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OGH vom 21.11.2006, 4Ob193/06w

OGH vom 21.11.2006, 4Ob193/06w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Mag. Jürgen L*****, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1. Maria J*****, 2. I***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Heinz Neuner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.000 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 85/06x-20, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 10 Cg 60/05z-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 962,88 EUR (darin 160,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Herbst 2004 verwertete der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen einer Verlassenschaft eine in die Masse fallende Liegenschaft mit Haus in Wien 16 im Wege eines Freihandverkaufs. Am Erwerb der Liegenschaft waren neben der Erstbeklagten auch der Kläger und ein dritter Bieter interessiert. Am fanden sich die Bestbieter in der Kanzlei des Masseverwalters ein, unter ihnen auch der Kläger und die Erstbeklagte mit einem Makler, der sie über die Kaufgelegenheit informiert hatte. Der Makler schlug dem Kläger - im Einvernehmen mit der Erstbeklagten - vor, dieser könne von der Erstbeklagten 15.000 EUR für den Fall erhalten, dass er nicht mitbiete und es dadurch der Erstbeklagten oder einer juristischen oder physischen Person aus ihrem Naheverhältnis möglich sein sollte, die Liegenschaft um 245.000 EUR zu erwerben. Der Kläger war mit diesem Vorschlag einverstanden. Die Vereinbarung sollte nach dem Zuschlag schriftlich festgehalten und das vereinbarte Entgelt beim Makler als Treuhänder erlegt werden. In der Versteigerung erhielt das Unternehmen des Maklers, das für den Sohn der Erstbeklagten auftrat, den Zuschlag als Bestbieter. In der Folge weigerte sich die Erstbeklagte, einen vom Makler verfassten Treuhandvertrag zu unterschreiben und 15.000 EUR beim Makler als Treuhänder zu erlegen. Daraufhin schlug der Geschäftsführer der Zweitbeklagten, der die Erstbeklagte seit Jahren kannte und der auch den Makler ins Spiel gebracht hatte, vor, dass die Erstbeklagte das Geld treuhändig bei der Zweitbeklagten erlegen solle. Damit waren der Kläger und die Erstbeklagte einverstanden. Am verfassten der Geschäftsführer der Zweitbeklagten und der Kläger auf Firmenpapier der Zweitbeklagten folgende Vereinbarung:

„Frau Maria J***** erlegt bei I***** EUR 15.000,-- treuhändig. Der Betrag ist an Herrn Mag. Dipl. Ing. Jürgen L***** [...] auszuzahlen, so bald Herr Alexander J***** bzw. eine von ihm zu gründende GesmbH die Sicherheit hat, das Objekt 1160 Wien [...] um den Betrag von EUR 245.000,-- lastenfrei zu erwerben."

