OGH vom 23.03.2011, 4Ob191/10g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****gesellschaft m.b.H. in Liquidation, *****, vertreten durch Mag. Hermann Fröschl, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei K.***** GmbH (vormals U***** GmbH), *****, gegen die beklagte Partei D***** R*****, vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen 9.986,40 EUR sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 40 R 204/09k 57, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom , GZ 4 C 331/06g 43, aufgehoben und dem Erstgericht das Fällen einer neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die Bezeichnung der Nebenintervenientin wird auf K.***** GmbH richtig gestellt.
2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
zu 1.
Aus dem Firmenbuch ergibt sich, dass sich die Firma der Nebenintervenientin geändert hat. Ihre Bezeichnung ist daher zu berichtigen.
zu 2.
Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnung in Wien. Vertreten durch die Nebenintervenientin vermietete sie diese Wohnung Ende April 2002 zu einem Hauptmietzins von 218 EUR an den Beklagten. Über Aufforderung des Geschäftsführers der Nebenintervenientin stellte der Beklagte im August 2002 die Mietzinszahlung ein, weil der Geschäftsführer „die weitere Vorgangsweise“ mit der Klägerin „klären“ wollte. Hintergrund dieser Aufforderung war der Umstand, dass die Nebenintervenientin beabsichtigt hatte, die Wohnung zu kaufen. In Vorwegnahme des Kaufvertrags hatte die Klägerin ihr die eingangs genannte Vollmacht zur Vermietung erteilt. Später war dieses Geschäft aber offenbar gescheitert.
Die Wohnung bestand bei Abschluss des Mietvertrags aus einem Vorzimmer, zwei Zimmern, einem Kabinett, zwei Küchen und einem WC. Der Kamin hatte ein Loch, in der Küche war eine herabhängende Zwischendecke angebracht, im Schlafzimmer und in der Küche waren gelbe Flecken von einem Wassereintritt vorhanden. Einen Stromanschluss gab es zwar, die Elektroinstallationen entsprachen aber nicht den gesetzlichen Vorschriften. Es fehlten alle Schutzmaßnahmen (Basisschutz, Fehlerschutz, Zusatzschutz), die Leitungen waren nur mangelhaft isoliert. Daher konnte die Spannung unter Umständen bei bloßer Berührung der Wand übergreifen. Dies konnte für Kinder angesichts der fehlenden Schutzmaßnahmen tödlich sein. An diesem Zustand änderte sich in weiterer Folge nichts.
Im Jahr 2004 beantragte der Beklagte bei der Schlichtungsstelle die Herabsetzung des Hauptmietzinses auf die Kategorie „D unbrauchbar“. Zur Begründung stützte er sich insbesondere darauf, dass die „Elektroanlage“ nicht den einschlägigen technischen Vorschriften und Richtlinien entspreche. Die Drähte seien teilweise nur mit Gewebe ummantelt, bei Steckdosen fehle der Schutzkontakt, an den Schutzschalter seien lediglich Steckdosen in der Küche angeschlossen. Die Schlichtungsstelle entschied in diesem Sinn. Im darauf folgenden Außerstreitverfahren (5 Msch 40/06x) bestätigte der Sachverständige die Behauptungen des Beklagten und führte aus, dass die Installation einer „Generalsanierung“ bedürfe. Daraufhin schlossen die Parteien am einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Hauptmietzins ab 75 EUR (wertgesichert) betragen sollte. Dies entsprach annähernd dem vom Beklagten angestrebten Mietzins der Kategorie „D unbrauchbar“. Der Beklagte zahlte diesen Mietzins auch für die Vergangenheit nach.
Schon mit Schreiben vom hatte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung rückständiger Betriebskosten ab Februar 2003 aufgefordert. Die Hausverwaltung habe dem Beklagten diese Betriebskosten zunächst mit monatlich 190,43 EUR und ab 2004 mit monatlich 214,24 EUR „ordnungsgemäß vorgeschrieben“. Dass eine solche „Vorschreibung“ tatsächlich erfolgt wäre, steht nicht fest. Die Betriebskostenabrechnung wurde aber von der Hausverwaltung jährlich erstellt und am schwarzen Brett des Hauses ausgehängt.
