OGH vom 28.09.2021, 4Ob108/21t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Hon.-Prof. PD Dr. Rassi sowie die Hofrätinnen Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers H*****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte Ö***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Stefano Alessandro, Rechtsanwalt in St. Andrä-Wördern, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 44/21d-23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der klagende Verein und die beklagte Gesellschaft beschäftigen sich ua mit Altkleidersammlung.
[2] Das Erstgericht hat gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung erlassen, wonach ihr aufgetragen wurde,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr beim Sammeln von Textilien und Schuhen in Altkleidersammelcontainern in Österreich Namen und/oder Logos von karitativen Organisationen, wie zB des Roten Kreuzes oder von Kolping, blickfangartig in den Vordergrund zu stellen, sodass der Eindruck entsteht, dass diese Organisationen entweder die Sammlung selbst organisieren oder durchführen, oder dass diese zumindest den Großteil des mit der Sammlung erwirtschafteten Gewinns erhalten, wenn dies tatsächlich nicht zutrifft, wie insbesondere durch die Verwendung von Beschriftungen auf Altkleidersammelcontainern wie folgt:
[3] Die Aufmachung sei als irreführende Geschäftspraktik nach § 2 UWG zu beurteilen, zumal – der Wahrheit zuwider – suggeriert werde, dass die Kleidersammlung unter der Verantwortung der beiden genannten karitativen Einrichtungen erfolge, diese aber jedenfalls einen nicht unbeträchtlichen Teil des Erlöses erhielten. Beim Spender trete das Motiv des Spendens nicht hinter jenes der Entsorgung zurück. Die Beklagte habe nicht einmal behauptet, dass die karitativen Einrichtungen einen nicht unbeträchtlichen Teil des Erlöses erhielten.
[4] Das bestätigte diese Entscheidung, bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.
[5] Die Beklagte beantragt in ihrem , die Beschlüsse der Vorinstanzen als nichtig aufzuheben, in eventu den Sicherungsantrag abzuweisen oder die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Diese seien nichtig, weil die einstweilige Verfügung hinsichtlich der Begriffe „blickfangartig“ und „Großteil“ zu unbestimmt und nicht vollstreckbar sei. In ihrer Verfahrensrüge bemängelt sie die Nichtanwendung von § 26h UWG (Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen im Verlauf von Gerichtsverfahren), in ihrer Rechtsrüge eine unvertretbare Auslegung des § 2 UWG, da die karitativen Organisationen mit dem Erhalt ihres Anteils an den Erlösen aus der Altkleidersammlung höchst zufrieden seien.
Rechtliche Beurteilung
[6] Damit zeigt die Beklagte jedoch keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts und somit keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Revisionsrekurs ist daher und folglich zurückzuweisen.
[7] 1. „Nichtigkeit“
[8] 1.1. Beim Erfordernis der Bestimmtheit des Klagebegehrens als Voraussetzung für einen tauglichen Exekutionstitel handelt es sich um eine prozessuale Klagsvoraussetzung, deren Vorhandensein von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren zu prüfen ist (RISJustiz RS0037469).
[9] 1.2. Ein Klagebegehren ist in der Regel unbestimmt, wenn ein stattgebendes Urteil nicht Grundlage einer Exekution sein könnte (RS0000799 [T3]). Eine jeden Zweifel und jede objektive Ungewissheit ausschließende Präzisierung des Klagebegehrens ist nur bei Geldleistungsklagen zu verlangen; bei anderen Klagen ist dem Erfordernis des § 226 ZPO hinsichtlich der Bestimmtheit des Klagebegehrens jedenfalls dann genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnehmen kann, was begehrt ist (RS0037874). Bei Unterlassungsbegehren ist eine gewisse allgemeine Fassung in Verbindung mit Einzelverboten zwar meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots allzu leicht zu machen (RS0037607; vgl auch RS0000845, RS0079278 [T1]). Dennoch muss das verbotene Verhalten so deutlich umschrieben sein, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein künftiges Verhalten dienen kann. Diesem Erfordernis genügen nicht näher konkretisierte, allgemeine Begriffe nicht, sondern es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (RS0119807). Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab. Die Anforderungen sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (RS0037874 [T33]).