Dieser Text wurde vom Kläger, dem Sohn der Erstbeklagten und Erich L***** als Geschäftsführer der Zweitbeklagten unterfertigt. Diese Personen und die Erstbeklagte waren sich darüber einig, dass die Zweitbeklagte als Treuhänder fungieren und dem Kläger 15.000 EUR auszahlen sollte, wenn eine physische oder juristische Person aus dem Naheverhältnis der Erstbeklagten das gegenständliche Haus lastenfrei erworben hatte. Dem Masseverwalter war diese Vereinbarung nicht bekannt. In weiterer Folge erlegte die Erstbeklagte 15.000 EUR bei der Zweitbeklagten. Mit Kaufvertrag vom / verkaufte der Masseverwalter die Liegenschaft um 245.000 EUR an die L***** KEG, deren persönlich haftender Gesellschafter der Geschäftsführer der Zweitbeklagten und deren Kommanditistin die Erstbeklagte ist. Nach Genehmigung durch das Konkursgericht wurde die Käuferin als Alleineigentümerin im Grundbuch einverleibt. Der Kläger begehrt 15.000 EUR sA. Er habe die mit den Beklagten getroffene Vereinbarung erfüllt. § 177 Abs 4 EO komme nur im Exekutionsverfahren und bei einer gerichtlichen Verwertung im Konkurs, nicht aber bei einem Freihandverkauf zur Anwendung. Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Nur der Zweitbeklagte sei passiv legitimiert. § 177 Abs 4 EO gelte analog auch bei Versteigerungen und freiwilligen Feilbietungen nach der KO. Schutzzweck der Norm sei es, Schädigungen Dritter durch nicht marktkonforme Preise zu verhindern. Die abgeschlossene Vereinbarung sei gesetz- und sittenwidrig und verstoße gegen Treu und Glauben. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 177 Abs 4 EO finde mangels gerichtlicher Veräußerung nicht unmittelbar Anwendung. Seit der Insolvenzrechts-Novelle 2002 sei Massevermögen vorrangig durch freihändige Veräußerung zu verwerten, um einen möglichst hohen Erlös zu erzielen. Nach ihrem Zweck sei die Bestimmung des § 177 Abs 4 EO analog auch auf den Freihandverkauf anzuwenden. Danach sei die Vereinbarung, auf die sich der Kläger stütze, gesetzwidrig, jedenfalls auch sittenwidrig. Abgesehen davon sei im Rechtsstreit um Treugut nur der Treuhänder passiv legitimiert.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit des § 177 Abs 4 EO auf Vereinbarungen im Zuge von Freihandverkäufen im Konkursverfahren zulässig sei. § 177 Abs 4 EO sei seiner Entstehungsgeschichte und seinem Zweck nach auch auf Freihandverkäufe des Masseverwalters anzuwenden; es liege eine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke vor. Unzutreffend sei, dass der Gesetzgeber Vereinbarungen wie die klagsgegenständliche für Freihandverkäufe bewusst nicht habe untersagen wollen, sei doch die kridamäßige Veräußerung bereits vor der Insolvenzrechtsnovelle 2002 nur eine subsidiäre Verwertungsform gewesen. Das Argument, die Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen sei ein notwendiges Gegengewicht zur Macht des Veräußerers, alleine über den Verkauf zu entscheiden, überzeuge nicht. Der Masseverwalter sei nämlich - anders als ein privater Verkäufer - zur Verwertung des zur Konkursmasse gehörigen Vermögens verpflichtet. Auch habe der Masseverwalter fremde Interessen wahrzunehmen. Eine freihändige Veräußerung im Rahmen des Konkursverfahrens stehe im Hinblick auf den Zweck der auszulegenden Bestimmung einer kridamäßigen Veräußerung wesentlich näher als einem Verkauf durch einen Privaten. Dies zeige sich auch darin, dass bei einer freihändigen Veräußerung die Verteilung des Verwertungserlöses vom Konkursgericht vorzunehmen sei. Selbst wenn man das Vorliegen einer planwidrigen Lücke verneinen wollte, wäre die vorliegende Vereinbarung nach der Generalklausel des § 879 ABGB sittenwidrig und damit nichtig. Wären solche Vereinbarungen durchsetzbar, würden bei - nunmehr im Regelfall vorzunehmenden - Freihandverkäufen keine marktkonformen Preise erzielt. Aus der Nichteinhaltung einer ungültigen Zusage könne auch kein Schadenersatzanspruch abgeleitet werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger bezweifelt auch in dritter Instanz, dass bei den Vorschriften über die freihändige Verwertung eine planwidrige Lücke bestehe, die mittels analoger Anwendung des § 177 Abs 4 EO zu schließen sei. Dem Gesetzgeber sei das in § 177 Abs 4 EO geregelte Problem zweifellos bekannt, er habe es jedoch trotz zahlreicher Novellen unterlassen, eine entsprechende Regelung auch für Freihandverkäufe in die Konkursordnung aufzunehmen. Der Masseverwalter werde beim Freihandverkauf nicht als gerichtliches Organ tätig; er unterliege zwar der gerichtlichen Aufsicht, handle aber wie jeder andere private Verkäufer. Unter Privaten sei eine Vereinbarung wie die hier zu beurteilende zulässig. Dem Masseverwalter sei keine Sonderstellung einzuräumen.