Mit der am eingebrachten Klage begehrt die Klägerin Betriebskosten von Mai 2004 bis April 2008 im Betrag von insgesamt 9.986,40 EUR. Dem Beklagten sei bei Abschluss des Vergleichs der Zustand der elektrischen Anlage bekannt gewesen. Er habe für den Zeitraum vom Mai 2005 bis Dezember 2008 den Mietzins vorbehaltlos bezahlt. Daher könne er sich nun nicht mehr auf diese Mängel stützen. Die Gegenforderungen habe die Klägerin teilweise beglichen, im Übrigen bestünden sie nicht zu Recht.
Der Beklagte begründet die Nichtzahlung der Betriebskosten mit § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB. Aufgrund des lebensgefährlichen Zustands der Elektroanlage sei eine vollständige Zinsminderung angebracht. Diese erfasse auch die Betriebskosten. Bei Abschluss des Vergleichs im Außerstreitverfahren sei den Parteien nicht bekannt gewesen, dass die Anlage tatsächlich einen lebensbedrohenden Zustand aufgewiesen habe. Dieser Vergleich sei daher unwirksam. Die Betriebskostenforderung sei nach § 21 Abs 3 MRG präkludiert; zudem habe die Klägerin das Verfahren nach einer Unterbrechung nicht gehörig fortgesetzt, weswegen teilweise Verjährung eingetreten sei. Gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klageforderung werde eine Gegenforderung von 6.500 EUR aus unzulässigen Ablösezahlungen eingewendet, die der Beklagte der Nebenintervenientin gezahlt habe. Weiters schulde die Nebenintervenientin dem Beklagten aufgrund eines rechtskräftigen Urteils 9.125,27 EUR, wofür die Klägerin hafte, da die Nebenintervenientin deren „Erfüllungsgehilfin“ gewesen sei. Schließlich werde auch der aufgrund des Vergleichs gezahlte Mietzins, da irrtümlich geleistet, aufrechnungsweise eingewendet.
Das Verfahren des Erstgerichts wurde mit Beschluss vom bis zur rechtskräftigen Beendigung des zwischen den Parteien anhängigen Außerstreitverfahrens (5 Msch 40/06x) unterbrochen. Die Fortsetzung sollte nur auf Antrag erfolgen. Diesen Antrag stellte die Klägerin am unter Hinweis auf den am geschlossenen Vergleich.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Mietzinsminderung sei berechtigt, weil die Wohnung wegen der Mängel der Elektroinstallationen unbrauchbar sei. Der im Vorverfahren geschlossene Vergleich sei unerheblich, weil er lediglich die Höhe des Hauptmietzinses betroffen habe. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die Klägerin den Prozess nach Abschluss des Vergleichs im Außerstreitverfahren gehörig fortgesetzt habe.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Den „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) ließ es zu.
Die Mietzinsminderung auf Null komme schon deswegen nicht in Betracht, weil der Beklagte die Nichtbenutzung der Wohnung nicht einmal behauptet habe. Zudem habe der Beklagte über den Mietzins einen Vergleich geschlossen, was bedeute, dass er die Mängel der Elektroinstallation in Kauf genommen habe. Er könne diese Mängel daher nicht mehr als Grund für eine Mietzinsminderung heranziehen. Das gelte auch für die Zeit vor dem Vergleichsabschluss. Die Rechtssache sei allerdings noch nicht spruchreif. Zwar könne die Rückforderung einer unzulässigen Ablöse nur im Außerstreitverfahren geltend gemacht werden, weswegen der diesbezügliche Anspruch im Prozess nicht eingewendet werden könne. Wohl aber sei über die gegenüber der Nebenintervenientin titulierte Gegenforderung, die nach dem Vorbringen des Beklagten auch gegen die Klägerin bestehe, inhaltlich zu entscheiden. Der Rekurs sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Zinsminderung auch dann zulässig sei, wenn sich der Mieter aufgrund desselben Mangels auf die Teilunwirksamkeit der Zinsvereinbarung berufen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig , aber nicht berechtigt .
