OGH 23.03.2011, 4Ob191/10g
Rechtssätze
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Normen | |
RS0070049 | Unter "Geltendmachung" von Bewirtschaftungskosten ist deren Bekanntgabe und Nachweis zu verstehen. Im Falle der Einzelvorschreibung hat dies durch die in § 21 Abs 4 MRG näher beschriebene Vorlage der einzelnen Rechnungsbelege zu geschehen, im Falle der Pauschalvorschreibung dadurch, daß der Vermieter bis zum 30.06. die das vorausgegangene Kalenderjahr umfassende Abrechnung beim Hausbesorger oder an einer sonst geeigneten Stelle im Haus zur Einsicht durch die Hauptmieter auflegt und den Hauptmietern in geeigneter Weise Einsicht in die Belege gewährt. |
Norm | |
RS0021326 | § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB ist im wesentlichen eine Gewährleistungsbestimmung, wenn auch eine besonderer Art, da die Minderung des Bestandzinses kraft Gesetzes auch bei Mängeln eintritt, die erst während der Dauer des Bestandverhältnisses auftreten. |
Norm | |
RS0018547 | Eine Leistung ist nur dann mangelhaft im Sinne des § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten, das heißt dem Vertragsinhalt, zurückbleibt. |
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RS0021044 | Den Parteien bleibt es überlassen, das Maß der Gebrauchsfähigkeit des Bestandobjektes zu bestimmen. |
Norm | |
RS0021408 | Ausgeschlossen ist eine Zinsbefreiung beziehungsweise Zinsminderung nur, wenn der Bestandnehmer die Umstände, die seinen Gebrauch behindern, akzeptiert. |
Normen | |
RS0021462 | Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1096 ABGB ist es sachgerecht, den gesamten Mietzins von dem Mietrechtsgesetz unterliegenden Bestandobjekten einheitlich zu mindern. |
Normen | |
RS0107681 | Die Vertragsparteien können eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, auch als vertragsgemäß ansehen. Nur wenn eine Vereinbarung über die geschuldeten Eigenschaften des Leistungsgegenstandes fehlt, sind gemäß §§ 922 ff ABGB die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften der veräußerten Sache maßgebend. |
Norm | ABGB §1497 IVF |
RS0034805 | Die Frage, ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung eines Anspruches im Sinne des § 1497 ABGB noch hingenommen werden kann oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, aus der entnommen werden muss, dass es der Partei an dem erforderlichen Ernst zur Erreichung des Prozesszieles fehlt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles zu beantworten. Wenn sich in einem Verfahren der Beklagte auf Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Prozesses beruft, ist es Aufgabe des Klägers, beachtliche Gründe für die Untätigkeit und für die Nichtaufnahme und Nichtfortsetzung des Verfahrens vorzubringen und erforderlichenfalls zu beweisen. |
Normen | |
RS0034849 | Eine gehörige Fortsetzung ist nicht anzunehmen, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt und damit zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Erreichung seines Prozesszieles nichts gelegen ist. Dabei ist nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern vor allem auf die Gründe Bedacht zu nehmen. |
Normen | |
RS0034015 | Die Bestimmungen des MRG zugunsten des Mieters sind wegen des vom Gesetzgeber als typisch erachteten und ohne Berücksichtigung der besonderen Lage des Einzelfalls ausnahmslos anzunehmenden ökonomischen und sozialen Drucks im Zweifel stets als zwingend anzusehen, auch wenn dies nur bei einzelnen Bestimmungen betont wird. Ein nachträglicher Verzicht des Mieters auf die Geltendmachung der ihm entgegen anderslautenden Vereinbarungen erwachsenen Rechte ist zwar zulässig, setzt aber voraus, dass der erwähnte ökonomische und soziale Druck weggefallen ist. |