1. Der Masseverwalter hat das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zu verwerten (§ 114 Abs 1 KO). Die Konkursordnung schreibt ihm keine bestimmte Verwertungsart vor. § 119 Abs 1 KO ordnet nur an, dass die zur Konkursmasse gehörenden Sachen - sofern nicht eine andere Verwertungsart beschlossen wird - auf Antrag des Masseverwalters gerichtlich zu veräußern sind. Der Masseverwalter unterliegt daher bei der Wahl der Verwertungsart - abgesehen von der Wahrung der gemeinsamen Interessen (§ 81 Abs 2 KO) - grundsätzlich keinen Beschränkungen (Nadler, Unternehmensverkauf durch den Masseverwalter 75 ff). Er kann prinzipiell drei Wege beschreiten: Die gerichtliche Veräußerung, den Freihandverkauf und die Ausscheidung.

2. Auf gerichtliche Veräußerungen sind die Vorschriften der Exekutionsordnung - mit bestimmten, im Anlassfall nicht berührten Abweichungen - sinngemäß anzuwenden (§ 119 Abs 2 KO).

3. § 177 Abs 4 EO idF der EO-Novelle 2000 übernimmt die Bestimmung des Hofkanzleidekrets JGS 277/1838 vom 6. 6. 1838, Nr 277, mit teilweise inhaltlichen Änderungen. Danach sind Vereinbarungen ungültig, wonach jemand verspricht, bei einer Versteigerung als Mitbieter nicht zu erscheinen oder nur bis zu einer bestimmten Höhe oder sonst nur nach vorgegebenem Maßstab oder gar nicht mitzubieten. Die Bestimmung will unerwünschten Machinationen begegnen, damit das Versteigerungsgeschehen unter realistischen (Markt-)Bedingungen ablaufen und die Zahlungsbereitschaft der Interessenten im Zuge des Zwangsversteigerungsverfahrens voll ausgeschöpft werden kann (Breinl in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 177 Rz 9).

4. Seit der Insolvenzrechtsnovelle 2002, BGBl I 2002/75, wird der freihändigen Verwertung (vor allem) von Liegenschaften der Vorrang gegenüber der gerichtlichen Veräußerung eingeräumt. Dies entspricht der praktischen Erfahrung, dass freihändige Verwertungen in aller Regel einen - zum Teil wesentlich - höheren Erlös erzielen (Mohr, Insolvenzrecht 2002, 64; vgl auch EB zur RV 988 BlgNR 21. GP 31). Die - nunmehr als Ausnahme gedachte - gerichtliche Veräußerung wird der Masseverwalter nur dann beantragen, wenn sie ausnahmsweise größeren Erfolg verspricht als die freiwillige Veräußerung. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn er bereits erfolglos versucht hat, eine Immobilie zu verkaufen (Rechberger, Die Immobilie in der Insolvenz, in Rechberger/Kletecka, Bodenrecht in Österreich, 450).

5. Eine Gesetzeslücke ist dann nachgewiesen, wenn das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und die Ergänzung nicht vom Gesetz gewollten Beschränkungen widerspricht (RIS-Justiz RS0098756 [T6]; RS0008866 [T5]). Ob dies der Fall ist, ist auf Grund der Rechtsordnung einschließlich aller auch als Auslegungskriterien heranzuziehenden Maßstäbe zu beurteilen. Eine teleologische Lücke liegt vor, wenn die - mit Hilfe der Interpretationsregeln ermittelte - ratio legis (das höhere Rechtsprinzip) in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung (der Werttendenz) einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall fordert (4 Ob 7/04i = SZ 2004/33 mwN).

