OGH vom 14.05.2001, 4Ob108/01p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heidi P*****, vertreten durch Dr. Markus Ch. Weinl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Hans P***** , vertreten durch Mag. Martin Mennel, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Feststellung der Unwirksamkeit gerichtlicher Vergleiche (AZl 4 C 666/97m des Bezirksgerichtes Bludenz), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck in Ablehnungssachen vom , GZ 3 Nc 6/01t-2, womit der Ablehnungsantrag der klagenden Partei für nicht berechtigt erkannt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antrag auf Zuspruch von Prozesskosten wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom , 4 Ob 328/00i, welcher der durch ihren Bruder rechtsfreundlich vertretenen Klägerin am zugestellt wurde, bestätigte der erkennende Senat einen Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck, mit dem die (bereits zweite) Ablehnung sämtlicher Richterinnen und Richter des Landesgerichtes Feldkirch einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten für nicht berechtigt erachtet wurde; hinsichtlich des bisherigen Ganges des Verfahrens und die damals geltend gemachten Ablehnungsgründe wird auf diese Entscheidung verwiesen.
Elf Tage nach Zustellung dieses Beschlusses erklärte die Klägerin eine dritte Ablehnung sämtlicher Richterinnen und Richter des Landesgerichtes Feldkirch einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten. Neben über weite Strecken wörtlichen Wiederholungen ihres Vorbringens im vorangegangenen Ablehnungsverfahren behauptete sie als neu hervorgekommene Befangenheitsgründe einerseits, der für Ablehnungsanträge zuständige Senat des Landesgerichtes F***** habe es im Verfahren über den zu 11 C 7/00w des Bezirksgerichtes F***** (1 Nc 34/00t) eingebrachten Ablehnungsantrag unterlassen, den vorgebrachten Sachverhalt von Amts wegen zu prüfen und habe zu den dort geltend gemachten Ablehnungsgründen nicht die betroffenen Richter, sondern (nur) den Beklagtenvertreter als Zeugen einvernommen, andererseits, zwei Richter des betreffenden Senats würden zusammen mit dem Vorsteher des Bezirksgerichtes F***** im Chor des Landesgerichtes F***** singen.
Das Erstgericht hielt die Ablehnung für nicht berechtigt. Schwerwiegende Verfahrensverstöße im Ablehnungsvefahren 1 Nc 34/00t, aus denen allenfalls eine Befangenheit von Richtern des Landesgerichtes F***** abgeleitet werden könne, zeige die Klägerin nicht auf; für sich allein begründe auch das gemeinsame Singen in einem Chor noch keinen Anschein einer Befangenheit. Wegen rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Ablehnungsrechts seien keine Äußerungen der abgelehnten Richter einzuholen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Nichtigkeit liegt nicht vor: Dass der Klägerin die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch ungesetzlichen Vorgang entzogen worden wäre (§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO), ist ebensowenig zu erkennen wie eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs. Soweit nämlich das Gericht - wie hier - im Einklang mit dem Gesetz ohne Zuziehung einer Partei tätig wird (gem § 24 Abs 1 ZPO wird über die Ablehnung ohne mündliche Verhandlung entschieden: Ballon in Fasching JN**2 § 24 Rz 1), liegt mangels ungesetzlichen Vorganges der Tatbestand nicht vor (Kodek in Rechberger, ZPO**2 § 477 Rz 7).
Das Erstgericht hat aus rechtlichen Erwägungen die Ablehnung für nicht berechtigt erachtet; es begründet daher keinen (primären) Verfahrensmangel, wenn Erhebungen oder Einvernahmen über die behaupteten Ablehnungsgründe nicht durchgeführt worden sind. Angesichts der raschen Abfolge der inhaltlich weitgehend deckungsgleichen Ablehnungen durch die Klägerin begründet es noch keine Bedenken einer Befangenheit, wenn damit befasste Senate im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung und -ökonomie dann von der Einholung einer wiederholten Äußerung der betroffenen Richter gem § 22 Abs 2 JN absehen, wenn - wie hier - keine wesentliche Änderung der Umstände seit dem vorangegangenen Ablehnungsverfahren erkennbar ist.
Gemäß § 22 Abs 3 JN obliegt es den Parteien, die Tatsachen, auf die sich die Ablehnung stützt, glaubhaft zu machen (Ballon aaO § 24 Rz 1). Glaubhaft zu machen ist, dass sich der Richter von anderen als von sachlichen Gesichtspunkten bei der Entscheidungsfindung leiten lassen würde. Die Ablehnung soll aber nicht die Möglichkeit bieten, dass sich Parteien eines nicht genehmen Richters entledigen können; der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung in Ergänzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gebietet eine ausgewogene Vorgangsweise bei der Ablehnung (Ballon aaO § 19 Rz 5; ÖJZ-LSK 1998/151 = EFSlg 87.934).
In erster Linie kommen als Befangenheitsgründe private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien oder zu ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen (JBl 1990, 122; 1 N 502/00 uva).
Auch ein Naheverhältnis zu Zeugen - wie es hier von der Klägerin in Ansehung des Zeugen Dr. S***** geltend gemacht wird - kann eine Befangenheit begründen, zumal bei widersprüchlichen Beweisergebnissen das Beurteilungsvermögen des Richters im Rahmen der Beweiswürdigung hiedurch beeinflusst werden kann oder zumindest der Anschein bestehen könnte, dass die Beweiswürdigung des Richters durch ein solches Naheverhältnis und darin begründete emotionale Komponenten mitbestimmt wird (JBl 1990, 122). Das gemeinsame Singen von Richtern in einem Chor, dem - neben anderen Kollegen - auch ein Richter angehört, der in einem Verfahren als Zeuge über dienstliche Wahrnehmungen ausgesagt hat, begründet für sich allein jedoch noch keinen Anschein, das Beurteilungsvermögen der übrigen Richter, die ebenfalls Chormitglieder sind, könnte im Rahmen einer Beweiswürdigung beeinträchtigt sein.
Dem Rekurs ist ein Erfolg zu versagen.
Im Ablehnungsverfahren als einseitigem Verfahren gibt es nach dem Gesetz keine Kostenersatzpflicht (Mayr in Rechberger, ZPO**2 § 24 JN Rz 6; SZ 63/24; 1 Ob 191/00w; 4 Ob 328/00i uva). Das Kostenersatzbegehren ist daher - unabhängig von der Frage nach dem Erfolg des Ablehnungsantrags - abzuweisen.