1. Die dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegende Auffassung, dass der im Außerstreitverfahren abgeschlossene Vergleich einer Minderung der Betriebskostenforderung entgegenstehe, trifft im Kern zu.
1.1. Ist der Mietgegenstand bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird er während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, dass er zum bedungenen Gebrauch nicht (mehr) taugt, so ist der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Die Zinsminderung tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Bestandgebers ein ( Würth in Rummel ABGB³ § 1096 Rz 10; Binder in Schwimann ABGB³ § 1096 Rz 97). Sie erfasst nach der Rechtsprechung grundsätzlich alle Bestandteile des Mietzinses, daher auch die Betriebskosten (RIS Justiz RS0021642 [T1, T 4]). An der letztgenannten Auffassung wird zwar in der Lehre beachtliche Kritik geübt ( Würth , Gedanken zur Gewährleistung im Wohnrecht, in FS Welser [2004] 1217; Riss , Die Erhaltungspflicht des Vermieters [2005] 218 ff; ders , Glosse zu 9 Ob 57/08k, wobl 2010/136). Ob und in welchem Umfang diese Kritik berechtigt ist, kann im vorliegenden Fall aber offen bleiben. Denn eine Minderung ist hier schon dem Grunde nach ausgeschlossen.
1.2. Die Mietzinsminderung tritt nicht ein, wenn dem Mieter die (objektiven) Mängel des Mietgegenstands bei Vertragsabschluss bekannt waren und er den Vertrag dennoch ohne Vorbehalte abgeschlossen hat; in solchen Fällen hat der Mieter, wie einzelne Entscheidungen formulieren, durch den vorbehaltlosen Vertragsabschluss auf die Minderung „verzichtet“ (10 Ob 204/97s = MietSlg 50.148; 6 Ob 59/00w = SZ 73/180; RIS-Justiz RS0021408 [T3], RS0020799 [T1, T 4]). Die Annahme eines „Verzichts“ im strengen Sinn, der dogmatisch einen zuvor bestehenden Anspruch voraussetzt, ist allerdings bei genauer Betrachtung nicht notwendig. Denn § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB ist eine Vorschrift des Gewährleistungsrechts (8 Ob 610/90 = SZ 63/220; 1 Ob 113/02b = SZ 2002/132 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0021326). Ihre Anwendung setzt daher nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass die tatsächlich erbrachte von der vertraglich geschuldeten Leistung abweicht ( P. Bydlinski in KBB 3 § 922 Rz 1 mwN; RIS-Justiz RS0107681, RS0018547). Das gilt auch im Fall eines Mietvertrags: Der Umfang des Gebrauchs und die Pflicht zu dessen Gewährung unterliegt grundsätzlich der Parteidisposition (10 Ob 204/97s = MietSlg 50.148). Ist den Parteien bei Vertragsabschluss bewusst, dass das Mietobjekt ganz oder teilweise unbrauchbar ist, dann wird dieser Umstand zum Vertragsinhalt. Die Leistung des Vermieters ist in diesem Fall vertragskonform, ein (subjektiver) Mangel iSd Gewährleistungsrechts liegt von vornherein nicht vor. Ansprüche des Mieters können sich daher nur aus den §§ 879 oder 934 ABGB oder aus zwingenden Vorschriften des Mietrechtsgesetzes ergeben.
1.3. Nichts anderes kann gelten, wenn während eines Mietverhältnisses aufgrund inzwischen bekannt gewordener Mängel ein Vergleich über die Höhe des Mietzinses geschlossen wird. Damit akzeptiert der Mieter den Zustand des Mietobjekts; im Gegenzug wird zur Herstellung der subjektiven Äquivalenz der Mietzins reduziert. Ein (subjektiver, dh vertragsbezogener) Mangel, der Rechtsbehelfe des Gewährleistungsrechts begründen könnte, liegt auch in diesem Fall Wirksamkeit des Vergleichs vorausgesetzt nicht mehr vor.
