OGH vom 28.08.2020, 6Ob173/20i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger, Dr. Roger Reymann, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei P*****, Großbritannien, vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 335.914,54 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 37/20y-66, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom , GZ 26 Cg 72/18h-61, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.006,72 EUR (darin 501,12 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Das Berufungsgericht hat den Rekurs „angesichts der möglichen Verfahrensweiterungen bei Annahme von Dissens“ zugelassen, weil „auch die Auffassung vertreten werden könnte, dass angesichts der von beiden Seiten am (ausschließlich) unterfertigten Verkaufs und Rahmenvereinbarung (und ohne Berücksichtigung des nur von der beklagten Partei unterschriebenen internationalen Handelsvertretervertrags) gar keine Diskrepanz der Erklärungen vorliege, der Vertragstext objektiv nicht mehrdeutig bzw die Mehrdeutigkeit im Wege der Auslegung zu beseitigen sei“.
Weder mit dieser Formulierung noch mit den Rekursausführungen der klagenden Partei wird eine Rechtsfrage der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufgezeigt. Für das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO reicht es nicht, dass die Entscheidung „auch anders ausfallen könnte“ (RS0042405). Der Auslegung eines bestimmten zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags (RS0042936) oder der Auslegung einer (sonstigen) Willenserklärung kommt in der Regel erhebliche Bedeutung im Sinne der zitierten Gesetzesstelle nicht zu, ist die Auslegung doch regelmäßig einzelfallbezogen vorzunehmen. Im konkreten Fall handelt es sich um eine individuelle englischsprachige Vereinbarung, die sich noch dazu nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht an der üblichen englischen Fachterminologie orientiert. Bei dieser Sachlage ist aber ausgeschlossen, dass die Beurteilung der im Rekurs aufgeworfenen Rechtsfragen über den konkreten Rechtsstreit hinaus Bedeutung als „Orientierungshilfe“ für die Gerichte in vergleichbaren Fällen entfalten kann oder die Rechtsbeziehungen größerer Personengruppen durch die Entscheidung beeinflusst werden könnten (RS0042405). Auch das Vorliegen von Anscheinsvollmacht kann regelmäßig nur einzelfallbezogen beurteilt werden (5 Ob 270/02w; RS0020145 [T15, T 17]).
Zusammenfassend vermag die Rekurswerberin daher keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass der Rekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RS0123222 [T8]).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00173.20I.0828.000 |
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Fundstelle(n):
VAAAD-33519