürftig, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten.
4. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist der Revisionsrekurs der Kinder daher als unzulässig zurückzuweisen.