1.4. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte im Verfahren vor der Schlichtungsstelle und im darauf folgenden gerichtlichen Verfahren behauptet, dass das Mietobjekt (auch) wegen gravierender Mängel an der Elektroinstallation „unbrauchbar“ sei. Er hat diesen Umstand nicht zum Anlass genommen, nach § 1117 ABGB vom Vertrag abzustehen, sondern die Feststellung eines nach § 15a Abs 3 Z 4 MRG angemessenen Mietzinses verlangt (Kategorie „D unbrauchbar“). In weiterer Folge hat er mit der Klägerin einen Vergleich geschlossen, der einen im Wesentlichen dieser Kategorie entsprechenden Mietzins vorsieht. Dieser Vergleich galt zwar nach seinem Wortlaut nur für die Zeit ab . Der Beklagte hat aber nicht bestritten, dass er den nun vereinbarten Mietzins auch für die Zeit davor vorbehaltlos geleistet hat; das ergibt sich auch aus den von ihm selbst vorgelegten Urkunden (Beilage ./13). Daraus hat das Berufungsgericht zutreffend abgeleitet, dass der Beklagte den wegen der mangelhaften Elektroinstallationen unbrauchbaren Zustand der Wohnung gegen entsprechende Minderung des Mietzinses akzeptiert hat; der Vertrag wurde in diesem Sinn geändert. Unter diesen Umständen liegt kein Mangel mehr vor, der zu einer (weiteren) Minderung des Mietzinses und (allenfalls) der Betriebskosten berechtigte.
1.5. § 3 Abs 1 und Abs 2 Z 2 MRG idF der WRN 2006 stehen der Wirksamkeit dieses Vergleichs nicht entgegen.
(a) Diese Bestimmungen waren nach § 49e Abs 1 und 9 MRG schon im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses anwendbar. Der Vermieter ist danach verpflichtet, vom Mietgegenstand ausgehende erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner anders als nach alter Rechtslage auch dann zu beseitigen, wenn es sich dabei nicht um ernste Schäden des Hauses handelt (5 Ob 173/10t ua mwN). Auf diesen Anspruch kann der Mieter im Voraus nicht verzichten (RIS-Justiz RS0021223).
Aus diesem zwingenden Charakter von § 3 Abs 2 Z 2 MRG könnte abgeleitet werden, dass ein erheblich gesundheitsgefährdender Zustand des Mietobjekts nicht wirksam vereinbart werden kann. Denn ließe man eine solche Vereinbarung zu, bestünde ein Wertungswiderspruch: Obwohl der Vermieter nach § 3 MRG zu einer (weiteren) Leistung verpflichtet wäre, müsste ansonsten und daher auch für die Anwendung der Zinsminderungsregeln von der Vertragskonformität des Mietobjekts und damit der Leistung des Vermieters ausgegangen werden.
(b) Ob die letztgenannte Auffassung zutrifft, kann hier allerdings offen bleiben. Denn nur ein im Voraus abgegebener Verzicht auf Ansprüche nach § 3 MRG ist unwirksam. Dies wird damit begründet, dass der Mieter nicht vor die Wahl gestellt werden soll, entweder einen für ihn nachteiligen Vertrag zu akzeptieren oder das Mietobjekt eben nicht zu bekommen (6 Ob 174/99b = MietSlg 51.132). Ist dieser Druck nach Abschluss des Mietvertrags weggefallen, so besteht zumindest bei einem bereits bestehenden Anspruch kein Grund, einen Verzicht, der die Grenzen des allgemeinen Zivilrechts (§ 879 ABGB) nicht überschreitet, nicht zuzulassen (1 Ob 589/94 = SZ 67/210; 6 Ob 174/99b; RIS Justiz RS0021223 [T1, T 4]).