Norm | |
RS0034765 | Keine gehörige Fortsetzung liegt nur dann vor, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt, die darauf schließen lässt, dass ihm an der Erreichung des Prozesszieles nicht mehr gelegen ist. |
Norm | |
RS0032511 | Ein Vergleich kann - arglistige Irreführung ausgenommen - wegen Irrtums nur in den Punkten angefochten werden, die als unstreitig angesehen wurden. Bloße, wenn auch wahrheitswidrige Behauptungen des Vertragspartners, deren Überprüfung dem anderen Teil offen stand und oblegen wäre, können nicht als zur Täuschung geeignete Irreführungshandlungen angesehen werden. |
Normen | |
RS0034710 | Es kommt nicht auf die längere oder kürzere Dauer der Untätigkeit (hier: elf Monate) an, sondern auf den Umstand, ob diese Untätigkeit gerechtfertigt gewesen ist. In dieser Hinsicht trifft den Kläger die Behauptungspflicht und Beweispflicht. Keineswegs darf das Gericht von Amts wegen Erhebungen über die Ursache der Untätigkeit des Klägers durchführen (vgl zB 4 Ob 170/54 vom = JBl 1955,552). |
Normen | |
RS0021223 | Der durch das MRG geschützte Mieter kann - anders als bei bloßer Anwendung des § 1096 ABGB, der an sich nachgiebiges Recht enthält - auf sein Recht, die Erhaltung des Mietgegenstandes durch den Vermieter zu verlangen, im Vorhinein nicht wirksam verzichten. |
Normen | |
RS0020799 | § 1096 ABGB setzt voraus, dass die Bestandsache bei der Übergabe oder während der Bestandzeit eine gänzliche oder teilweise, beim Vertragsabschluss nicht berücksichtigte Unbrauchbarkeit aufweist. |
Normen | |
RS0109334 | Wird in einem Unterbrechungsbeschluss ausdrücklich ausgesprochen, dass eine Fortsetzung des Verfahrens nur über Antrag der Parteien erfolgen werde, so ist dadurch der Kläger zur Vornahme einer zur Fortsetzung des Verfahrens erforderlichen Handlung verhalten. Dabei ist gar nicht erst zu prüfen, ob der zitierte Satz gesetzwidrigerweise in den Beschluss Aufnahme gefunden hat, da der Kläger gerade angesichts dieses Beisatzes erkennen muss, dass das Gericht von sich aus nicht mehr tätig sein wird. |
Norm | ABGB §1497 IVD |
RS0034691 | In allen Fällen, wo der Kläger auf Grund einer gesetzlich oder auch nur richterlich normierten Pflicht zur Vornahme einer zur Fortsetzung des Prozesses erforderlichen Handlung gehalten ist, ist ihm im Interesse einer zügigen Prozessführung nur eine wesentlich kürzere Zeit der Untätigkeit zuzubilligen, als in den Fällen, in denen er beim säumigen Gericht die Vornahme der ausstehenden Prozesshandlungen zu betreiben und zu unterlassen hat. |
Norm | ABGB §1497 IVE |
RS0034674 | Die Verjährungsbestimmungen stellen nicht in erster Linie auf den subjektiven Rechtsverfolgungswillen und die Erklärungen des Gläubigers ab, sondern verfolgen den Zweck, den Gläubiger zu zwingen, seinen Anspruch zu einer Zeit geltend zu machen, in der regelmäßig die Prüfung seiner Voraussetzungen noch ohne übermäßigen Aufwand möglich ist. Zögert der Gläubiger mit der Verfolgung eines Anspruches, muss er die Verjährung hinnehmen. Dies muss auch für den Fall gelten, dass der Gläubiger zwar vor Ablauf der Verjährungszeit Klage erhebt, dann aber dieses Verfahren durch längere Zeit aus Gründen, die in seinem Bereich liegen, nicht fortsetzt. |
Normen | |