[10] 1.3. Das Rekursgericht ist bei seiner Entscheidung von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung nicht abgewichen. Dass ein Verbot der „blickfangartigen“ Bewerbung mit einem Zeichen ausreichend bestimmt ist, kann sich ebenso auf Entscheidungen des Senats zu vergleichbaren Unterlassungsbegehren stützen (4 Ob 142/94; vgl auch 4 Ob 168/20i [Rn 24]), wie die Verwendung des Begriffs „Großteil“ (4 Ob 234/03w [„überwiegend“]; 4 Ob 182/15s [„überwiegend oder größtenteils, wenn wahrheitswidrig“]).
[11] 2. Mangelhaftigkeit
[12] 2.1. Das von der Beklagten gerügte Unterbleiben eines Vorgehens nach § 26h UWG betrifft eine Mangelhaftigkeit erster Instanz. Das Rekursgericht hat die dagegen gerichtete Mängelrüge nicht unbehandelt gelassen, sondern ausgeführt, die Beklagte habe die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses (Geheimhaltungsmaßnahmen, rechtliches Interesse im Sinn eines kommerziellen Werts an der Geheimhaltung der konkreten Information) nicht behauptet (vgl 4 Ob 188/20f [Rn 30]), weshalb kein Verfahrensmangel gegeben sei. Es hat sich damit inhaltlich mit der Mängelrüge befasst, die somit in dritter Instanz nicht erneut aufgegriffen werden kann (RS0043919, RS0042963 [T4, T 49]).
[13] 2.2. Die Entscheidung des EGMR 17056/06, Micallef gegen Malta, hat daran nichts geändert (vgl RS0028350 [T10]; RS0074799 [T13]; 4 Ob 106/18v).
[14] 2.3. Eine Überraschungsentscheidung liegt schon deswegen nicht vor, weil bereits das Erstgericht dieselbe Ansicht vertreten hat.
[15] 3. Rechtsrüge
[16] 3.1. Wie die angesprochenen Kreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel ebenso wenig eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0107771; RS0043000; RS0053112) wie die Frage, ob eine andere Beurteilung vertretbar ist (RS0107768).
[17] 3.2. Die Ausführungen des Revisionsrekurses betreffen zum überwiegenden Teil Rechtsprechung zur sonstigen Unlauterkeit einer Werbung mit Spenden an karitative Organisationen (vgl RS0121474; RS0109992) und lässt außer Acht, dass sich der Vorwurf der Unlauterkeit hier auf § 2 UWG gründet. Dazu hat der Senat bereits ausgesprochen, dass die unrichtige Behauptung einer Spende eines Teils der Einnahmen für wohltätige Zwecke eine relevante Irreführung begründen kann (4 Ob 109/90).
[18] 3.3. An dieser Rechtsprechung haben die Vorinstanzen angeknüpft, wenn sie davon ausgegangen sind, die Beklagte erwecke gegenüber dem gut unterrichteten, angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbraucher den unrichtigen Eindruck, alle von ihr im Rahmen der beanstandeten Kleidersammlung erzielten Einnahmen (oder zumindest der größte Teil davon) kämen bestimmten karitativen Organisationen zugute, während diesen in Wirklichkeit nur ein geringer Bruchteil des Erlöses zufließt, worüber aufzuklären gewesen wäre (vgl RS0124472). Diese Beurteilung im Einzelfall hält sich im Rahmen des den Vorinstanzen in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraums. Dass die auf den Sammelbehältern blickfangartig hervorgehobenen karitativen Organisationen mit ihrem Anteil am Erlös zufrieden sind, wie das Rechtsmittel behauptet, vermag an der aufgezeigten Täuschungseignung nichts zu ändern.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00108.21T.0928.000 |
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