OGH vom 15.01.2013, 4Ob193/12d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** K*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Perg, gegen die beklagte Partei K***** AG, *****, vertreten durch Pistotnik Krilyszyn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 18.734,84 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 5 R 47/12m 10, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 18 Cg 120/11b-6, aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf K***** AG richtiggestellt.
II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
zu I.
Aus dem Firmenbuch ergibt sich, dass die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Generalversammlungsbeschluss vom in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde (§§ 245 ff AktienG). Ihre Bezeichnung war daher richtigzustellen.
Zu II.
Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war von 2003 bis 2006 Abschlussprüferin einer im Immobilienbereich tätigen Aktiengesellschaft (idF: Gesellschaft). Am testierte sie deren Jahresabschluss zum und informierte darüber deren Vorstand. Am erwarb der Kläger 2.100 Aktien der Gesellschaft zu einem Kurs von 7,03 EUR. Einschließlich Spesen wandte er dafür 14.925,39 EUR auf. Im Lauf der Jahre verloren die Aktien an Wert; Mitte Februar 2011 lag der Kurs bei 3,24 EUR.
Mit seiner am eingebrachten Klage begehrt der Kläger 18.734,84 EUR samt 4 % Zinsen ab Zug um Zug gegen „Rückstellung“ von 2.100 Aktien der Gesellschaft; hilfsweise erhebt er ein Feststellungsbegehren. Er habe die Aktien im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Prüfung „der“ Jahresabschlüsse erworben. Bei Kenntnis der „wahren Sachlage“ hätte er das unterlassen und statt dessen eine sichere Veranlagung gewählt, die mit zumindest 4 % verzinst worden wäre; der Klagebetrag ergebe sich aus den Aufwendungen für den Erwerb und dem kapitalisierten Zinsverlust bis Ende Juli 2011. Die Beklagte habe die Abschlüsse nicht bestätigen dürfen, weil es näher dargestellte Malversationen der Organe der Gesellschaft, einer Schwestergesellschaft und einer beide beherrschenden Privatbank gegeben habe, die die Beklagte (schon damals) hätte erkennen müssen. Wegen der Malversationen sei seit 2008 ein Ermittlungsverfahren anhängig; eine „K***** A***** GmbH“ werde dort seit dem als Beschuldigte wegen des Verdachts nach § 3 VBVG iVm § 255 AktG geführt. Die Beklagte hafte aufgrund ihres Vertrags mit der Gesellschaft, der Schutzwirkung zugunsten des Klägers entfalte, weiters wegen wissentlichen bzw vorsätzlichen Verhaltens nach § 1300, Fall 2, ABGB,§ 11 Abs 1 Z 4 KMG,§ 80 Abs 1 Z 2 BörseG und (als „Beauftragte“ der Gesellschaft) nach § 255 AktienG iVm § 1311 ABGB. Verjährung sei nicht eingetreten, weil der Kläger erst am aufgrund der Veröffentlichung eines Berichts der Österreichischen Nationalbank vom anspruchsbegründenden Sachverhalt erfahren habe. Weiters habe sich der Kläger am dem Strafverfahren „gegen die Beklagte“ als Privatbeteiligter angeschlossen, was die Verjährung unterbrochen habe.
Die Beklagte wendet ein, der Anspruch aufgrund ihres Vertrags mit der geprüften Gesellschaft sei nach § 275 Abs 5 UGB verjährt. Die dort angeordnete fünfjährige Verjährungsfrist beginne mit dem Entstehen des Schadens, also mit der Übergabe des Bestätigungsvermerks an die Organe der Gesellschaft. Gegen „die Beklagte“ werde erst seit ermittelt; der vom Kläger behauptete Privatbeteiligtenanschluss vom könne sich daher nicht auf sie bezogen haben. Davon abgesehen sei die Klage mangels Konkretisierung der erhobenen Vorwürfe nicht schlüssig. Die Beklagte habe ihre Prüfungen ordnungsgemäß und gesetzeskonform vorgenommen und zu Recht uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt. Maßgeblich könne, wenn überhaupt, nur der Jahresabschluss zum sein, da der Kläger die gegenständlichen Aktien am erworben habe. Es fehlten konkrete Ausführungen zu diesem Jahresabschluss. Von möglichen Gesetzesverstößen im Zusammenhang mit der Finanzierung von Aktientransaktionen habe die Beklagte erst 2008 erfahren. Eine Haftung nach § 11 Abs 1 Z 4 KMG oder § 80 Abs 1 Z 2 BörseG aF setze voraus, dass der Abschlussprüfer die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben im Prospekt des Emittenten gekannt habe. Das sei bei der Beklagten nicht der Fall gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 275 Abs 5 UGB sei eine lex specialis zur allgemeinen Verjährungsnorm des § 1489 ABGB. Ersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer seien daher nur fünf Jahre ab Eintritt des Schadens klagbar; auf Kenntnis oder Kennenmüssen des Schadens komme es nicht an. Die Frist beginne mit Übergabe des Bestätigungsvermerks an den Vorstand der geprüften Gesellschaft. Da der Kläger die Aktien mehr als fünf Jahre vor Einbringung der Klage gekauft habe, sei sein Anspruch jedenfalls verjährt. Der Anspruch sei auch in der Sache nicht begründet, weil der Kläger keine konkret vorwerfbaren Prüfungsfehler der Beklagten dargelegt habe.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs ließ es zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob auch Ansprüche Dritter nach § 275 Abs 5 UGB verjährten.