(c) Ein solcher nachträglicher Verzicht lag hier vor. Der auch im Außerstreitverfahren anwaltlich vertretene Beklagte hätte aufgrund von § 3 MRG idF der WRN 2006 eine Sanierung der gesundheitsgefährdenden Elektroinstallationen durchsetzen können. Statt dessen strebte er eine Mietzinsminderung auf Kategorie „D unbrauchbar“ an und schloss in weiterer Folge einen entsprechenden Vergleich. Dieses Verhalten kann nur als Verzicht auf den nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG bestehenden Anspruch auf Sanierung der Elektroinstallationen gedeutet werden, der außerhalb einer Drucksituation abgegeben wurde und daher wirksam ist. Damit wurde aber der tatsächliche Zustand der Wohnung Vertragsinhalt, sodass eine (weitere) Mietzinsminderung und damit auch die hier strittige Minderung der Betriebskosten jedenfalls ausscheidet.
1.6. Der vom Beklagten behauptete Irrtum über die Vergleichsgrundlage (RIS-Justiz RS0032511) ist nicht erkennbar. Denn bereits bei Abschluss des Vergleichs stand aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen fest, dass die Elektroinstallationen wegen des (zumindest) weitgehenden Fehlens von Schutzeinrichtungen und der veralteten Kabelummantelungen gravierend mangelhaft waren und daher einer „Generalsanierung“ bedurften. Dass solche Mängel unter Umständen lebensgefährlich sein können, war schon zu diesem Zeitpunkt offenkundig. Auch dem Beklagten musste daher bewusst sein, dass er die Elektroanlage zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren unverzüglich erneuern musste. Davor war die Wohnung, wie der Beklagte selbst behauptet hatte, unbrauchbar (dh nicht benutzbar). Das im vorliegenden Verfahren eingeholte Gutachten bestätigte diesen Umstand, brachte sonst aber keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Ein relevanter Willensmangel liegt daher nicht vor.
2. Auch die auf Präklusion und Verjährung gestützten Einwände des Beklagten bleiben erfolglos.
2.1. Die Klägerin hat für die Geltendmachung der Betriebskosten das System der Jahrespauschalverrechnung iSv § 21 Abs 3 MRG gewählt. Nach dieser Bestimmung darf der Vermieter
„zur Deckung der im Lauf eines Kalenderjahres fällig werdenden Betriebskosten und öffentlichen Abgaben einen gleichbleibenden Teilbetrag zur Anrechnung bringen [...], der vom Gesamtbetrag der Betriebskosten und der öffentlichen Abgaben des vorausgegangenen Kalenderjahres zu errechnen ist und im Fall einer zwischenzeitlichen Erhöhung von Betriebskosten oder den öffentlichen Abgaben um höchstens 10 vH überschritten werden darf. […] In den Fällen einer Jahrespauschalverrechnung beginnt die einjährige Frist zur Geltendmachung der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die Betriebskosten und öffentlichen Abgaben gegenüber dem Vermieter fällig geworden sind. [...]“
Unter der „Geltendmachung“ von Bewirtschaftungskosten ist deren Bekanntgabe und Nachweis zu verstehen. Bei der Pauschalvorschreibung erfolgt dies nach ständiger Rechtsprechung dadurch, dass der Vermieter die Abrechnung für ein Kalenderjahr bis zum 30. Juni des Folgejahres an einer geeigneten Stelle im Haus zur Einsicht auflegt und den Mietern in geeigneter Weise Einsicht in die Belege gewährt (RIS-Justiz RS0070049, RS0108925). Das ist hier nach den Feststellungen jedes Jahr geschehen. Die Ansprüche sind daher nicht präkludiert.
