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OGH vom 11.08.2008, 1Ob116/08b

OGH vom 11.08.2008, 1Ob116/08b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin E***** AG, *****, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, wider die Antragsgegner 1. Johan N*****, und

2. Dragana N*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer, Dr. Manuela Schipflinger und Mag. Stefan Ganahl, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Beweissicherung (Streitwert 10.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 4 R 74/08z-13, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bludenz vom , GZ 4 Nc 25/07s-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegner wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bewilligte den Beweissicherungsantrag der Antragstellerin und bestellte zur Feststellung des derzeitigen Zustands des Hauses auf dem Grundstück der Antragsgegner einen Sachverständigen. Dieser erstellte einen als Gutachten bezeichneten Befund, der den Parteien zugestellt wurde. Die Antragsgegner beantragten die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erörterung des „Gutachtens".

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung zurück, der Sachverständige sei lediglich mit der Befundaufnahme betraut worden, die Erstellung eines Gutachtens sei im Beweissicherungsverfahren in der Regel nicht vorgesehen.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf, trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Beweissicherungsverfahrens auf und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige; der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig. Zwar sei nach § 386 Abs 4 ZPO der Beschluss, der dem Beweissicherungsantrag stattgibt, nicht anfechtbar; dieser Rechtsmittelausschluss bedeute aber nicht, dass jeder Beschluss im Zusammenhang mit der Beweissicherung unanfechtbar sei. Der Rechtsmittelausschluss des § 366 Abs 2 ZPO iVm § 388 Abs 1 ZPO gelte - zur Vermeidung einer nicht sachgerechten Einschränkung der Parteienrechte - nicht für einen Fall wie den vorliegenden, in dem keine weitere Sachentscheidung erfolge. Der Rekurs sei auch inhaltlich berechtigt. Die §§ 386, 387 ZPO sähen die Beteiligung des Gegners an der Beweisaufnahme vor. Die Parteien hätten auch im Rahmen eines schriftlichen Befunds das Recht, bei der vorausgehenden Befundaufnahme dabei zu sein und könnten in entsprechender Anwendung des § 357 ZPO verlangen, dass der Sachverständige seinen Befund vor Gericht mündlich erläutere. Es widerspräche dem Zweck einer Beweissicherung, wenn diese zwar antragsgemäß bewilligt und in deren Rahmen eine Befundaufnahme durchgeführt würde, für die Parteien aber keine Möglichkeit bestünde, auf allenfalls bei der Befundaufnahme unterlaufene Fehler, Mängel oder Unvollständigkeiten hinzuweisen und zu deren Behebung die Erörterung des Befunds durch den Sachverständigen zu begehren.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Antragstellerin erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass der Rechtsmittelausschluss des § 386 Abs 4 ZPO der Zulässigkeit des Rekurses der Antragsgegner nicht entgegensteht. Dieser Rechtsmittelausschluss betrifft nur den Beschluss, der dem Beweissicherungsantrag stattgibt; er bedeutet aber nicht, dass jeder Beschluss, der im Beweissicherungsverfahren erlassen wird, unanfechtbar wäre (Rassi in Fasching/Konecny2 § 386 ZPO Rz 8). Es trifft aber zu, dass gemäß § 388 Abs 1 ZPO die Beweisaufnahme im Beweissicherungsverfahren nach den allgemeinen Bestimmungen der ZPO über den Beweis und die Beweisaufnahme sowie nach den Vorschriften über die einzelnen Beweismittel erfolgt und dass daher auch im Beweissicherungsverfahren grundsätzlich die Rechtsmittelbeschränkungen des Beweisverfahrens gelten (Rechberger in Rechberger3 § 388 ZPO Rz 3).

Unter Hinweis darauf stützt sich die Revisionsrekurswerberin in ihrem Rechtsmittel auf § 366 Abs 2 ZPO und leitet daraus die Unzulässigkeit des Rekurses der Antragsgegner ab. Dem ist nicht zu folgen, wobei gar nicht geprüft werden muss, ob der hier angefochtene erstgerichtliche Beschluss überhaupt den in § 366 ZPO normierten Rechtsmittelbeschränkungen für Beschlüsse im Rahmen der Anordnung und Durchführung des Sachverständigenbeweises unterliegt. Dies ist keineswegs zwingend, zumal der hier angefochtene Beschluss weder in § 366 Abs 1 noch in § 366 Abs 2 ZPO genannt ist und angesichts seiner Funktion - Sicherung des rechtlichen Gehörs, aber auch der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (vgl 3 Ob 111/01x) - den in § 366 ZPO genannten Beschlüssen nicht unbedingt wertungsmäßig gleichzustellen ist. Nähere Überlegungen dazu sind aber entbehrlich, weil im Beweissicherungsverfahren die Anwendung dieser Rechtsmittelbeschränkungen auf den Beschluss, mit dem der Antrag auf Erörterung des schriftlich erstatteten Befunds zurückgewiesen wird, aus den schon vom Rekursgericht angestellten Überlegungen keinesfalls in Betracht kommt:

Die Beweissicherung gemäß § 384 Abs 1 ZPO soll dem drohenden Beweisverlust oder der erschwerten Benutzung eines Beweismittels vorbeugen. § 384 Abs 2 ZPO lässt die Beweissicherung darüber hinaus auch dann zu, wenn diese Voraussetzungen zwar nicht gegeben sind, aber der gegenwärtige Zustand einer Sache festgestellt werden soll und der Antragsteller ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung hat. Mit diesem Zweck der Beweissicherung und ihrem daraus ersichtlichen Wesen sind Rechtsmittelbeschränkungen, die dazu führten, dass Entscheidungen über die mündliche Erörterung eines schriftlichen Befunds erst mit der nächsten abgesondert anfechtbaren Entscheidung oder überhaupt erst mittels einer Mängelrüge in der Berufung gegen die Entscheidung in der Hauptsache bekämpft werden könnten, nicht vereinbar. Derartige Rechtsmittelbeschränkungen hätten nämlich zur Folge, dass über die mündliche Erörterung des schriftlichen Befunds erst mit beträchtlicher Verzögerung endgültig entschieden werden könnte. Sohin bestünde die Gefahr, dass strittige Tatfragen - wegen des mittlerweile eingetretenen Beweisverlusts bzw Veränderungen am Beweisgegenstand - nicht mehr geklärt werden können. Damit wäre aber der Zweck der Beweissicherung verfehlt. Das Rekursgericht hat daher den Rekurs gegen die erstgerichtliche Entscheidung zu Recht als zulässig betrachtet.

Nach § 357 Abs 1 ZPO kann das Gericht auch die schriftliche Begutachtung anordnen. In diesem Fall ist der Sachverständige nach § 357 Abs 2 ZPO verpflichtet, auf Verlangen über das schriftliche Gutachten mündliche Aufklärungen zu geben oder dieses bei der mündlichen Verhandlung zu erläutern. In sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmung haben auch im Beweissicherungsverfahren die Parteien das Recht, zu verlangen, dass der Sachverständige seinen schriftlichen Befund mündlich vor dem Gericht erläutert (Rassi aaO § 387 ZPO Rz 2). Der Einwand der Revisionsrekurswerberin, der von den Antragsgegnern gestellte Antrag auf Erläuterung des schriftlichen Befunds sei dennoch zurückzuweisen, weil er unbegründet sei und keine Angaben über die an den Sachverständigen zu richtenden Fragen enthalte, ist ebenfalls nicht berechtigt:

Der Antrag, den Sachverständigen zur mündlichen Erörterung seines schriftlichen Gutachtens (hier: Befunds) zu laden, muss die konkreten Fragen, die der Antragsteller dem Sachverständigen zu stellen beabsichtigt, nicht enthalten. In Lehre und Rechtsprechung wird aber gefordert, dass der Antrag nicht völlig unbegründet sein darf, sondern Angaben darüber enthalten muss, welche Aufklärungen bzw Erläuterungen des schriftlichen Sachverständigengutachtens(-befunds) gewünscht werden (6 Ob 245/07h unter Hinweis auf Rechberger in Fasching/Konecny2 § 357 ZPO Rz 4). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass ein unbegründeter Antrag sofort zurückgewiesen werden könnte. Vielmehr hat das Gericht einen solchen Antrag - so es ihm nicht ohnedies folgen will - zur Verbesserung zurückzustellen. Erst wenn ein solcher Verbesserungsauftrag erfolglos bleibt, kommt die Zurückweisung des Antrags in Betracht. Im vorliegenden Fall ist aber die Verbesserung bereits im Rekurs der Antragsgegner erfolgt. Damit erweisen sich die Aufhebung des erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses durch das Rekursgericht und der Auftrag an das Erstgericht, das Beweissicherungsverfahrens fortzusetzen, als berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels schon aufgrund dessen Erfolglosigkeit selbst zu tragen.

Die Antragsgegner haben eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet. Diese ist zurückzuweisen, weil die Entscheidung, ob der Sachverständige zur Erörterung des Befunds zu laden ist, eine rein verfahrensrechtliche ist und dafür die - im Gesetz nicht angeordnete - Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens auch von Art 6 EMRK nicht gefordert wird (6 Ob 10/07z; 6 Ob 137/06z; 4 Ob 156/06d; G. Kodek,

Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534 [540]).