Zwar habe der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass § 275 Abs 5 UGB eine lex specialis zur allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 1489 ABGB sei. Die Verjährung beginne danach mit dem Eintritt des Schadens, Kenntnis von Schaden und Schädiger sei unerheblich. Diese Entscheidungen hätten jedoch vertragliche Ansprüche der geprüften Gesellschaft betroffen. Für Ansprüche Dritter werde demgegenüber in der Lehre die Auffassung vertreten, dass es auf die Kenntnis des Geschädigten ankomme. Das Berufungsgericht schließe sich dieser Auffassung an. Schäden, die durch eine Abschlussprüfung entstünden, würden oft erst (deutlich) später bekannt und seien für Dritte in der Regel schwerer festzustellen als für die geprüfte Gesellschaft. Daher sprächen gute Gründe dafür, den Beginn der Verjährung entsprechend § 1489 ABGB mit Kenntnis von Schaden und Schädiger beginnen zu lassen. Weiters habe der Kläger vorgebracht, er habe sich einem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen. Die in diesem Zusammenhang behauptete Unterbrechung gelte jedenfalls nur gegenüber demjenigen, gegen den sich das Strafverfahren richte, und auch nur für die in der Anschlusserklärung geltend gemachten Ansprüche. Ob diese Voraussetzungen vorlägen, könne ohne konkrete Sachverhaltsfeststellungen keiner Prüfung unterzogen werden. Unschlüssigkeit liege nicht vor, zudem hätte das Erstgericht in diesem Fall diesen Umstand erörtern müssen. Nach dem Klagsvorbringen könne es allerdings nur auf den Jahresabschluss zum ankommen. Denn der Kläger behaupte, er habe die Aktien am erworben, weshalb die Bedeutung späterer Jahresabschlüsse nicht erkennbar sei. Der Kläger werde daher darzulegen haben, ob sich alle von ihm erhobenen Vorwürfe auf den Jahresabschluss vom bezögen und/oder aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen den anderen Jahresabschlüssen eine eigenständige Bedeutung zukomme. Die weiteren Haftungsgrundlagen, zu denen die Beklagte keine Verjährungseinrede erhoben habe, seien nur zu prüfen, wenn der Kläger seine Ansprüche nicht auf § 275 UGB stützen könne.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs der Beklagten, mit dem sie eine Wiederherstellung der abweisenden Entscheidung des Erstgerichts anstrebt, ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig , im Ergebnis aber nicht berechtigt .
1. Ob Ansprüche des Klägers aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (oder allenfalls aufgrund der Verletzung objektiver Sorgfaltspflichten; vgl dazu 1 Ob 35/12x = wbl 2012, 644 = RWZ 2012, 292 [ Wenger ]) verjährt sind, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden.
1.1. Das Berufungsgericht hat zwar richtig aufgezeigt, dass sich die ältere Rechtsprechung zu § 275 Abs 5 UGB (HGB) nur auf Ansprüche der geprüften Gesellschaft bezogen hatte. Inzwischen hat der Oberste Gerichtshof jedoch in den ausführlich begründeten Entscheidungen 1 Ob 35/12x (= wbl 2012, 644 = RWZ 2012, 292 [ Wenger ]) und 10 Ob 88/11f (= GES 2012, 448 = RWZ 2012, 292 [ Wenger ]) ausgesprochen, dass die dort angeordnete fünfjährige Verjährungsfrist auch Ansprüche Dritter erfasst. Der vorliegende Sachverhalt bietet keinen Anlass, davon abzugehen. Die Frist beginnt entgegen der im Rekurs vertretenen Auffassung erst mit Eintritt des (primären) Schadens (2 Ob 299/05t = ÖBA 2006, 845 mwN; 1 Ob 35/12x, 10 Ob 88/11f). Bei Ansprüchen Dritter ist das die durch den Bestätigungsvermerk veranlasste Vermögensdisposition (1 Ob 35/12x, 10 Ob 88/11f), hier also der Erwerb der Aktien am . Auch an dieser Rechtsansicht ist festzuhalten.