2.2. Die durch eine Klage bewirkte Unterbrechung der Verjährung bleibt nur aufrecht, wenn der Kläger das Verfahren gehörig fortsetzt (§ 1497 ABGB). Nicht gehörige Fortsetzung ist dann anzunehmen, wenn die Untätigkeit des Klägers ungewöhnlich ist und er damit zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nicht mehr gelegen ist (RIS-Justiz RS0034765). Die Untätigkeit ist nur soweit relevant, als sie in die Zeit nach Ablauf der (ursprünglichen) Verjährungsfrist fällt (1 Ob 165/09k = ecolex 2010, 249; Dehn in KBB 3 § 1497 Rz 11).
Im vorliegenden Fall hatte das Gericht im Unterbrechungsbeschluss angeordnet, dass das Verfahren nur auf Antrag einer Partei fortgesetzt würde. Damit war die Klägerin zu einem prozessualen Handeln verpflichtet; die gehörige Fortsetzung des Verfahrens ist in einem solchen Fall nach einem strengen Maßstab zu beurteilen (RIS-Justiz RS0109334 [T1, T 2, T 3]). Allerdings ist zu beachten, dass die ursprüngliche Verjährungsfrist beim weit überwiegenden Teil der Betriebskostenraten (nämlich bei jenen ab Dezember 2004) im Zeitpunkt des Fortsetzungsantrags noch gar nicht abgelaufen war. Insofern konnte daher keinesfalls Verjährung eintreten. Nur bei den Raten für Mai, Juni und Juli 2004 lag die gesamte Untätigkeit der Klägerin nach Ablauf der Verjährungsfrist. Lediglich hier ist daher tatsächlich eine im Sinn von 1 Ob 165/09k verjährungsrechtlich relevante Untätigkeit der Klägerin von knapp fünf Monaten anzunehmen, die allenfalls eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens indizieren könnte; bei den Raten für August, September, Oktober und November 2004 war diese relevante Untätigkeit entsprechend kürzer. Damit lag insgesamt noch keine „ungewöhnliche“ Untätigkeit (RIS-Justiz RS0034765) vor, aus der der Beklagte ableiten durfte, dass die Klägerin von der weiteren Durchsetzung einzelner Betriebskostenraten abstehen wolle. Der Einwand der nicht gehörigen Fortsetzung muss daher scheitern.
3. Das Berufungsgericht hat den Aufhebungsbeschluss mit fehlender Spruchreife der Gegenforderung begründet. Die Klägerin bringt dazu in der Rechtsmittelbeantwortung vor, der Beklagte habe die Zahlung der Gegenforderung ohnehin zugestanden, weshalb insofern kein weiteres Verfahren erforderlich sei. Dabei übersieht sie, dass sich dieses Zugeständnis nur auf den gegenüber der Klägerin selbst titulierten Betrag von 1.160,11 EUR bezog, nicht aber auf die weitere Gegenforderung von 9.125,25 EUR, für die die Klägerin aufgrund ihrer Rechtsbeziehungen mit der Nebenintervenientin haften soll. Dieser Punkt wird im fortgesetzten Verfahren zu erörtern sein. Hingegen folgt aus der Wirksamkeit des im Außerstreitverfahren geschlossenen Vergleichs (oben Punkt 1.), dass die ebenfalls compensando eingewendete Forderung auf Rückzahlung des Mietzinses nicht zu Recht besteht. Insofern ist daher keine Verfahrensergänzung erforderlich. Ebenfalls abschließend erledigt sind der Präklusions- und der Verjährungseinwand.
4. Aufgrund dieser Erwägungen ist der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts im Ergebnis zu bestätigen.
Behauptet der Mieter in einem Verfahren zur Überprüfung des Hauptmietzinses die Unbrauchbarkeit der Wohnung wegen grob mangelhafter Elektroinstallationen und wird daraufhin der Mietzins in einem Vergleich auf jenen nach § 15a Abs 3 Z 4 MRG herabgesetzt (Kategorie „D unbrauchbar“), ist eine weitere Mietzinsminderung nach § 1096 ABGB ausgeschlossen. In einem solchen Vergleich liegt im Regelfall auch ein wirksamer Verzicht auf den Anspruch auf Sanierung der Installationen nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.