RS0021286 | § 1096 ABGB stellt lediglich eine dem Wesen des Bestandverhältnisses entsprechende Anpassung der allgemeinen Gewährleistungsvorschriften dar und vermag für sich allein eine Verpflichtung des Bestandgebers zum Ersatz von Schäden nicht zu begründen, die aus einer Mangelhaftigkeit des Bestandobjektes entstehen; ein derartiger Schaden kann nur nach allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechtes auf Grund Verschuldens geltend gemacht werden. Dabei haftet der Bestandgeber nicht nur für sein eigenes Verschulden, sondern auch für das seiner Erfüllungsgehilfen, insbesondere auch für das Verschulden von Gewerbsleuten, deren er sich zur Ausführung von Instandhaltungsarbeiten bedient. |
Norm | |
RS0069928 | Die Verpflichtung des Vermieters zur Ausführung der Erhaltungsarbeiten ist zwingend. Übernimmt im Mietvertrag der Mieter diese Verpflichtung, so ist der Mietvertrag insoweit unwirksam. |
Normen | |
RS0112725 | Der zwingende Charakter der Erhaltungspflicht des Vermieters, was den Mietgegenstand selbst (also nicht die allgemeinen Teile im Sinne des § 3 Abs 2 Z 1 MRG) betrifft, bezieht sich nur auf die ernsten Schäden des Hauses, nicht aber jene Aufwendungen, die sonst noch notwendig sind, um den Mietgegenstand in brauchbaren Zustand zu versetzen. |
Normen | |
RS0126875 | Behauptet der Mieter in einem Verfahren zur Überprüfung des Hauptmietzinses die Unbrauchbarkeit der Wohnung wegen grob mangelhafter Elektroinstallationen und wird daraufhin der Mietzins in einem Vergleich auf jenen nach § 15a Abs 3 Z 4 MRG herabgesetzt (Kategorie „D unbrauchbar“), ist eine weitere Mietzinsminderung nach § 1096 ABGB ausgeschlossen. In einem solchen Vergleich liegt im Regelfall auch ein wirksamer Verzicht auf den Anspruch auf Sanierung der Installationen nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG. |
Normen | |
RS0108925 | Bewirtschaftungskosten (Betriebskosten und Abgaben) sind, wenn der Vermieter von der Möglichkeit der Jahrespauschalverrechnung Gebrauch gemacht hat, innerhalb der Frist von einem Jahr ab Ende des Verrechnungsjahres - das heißt innerhalb einer halbjährigen "Nachfrist" ab "Fälligkeitstermin" für die Abrechnung - durch Legung, allenfalls Ergänzung der Abrechnung ordnungsgemäß geltend zu machen. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****gesellschaft m.b.H. in Liquidation, *****, vertreten durch Mag. Hermann Fröschl, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei K.***** GmbH (vormals U***** GmbH), *****, gegen die beklagte Partei D***** R*****, vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen 9.986,40 EUR sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 40 R 204/09k-57, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom , GZ 4 C 331/06g-43, aufgehoben und dem Erstgericht das Fällen einer neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die Bezeichnung der Nebenintervenientin wird auf K.***** GmbH richtig gestellt.
2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
zu 1.
Aus dem Firmenbuch ergibt sich, dass sich die Firma der Nebenintervenientin geändert hat. Ihre Bezeichnung ist daher zu berichtigen.
zu 2.
Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnung in Wien. Vertreten durch die Nebenintervenientin vermietete sie diese Wohnung Ende April 2002 zu einem Hauptmietzins von 218 EUR an den Beklagten. Über Aufforderung des Geschäftsführers der Nebenintervenientin stellte der Beklagte im August 2002 die Mietzinszahlung ein, weil der Geschäftsführer „die weitere Vorgangsweise“ mit der Klägerin „klären“ wollte. Hintergrund dieser Aufforderung war der Umstand, dass die Nebenintervenientin beabsichtigt hatte, die Wohnung zu kaufen. In Vorwegnahme des Kaufvertrags hatte die Klägerin ihr die eingangs genannte Vollmacht zur Vermietung erteilt. Später war dieses Geschäft aber offenbar gescheitert.
