OGH vom 11.06.2018, 4Ob191/17t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin R***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagten 1. S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Philipp Götzl, Rechtsanwalt in Salzburg, 2. A***** GmbH, *****, vertreten durch Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 254.855,33 EUR sA, über die Revision der Klägerin gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 94/17g-16, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 1 Cg 132/16b-9, hinsichtlich der Erstbeklagten bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Erstbeklagten binnen 14 Tagen die mit 2.787,84 EUR (darin 464,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist ein in ***** ansässiges Busunternehmen. Sie verfügt(e) über eine Konzession zum Betrieb der Kraftfahrlinie 8249 (***** Bahnhof – ***** Markt inklusive Schibus *****), auf deren Grundlage sie unter anderem den Schibus Nord betrieb.
Die Erstbeklagte steht als öffentliches Unternehmen im Alleineigentum des Landes *****. Ihre Aufgaben als Verkehrsverbund-Organisationsgesellschaft (unter anderem die Abwicklung von Verkehrsdienstverträgen, die Bestellung von Verkehrsdienstleistungen im Kraftfahrlinienverkehr und Ausschreibungsverfahren im Auftrag von Gebietskörperschaften oder von Dritten) sind im ÖPNRV-Gesetz geregelt.
Die Zweitbeklagte ist ein Verkehrsunternehmen, das öffentliche Personenverkehrsdienste unter anderem im ***** und in ***** anbietet.
Die nimmt beide Beklagten auf Schadenersatz mit der Begründung in Anspruch, die von ihr eigenwirtschaftlich geführte konzessionierte Kraftfahrlinie werde von der Erst- und der Zweitbeklagten zu Unrecht konkurrenziert. Obwohl sie über eine aufrechte eigenwirtschaftliche Konzession zum Betrieb der Linie Schibus Nord bis zum verfügt habe, habe die Erstbeklagte die zum Schibus Nord parallel laufende Linie SVV 566 im Rahmen des Vergabeverfahrens „Schi- und Citybusverkehr ***** Saison 2014/2015“ ausgeschrieben und im Jänner 2015 im Rahmen des Vergabeverfahrens einen Verkehrsdienstevertrag mit der Zweitbeklagten bis zu den SVV-Linien 559/561, 566, 568 und 557/559 abgeschlossen. Durch die Ausschreibung und den Abschluss des Verkehrsdienstevertrages mit der Zweitbeklagten habe sie die Linie unzulässig konkurrenziert. Der Verkehrsdienstevertrag habe eine Linienführung der Linie 566 zum Nulltarif vorgesehen, weshalb der Schibus Nord von der Klägerin nicht mehr wirtschaftlich betrieben habe werden können und sie einen erheblichen Schaden erlitten habe.
Die Zweitbeklagte habe – neben dem Abschluss des Verkehrsdienstevertrages mit der Erstbeklagten – vom bis zum die SVV-Linie 566 ohne Konzession nach dem Kraftfahrliniengesetz zum Nulltarif betrieben und zugleich die Fahrplanaushänge der Klägerin für den Schibus Nord von den gemeinsam angefahrenen Haltestellen wiederholt widerrechtlich entfernt. Sie habe am einen Antrag auf Erteilung einer Konzession nach dem Kraftfahrliniengesetz für die Linie 566, die im Wesentlichen der Linie Schibus Nord entspreche, gestellt und es dabei unterlassen, im Antragsformular auf die Klägerin und die von ihr bediente Linie hinzuweisen. Dadurch sei die Klägerin im Konzessionserteilungsverfahren zunächst nicht gehört worden und habe keine Einwendungen erheben können. Daraufhin sei der Zweitbeklagten vorerst am eine Konzession zum Betrieb der Linie 566 erteilt worden; letztendlich sei der Konzessionsantrag aber rechtskräftig abgewiesen worden. Die Klägerin habe entsprechend dem Fahrplan weiterhin versucht, die Linie Schibus Nord zu betreiben, was aber unmöglich geworden sei, weil sich beinahe