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OGH 24.08.2022, 7Ob113/22a

OGH 24.08.2022, 7Ob113/22a

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Stefula und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J* H*, vertreten durch Mag. Caroline Gewolf-Vukovich, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei D* AG, *, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 61/22k-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508 Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht seit ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, in dem die Ehefrau des Klägers mitversichert ist. Diesem liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1965/82) und die Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (SRB) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung

I. Versicherungsschutz (Artikel 1 bis 4)

Artikel 1

Gegenstand der Versicherung

(1) Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz, wenn dem Versicherten in der in der Polizze bezeichneten Eigenschaft (Kategorie) zur Wahrung rechtlicher Interessen Kostenzahlungen erwachsen:

a) bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Dritte wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts sowie des Amtshaftungsgesetzes;

[...]

II. Der Versicherungsfall (Artikel 5 bis 11)

Artikel 5

Begriff

Versicherungsfall im Sinne dieser Bedingungen ist das Ereignis, das

1. gemäß Artikel 1 Abs 1 lit a) den Schadenersatzanspruch des Versicherten ursächlich begründet; Fälle, in denen die Ursache, die die Leistungspflicht des Versicherers auslöst, fortbesteht und somit wiederholt Anlass zu Leistungen des Versicherers gehen, gelten als ein Ereignis.

[...]

Sonderbedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung

V. Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz

Artikel 1

Der Versicherer gewährt über den Versicherungsschutz des Artikels 1 Abs 1 lit a) der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 1965) hinaus im Bereich des

a) Privat-Rechtsschutzes (ERB 1965 C/I)

[...]

Rechtsschutz für die Kosten aus der gerichtlichen und/oder außergerichtlichen Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers betreffend bewegliche Sachen.“

[2] Der Kläger begehrt Deckung für die von seiner Ehefrau beabsichtigte Geltendmachung von auf sie infolge Einantwortung übergegangenen Schadenersatzansprüchen ihrer verstorbenen Mutter gegenüber ihrem Bruder, der unter Überschreitung seiner ihm von der Mutter eingeräumten Befugnisse zwischen Juli 2012 und deren Tod rechtswidrig und schuldhaft Geld und Ersparnisse nicht in ihrem Interesse und/oder nicht zu deren Vorteil verwendet haben soll.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht jedenfalls, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RS0121516). Dass die Auslegung von Versicherungsbedingungen, zu denen nicht bereits höchstgerichtliche Judikatur existiert, im Hinblick darauf, dass sie in aller Regel einen größeren Personenkreis betreffen, grundsätzlich revisibel ist, gilt nach ständiger Rechtsprechung dann nicht, wenn der Wortlaut der betreffenden Bestimmungen so eindeutig ist, dass kein Auslegungszweifel verbleiben kann (RS0121516 [T6]; 7 Ob 191/21w). Ein solcher Fall liegt vor:

[4] 2.1 Die vom Kläger bei einem Vergleich von Art 1.1a ARB und Art V.1 SRB angenommene Unklarheit nach § 915 ABGB liegt nicht vor. Art 1.1a ARB umschreibt den Rechtsschutzbaustein des Schadenersatz-Rechtsschutzes. Art V.1 SRB jenen des Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutzes.

[5] 2.2 Der Allgemeine Vertrags-Rechtsschutz in Art V.1 SRB umfasst – soweit hier von Interesse – Kosten der Verfolgung oder Abwehr von „Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers“.

[6] Aus der Forderung nach einem Vertrag des Versicherungsnehmers ergibt sich, dass als gedecktes Vertragsverhältnis nur ein solches gilt, in welchem der Versicherungsnehmer selbst Vertragspartei ist (vgl 7 Ob 211/17f zu Art 22.2.1.2 ARB 2003).

[7] 2.3 Damit folgt bereits aus dem insoweit völlig klaren Wortlaut der Bedingung, dass der Versicherungsschutz nur für die Geltendmachung/Abwehr von Ansprüchen besteht, die aus einem derartigen schuldrechtlichen Vertrag des Versicherungsnehmers (Versicherten) entstehen. Dass die zu Lebzeiten der Mutter aus deren schuldrechtlichen Vertrag mit ihrem Sohn entstandenen Ansprüche, die auf die Ehefrau des Klägers infolge Einantwortung übergingen, keine solchen sind, liegt auf der Hand.

[8] 3.1 Nach Art 5.1 ARB ist Versicherungsfall gemäß Art 1.1a ARB das Ereignis, das den Schadenersatzanspruch des Versicherten ursächlich begründet.

[9] 3.2 Die – auf die Klägerin übergegangenen – Schadenersatzansprüche der Mutter wurden zweifellos durch die behaupteten Verstöße des Bruders im Zeitraum von 2012 bis zum Tod der Mutter ursächlich ausgelöst. Die Einantwortung stellt – entgegen der Ansicht des Klägers – hingegen für sich genommen kein Ereignis dar, das einen Schadenersatzanspruch der Ehefrau ursächlich auslöste.

[10] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00113.22A.0824.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAD-33805