Die Wohnung bestand bei Abschluss des Mietvertrags aus einem Vorzimmer, zwei Zimmern, einem Kabinett, zwei Küchen und einem WC. Der Kamin hatte ein Loch, in der Küche war eine herabhängende Zwischendecke angebracht, im Schlafzimmer und in der Küche waren gelbe Flecken von einem Wassereintritt vorhanden. Einen Stromanschluss gab es zwar, die Elektroinstallationen entsprachen aber nicht den gesetzlichen Vorschriften. Es fehlten alle Schutzmaßnahmen (Basisschutz, Fehlerschutz, Zusatzschutz), die Leitungen waren nur mangelhaft isoliert. Daher konnte die Spannung unter Umständen bei bloßer Berührung der Wand übergreifen. Dies konnte für Kinder angesichts der fehlenden Schutzmaßnahmen tödlich sein. An diesem Zustand änderte sich in weiterer Folge nichts.
Im Jahr 2004 beantragte der Beklagte bei der Schlichtungsstelle die Herabsetzung des Hauptmietzinses auf die Kategorie „D unbrauchbar“. Zur Begründung stützte er sich insbesondere darauf, dass die „Elektroanlage“ nicht den einschlägigen technischen Vorschriften und Richtlinien entspreche. Die Drähte seien teilweise nur mit Gewebe ummantelt, bei Steckdosen fehle der Schutzkontakt, an den Schutzschalter seien lediglich Steckdosen in der Küche angeschlossen. Die Schlichtungsstelle entschied in diesem Sinn. Im darauf folgenden Außerstreitverfahren (5 Msch 40/06x) bestätigte der Sachverständige die Behauptungen des Beklagten und führte aus, dass die Installation einer „Generalsanierung“ bedürfe. Daraufhin schlossen die Parteien am einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Hauptmietzins ab 75 EUR (wertgesichert) betragen sollte. Dies entsprach annähernd dem vom Beklagten angestrebten Mietzins der Kategorie „D unbrauchbar“. Der Beklagte zahlte diesen Mietzins auch für die Vergangenheit nach.
Schon mit Schreiben vom hatte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung rückständiger Betriebskosten ab Februar 2003 aufgefordert. Die Hausverwaltung habe dem Beklagten diese Betriebskosten zunächst mit monatlich 190,43 EUR und ab 2004 mit monatlich 214,24 EUR „ordnungsgemäß vorgeschrieben“. Dass eine solche „Vorschreibung“ tatsächlich erfolgt wäre, steht nicht fest. Die Betriebskostenabrechnung wurde aber von der Hausverwaltung jährlich erstellt und am schwarzen Brett des Hauses ausgehängt.
Mit der am eingebrachten Klage begehrt die Klägerin Betriebskosten von Mai 2004 bis April 2008 im Betrag von insgesamt 9.986,40 EUR. Dem Beklagten sei bei Abschluss des Vergleichs der Zustand der elektrischen Anlage bekannt gewesen. Er habe für den Zeitraum vom Mai 2005 bis Dezember 2008 den Mietzins vorbehaltlos bezahlt. Daher könne er sich nun nicht mehr auf diese Mängel stützen. Die Gegenforderungen habe die Klägerin teilweise beglichen, im Übrigen bestünden sie nicht zu Recht.