sämtliche Fahrgäste geweigert hätten, einen Fahrpreis für die Beförderung zu entrichten. Vor der Wintersaison 2013/2014 habe die Klägerin von den ***** Bergbahnen AG einen (indexierten) Tagessatz je Betriebstag des Schibusses Nord für die Beförderung der Schigäste erhalten. Aufgrund des Vorgehens der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten habe sie für die Wintersaisonen 2014/2015 und 2015/2016 keine Zahlungen der Bergbahnen AG bekommen. Vor diesem Hintergrund wären die Schigäste auf der Linie Schibus Nord zum Regelbeförderungspreis von brutto zwei EUR zu befördern gewesen. Obwohl das Landesverwaltungsgericht ***** am den Bescheid zur Erteilung der Konzession an die Zweitbeklagte aufgehoben habe, habe diese fortgesetzt die Fahrplanaushänge der Klägerin entfernt und die Linie SVV 566 konzessionslos noch bis zum zum Nulltarif betrieben. Der eigenwirtschaftliche Linienbetrieb der Klägerin sei dadurch unmöglich geworden. Die Zweitbeklagte habe um drohende Schadenersatzansprüche der Klägerin gewusst. Der geltend gemachte Schaden bestehe im Entfall der Zahlungen der ***** Bergbahnen AG sowie in den Erlösausfällen infolge Entfalls der Mitbedienung der Kraftfahrlinie SVV 561 und 568 in den Wintersaisonen 2014/2015 und 2015/2016, abzüglich der Ersparnisse infolge entfallener Wegstrecken. Darüber hinaus würden Kosten, die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der beantragten Konzession der Zweitbeklagten entstanden seien, geltend gemacht, nämlich Vertretungskosten und notwendige Kosten der Anreise und Anwesenheit des Geschäftsführers der klagenden Partei.
Die wendeten die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil ein Vergabefeststellungserkenntnis im Sinn des § 341 Abs 1 BVergG oder im Sinn des § 331 Abs 2 BVergG fehle. Darüber hinaus wendete die Erstbeklagte ein, eine allenfalls im Konzessionserteilungsverfahren aufgetretene Rechtswidrigkeit sei nicht ihr als Verbundorganisation zuzurechnen. Zwischen der Verkehrsverbundorganisation und der Klägerin bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, die Erstbeklagte sei nur ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Personennahverkehrs nachgekommen. Im Übrigen sei die Klägerin von ihrer Betriebspflicht für den Citybus Nord mit enthoben worden, weshalb ihr kein Schaden entstanden sein könne.
Das wies die Klage ab. Die Erstbeklagte sei als Verkehrsverbundunternehmen verpflichtet, Linienverkehre, insbesondere Strecken ohne Eigenwirtschaftlichkeit nach dem KflG unter Berücksichtigung der anwendbaren Bestimmungen des Vergabegesetzes auszuschreiben und im Wege der Ausschreibung einen geeigneten Personenkraftverkehrs- unternehmer zu ermitteln (§ 23 Abs 2 KflG). Eine behauptete Rechtswidrigkeit habe daher einen vergaberechtlichen Konnex. Eine Schadenersatzklage sei nur nach einem Feststellungserkenntnis nach § 341 Abs 1 BVergG zulässig. Weder der Konzessionsbescheid der Kraftfahrlinie 8249 noch der Bescheid über die Wiedererteilung der Konzession seien Feststellungen der Vergabekontrollbehörde im Sinne des § 341 Abs 2 BVergG, sodass es an der erforderlichen Grundlage für einen Schadenersatzanspruch gegen die Erstbeklagte fehle.
Das bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich der Erstbeklagten mit Teilurteil und hob das Urteil in Ansehung der Zweitbeklagten als nichtig auf, weil das Erstgericht Feststellungen aus dem Parallelverfahren 1 Cg 38/16d getroffen habe, ohne den Akt zu verlesen oder zu erörtern. Diese Nichtigkeit werde der Erstbeklagten gegenüber nicht schlagend, weil bereits die Schlüssigkeitsprüfung zur Abweisung der Klage gegen die Erstbeklagte führe.