6. Der Umstand, dass der Gesetzgeber bei der freihändigen Verwertung von zur Konkursmasse gehörenden Sachen durch den Masseverwalter die sinngemäße Anwendung des § 177 Abs 4 EO nicht angeordnet hat, spricht nach Auffassung des Senats für die Annahme einer planwidrigen Gesetzeslücke, die im Wege der Gesetzesanalogie geschlossen werden muss. Die dem Verbot bestimmter gläubigerschädigender Vereinbarungen im Fall der gerichtlichen Veräußerung zugrunde liegenden Wertungen können im Analogieschluss wegen der vergleichbaren Interessenlage der Betroffenen auf den ungeregelten Fall der freihändigen Verwertung durch den Masseverwalter erstreckt werden. Dass der Gesetzgeber bewusst § 177 Abs 4 EO zwar für den gerichtlichen Verkauf im Konkursverfahren, nicht jedoch für die (nunmehr vorrangige) Verwertungsart des Freihandverkaufs für anwendbar erklären wollte, ist nicht zu erkennen: Weder ist diese Frage bisher von der Lehre oder von der Rechtsprechung angesprochen worden, noch sind Gründe vorstellbar, die eine solche Ungleichbehandlung der Konkursgläubiger je nach der gewählten Verwertungsart rechtfertigen könnten.

7. Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, dass der Masseverwalter beim Freihandverkauf einem privaten Verkäufer schon deshalb nicht gleichgehalten werden kann, weil er fremde Interessen zu vertreten hat und zur Verwertung der Konkursmasse verpflichtet ist, weshalb er bei nicht marktkonformen Angeboten die Verwertung nicht für längere Zeit aufschieben oder gänzlich unterlassen kann.

8. Dem Hofkanzleidekret JGS 277/1838 vom 6. 6. 1838, Nr 277, zuwiderlaufende Vereinbarungen waren nach einhelliger Auffassung nichtig (RIS-Justiz RS0003068; 1 Ob 502/92 = JBl 1992, 386 mwN). Für gegen § 177 Abs 4 EO verstoßende Vereinbarungen kann nichts anderes gelten: Verbietet die Rechtsordnung bestimmte Rechtsgeschäfte, um deren Rechtsfolge zu verhindern, dann ist die Nichtigkeit des Geschäfts die Folge der Verbotswidrigkeit (RIS-Justiz RS0016454).

9. Der Revisionswerber macht schließlich noch geltend, er habe seinen Anspruch gegenüber der Zweitbeklagten auch auf die Treuhandvereinbarung gestützt. Ein Treuhänder habe bei Vorliegen der Auszahlungsbedingungen das Treugut auszufolgen und nicht die zugrunde liegende Vereinbarung zu prüfen oder sonst einer Beurteilung zu unterziehen.

Der Revisionswerber hat in der Berufung nur insoweit auf die Treuhandvereinbarung Bezug genommen, als er ausgeführt hat, es werde entscheidungswesentlich sein, ob die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten - und darauf aufbauend auch die Treuhandvereinbarung zwischen dem Kläger, der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten - wirksam zustande gekommen oder im Sinne der Urteilsausführungen nichtig sei. Der Rechtsmittelwerber hat damit richtig erkannt, dass die allein der Sicherung des vereinbarten Entgelts dienende Treuhandvereinbarung das Schicksal der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten teilt. Ist die Vereinbarung - wie oben dargelegt - wegen Verstoßes gegen den analog anzuwendenden § 177 Abs 4 EO ungültig, so kann der vereinbarte Betrag auch nicht aufgrund der Treuhandvereinbarung gefordert werden. Nach § 177 Abs 4 Satz 2 EO können die für die Erfüllung (ua) der Vereinbarung, nicht mitzubieten, zugesicherten Beträge nämlich nicht eingeklagt werden; § 177 Abs 4 Satz 3 EO bestimmt, dass wirklich gezahlte oder übergebene Beträge zurückgefordert werden können. Das Gesetz unterscheidet nicht, ob sich die Klage (oder der Rückforderungsanspruch) unmittelbar gegen den Vertragspartner oder gegen einen Dritten richtet, den die Vertragsparteien als Treuhänder eingesetzt haben. In beiden Fällen schließt die Ungültigkeit der Vereinbarung einen Anspruch auf Zahlung aus.


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10.
Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.
11.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.