1.2. Ob die Verjährung unterbrochen wurde, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden.
(a) Der Anschluss als Privatbeteiligter unterbricht die Verjährung nur gegenüber demjenigen, gegen den sich das Strafverfahren richtet und auch nur für die in der Anschlusserklärung geltend gemachten Ansprüche (7 Ob 22/76 = JBl 1976, 590; 1 Ob 119/99b; RIS-Justiz RS0034631 [T3, T 6]; vgl auch RIS-Justiz RS0115181 [zur Höhe]). Der Anschluss im Verfahren gegen ein für einen Rechtsträger handelndes Organ unterbricht die Verjährung für Ansprüche gegen den Rechtsträger nicht (1 Ob 290/67 = SZ 41/34 [Amtshaftung]).
(b) Das vom Kläger zur Unterbrechung der Verjährung erstattete Vorbringen ist, wie bereits das Berufungsgericht erkannt hat, widersprüchlich. Soweit er sich auf einen am erfolgten Privatbeteiligtenanschluss im Strafverfahren gegen „die Beklagte“ beruft, ist es insofern schlüssig, als dieser Zeitpunkt innerhalb der fünfjährigen Frist ab Eintritt des Schadens lag; es fehlen allerdings Behauptungen zur Höhe des im Strafverfahren geltend gemachten Schadens. An anderer Stelle führt der Kläger demgegenüber aus, dass am ein Ermittlungsverfahren gegen eine anscheinend zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörende Gesellschaft eingeleitet worden sei. Damit behauptet er nicht, dass dieses Strafverfahren gegen die Beklagte geführt werde (auch wenn die Beklagte das in diesem Sinn zu verstehen scheint); zudem hätte sich ein vor diesem Zeitpunkt erklärter Beitritt der Natur der Sache nach nicht (auch) auf diese Beschuldigte beziehen können.
(c) Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen aufgrund seiner zutreffenden Rechtsansicht zur Unterbrechungswirkung eines Privatbeteiligtenanschlusses der Auffassung ist, dass das Verfahren einer Ergänzung bedarf (Klarstellung des Vorbringens, weitere Feststellungen), kann der Oberste Gerichtshof dem nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0042179 [T17, T 20, T 22]).
1.3. Aus dem letztgenannten Grund hat es im Ergebnis bei der vom Berufungsgericht verfügten Aufhebung zu bleiben. Das Erstgericht wird im weiteren Verfahren allerdings davon auszugehen haben, dass die fünfjährige Verjährungsfrist mit dem Erwerb der Aktien begann. Die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, dass nach dem derzeitigen Vorbringen des Klägers nur Pflichtverletzungen der Beklagten vor dem Kauf der Aktien, konkret also bei der Bestätigung des Jahresabschlusses zum , relevant sein können, trifft zu. Auch insofern wird der Kläger sein Vorbringen konkretisieren müssen.
2. Der Kläger stützt seinen Anspruch nicht nur auf die fahrlässige Verletzung von Pflichten aus dem Vertrag der Beklagten mit der geprüften Gesellschaft oder von damit allenfalls übereinstimmenden objektiven Sorgfaltspflichten. Er behauptet auch vorsätzliche bzw wissentliche Pflichtverletzungen nach § 1300, Fall 2, ABGB,§ 11 Abs 1 Z 4 KMG,§ 80 Abs 1 Z 2 BörseG und § 255 AktienG. Insofern liegen gesonderte Ansprüche vor, die sich nicht nur in der Rechtsgrundlage, sondern was entscheidend ist schon wegen der zusätzlichen subjektiven Voraussetzungen (Wissentlichkeit, Vorsatz) auch im anspruchsbegründenden Sachverhalt von der bloßen Haftung für fahrlässiges Verhalten unterscheiden. Insofern hat die Beklagte, worauf das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, (bisher) keine Verjährungseinrede erhoben. Die derzeit beim Obersten Gerichtshof in anderen Verfahren anhängige Frage, ob § 275 Abs 5 UGB als besondere Regel für die Verjährung von Ansprüchen gegen Abschlussprüfer auch solche Ansprüche erfasst, ist hier daher nicht zu prüfen. Soweit Ansprüche aufgrund fahrlässigen Verhaltens verjährt sind (oben 1.), wären die weiteren Ansprüche daher aus gegenwärtiger Sicht im fortgesetzten Verfahren inhaltlich zu prüfen.
3. Aus diesen Gründen muss der Rekurs der Beklagten im Ergebnis scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.