Der Oberste Gerichtshof habe zu 4 Ob 267/16t klargestellt, dass jedenfalls die Tarifgestaltung in einem von der öffentlichen Hand organisierten und mitfinanzierten Verkehrsverbund nicht marktbezogen als Ergebnis der Wechselwirkung zwischen konkurrierenden Angeboten und der Nachfrage, sondern im öffentlichen Interesse der betroffenen Gebietskörperschaften unter Verwendung öffentlicher Finanzmittel erfolge und damit insoweit ein privatrechtliches Handeln der öffentlichen Hand ohne unternehmerischen Charakter vorliege, das mangels marktbezogener wirtschaftlicher Tätigkeit keiner lauterkeitsrechtlichen Verhaltenskontrolle unterliege. Damit fehle es auch hier bei dem von der Klägerin beanstandeten Verhalten der Erstbeklagten (Ausschreibung eines gemeinwirtschaftlichen Verkehrs unter Zuhilfenahme öffentlicher Mittel) am Tatbestand eines Handelns im geschäftlichen Verkehr, weshalb das Erstgericht die Klage insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen habe.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage, inwieweit über die Tarifgestaltung hinaus bereits die Bestellung und Beauftragung eines nicht kommerziellen Verkehrsdienstes bei Bestehen einer konzessionierten, kommerziellen Linie durch ein Verkehrsverbundorganisationsunternehmen nicht als Handeln im geschäftlichen Verkehr anzusehen und damit der Lauterkeitskontrolle entzogen sei, der Klarstellung bedürfe und diese Frage im Hinblick auf die Vielzahl von Verkehrsverbundorganisationen und von diesen beauftragten Linien (Kraftfahrdiensten) über die Beurteilung im Einzelfall hinausgehe.
Gegen dieses Teilurteil richtet sich die der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, dass auch in Ansehung der Erstbeklagten das Urteil des Erstgerichts als nichtig aufgehoben werde. In ihrer Revision regt die Klägerin auch die Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH an.
Die Erstbeklagte beantragt in ihrer , die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist mangels erheblicher Rechtsfrage .
Der Senat hat im Parallelverfahren 4 Ob 158/17i den Schadenersatzanspruch der Klägerin (auch dieses Verfahrens) gegen den Kur- und Tourismusverband Bad Hofgastein, der die hier Erstbeklagte mit der gegenständlichen Ausschreibung der Buslinien beauftragt hatte, beurteilt und mit ausführlicher Begründung verneint.
Die dortige rechtliche Beurteilung ist auch für den vorliegenden Fall, der im Wesentlichen den selben Sachverhalt betrifft (nur dass im ersten Fall der Tourismusverband belangt wurde, hier hingegen ua der Verkehrsverbund, der die Ausschreibung im Auftrag des Tourismusverbands durchgeführt hat) zutreffend.
Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage, ob die der Erstbeklagten angelasteten Handlungen solche im geschäftlichen Verkehr iSv § 1 UWG sind, kommt es auch hier nicht an, weil (wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt) die (auch hier) von der Klägerin geltend gemachte Anspruchsgrundlage nicht geeignet ist, den behaupteten Rechtsbruch zu begründen. Aus demselben Grund bedarf es auch keiner Vorabentscheidung durch den EuGH.
Die übrigen von der Revisionswerberin aufgeworfenen Rechtsfragen wurden bereits in der zitierten Vorentscheidung des Senats abgehandelt. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS-Justiz RS0112921 [T5]). Wegen der Klärung der hier entscheidungswesentlichen Rechtsfragen durch die Entscheidung 4 Ob 158/17i sind die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen nicht (mehr) als erheblich einzustufen. Das Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.
Für die Kostenentscheidung ist allerdings zu beachten, dass die Erstbeklagte die Unzulässigkeit der Revision bei Einbringung ihrer Rechtsmittelbeantwortung nicht erkennen konnte, weil zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung 4 Ob 158/17i noch nicht abgefertigt war. Die Kosten der Revisionsbeantwortung sind unabhängig davon zuzusprechen, ob ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen wurde (4 Ob 74/17m mwN).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00191.17T.0611.000 |
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