Der Beklagte begründet die Nichtzahlung der Betriebskosten mit § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB. Aufgrund des lebensgefährlichen Zustands der Elektroanlage sei eine vollständige Zinsminderung angebracht. Diese erfasse auch die Betriebskosten. Bei Abschluss des Vergleichs im Außerstreitverfahren sei den Parteien nicht bekannt gewesen, dass die Anlage tatsächlich einen lebensbedrohenden Zustand aufgewiesen habe. Dieser Vergleich sei daher unwirksam. Die Betriebskostenforderung sei nach § 21 Abs 3 MRG präkludiert; zudem habe die Klägerin das Verfahren nach einer Unterbrechung nicht gehörig fortgesetzt, weswegen teilweise Verjährung eingetreten sei. Gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klageforderung werde eine Gegenforderung von 6.500 EUR aus unzulässigen Ablösezahlungen eingewendet, die der Beklagte der Nebenintervenientin gezahlt habe. Weiters schulde die Nebenintervenientin dem Beklagten aufgrund eines rechtskräftigen Urteils 9.125,27 EUR, wofür die Klägerin hafte, da die Nebenintervenientin deren „Erfüllungsgehilfin“ gewesen sei. Schließlich werde auch der aufgrund des Vergleichs gezahlte Mietzins, da irrtümlich geleistet, aufrechnungsweise eingewendet.
Das Verfahren des Erstgerichts wurde mit Beschluss vom bis zur rechtskräftigen Beendigung des zwischen den Parteien anhängigen Außerstreitverfahrens (5 Msch 40/06x) unterbrochen. Die Fortsetzung sollte nur auf Antrag erfolgen. Diesen Antrag stellte die Klägerin am unter Hinweis auf den am geschlossenen Vergleich.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Mietzinsminderung sei berechtigt, weil die Wohnung wegen der Mängel der Elektroinstallationen unbrauchbar sei. Der im Vorverfahren geschlossene Vergleich sei unerheblich, weil er lediglich die Höhe des Hauptmietzinses betroffen habe. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die Klägerin den Prozess nach Abschluss des Vergleichs im Außerstreitverfahren gehörig fortgesetzt habe.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Den „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) ließ es zu.
Die Mietzinsminderung auf Null komme schon deswegen nicht in Betracht, weil der Beklagte die Nichtbenutzung der Wohnung nicht einmal behauptet habe. Zudem habe der Beklagte über den Mietzins einen Vergleich geschlossen, was bedeute, dass er die Mängel der Elektroinstallation in Kauf genommen habe. Er könne diese Mängel daher nicht mehr als Grund für eine Mietzinsminderung heranziehen. Das gelte auch für die Zeit vor dem Vergleichsabschluss. Die Rechtssache sei allerdings noch nicht spruchreif. Zwar könne die Rückforderung einer unzulässigen Ablöse nur im Außerstreitverfahren geltend gemacht werden, weswegen der diesbezügliche Anspruch im Prozess nicht eingewendet werden könne. Wohl aber sei über die gegenüber der Nebenintervenientin titulierte Gegenforderung, die nach dem Vorbringen des Beklagten auch gegen die Klägerin bestehe, inhaltlich zu entscheiden. Der Rekurs sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Zinsminderung auch dann zulässig sei, wenn sich der Mieter aufgrund desselben Mangels auf die Teilunwirksamkeit der Zinsvereinbarung berufen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Die dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegende Auffassung, dass der im Außerstreitverfahren abgeschlossene Vergleich einer Minderung der Betriebskostenforderung entgegenstehe, trifft im Kern zu.
1.1. Ist der Mietgegenstand bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird er während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, dass er zum bedungenen Gebrauch nicht (mehr) taugt, so ist der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Die Zinsminderung tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Bestandgebers ein (Würth in Rummel ABGB³ § 1096 Rz 10; Binder in Schwimann ABGB³ § 1096 Rz 97). Sie erfasst nach der Rechtsprechung grundsätzlich alle Bestandteile des Mietzinses, daher auch die Betriebskosten (RIS-Justiz RS0021642 [T1, T4]). An der letztgenannten Auffassung wird zwar in der Lehre beachtliche Kritik geübt (Würth, Gedanken zur Gewährleistung im Wohnrecht, in FS Welser [2004] 1217; Riss, Die Erhaltungspflicht des Vermieters [2005] 218 ff; ders, Glosse zu 9 Ob 57/08k, wobl 2010/136). Ob und in welchem Umfang diese Kritik berechtigt ist, kann im vorliegenden Fall aber offen bleiben. Denn eine Minderung ist hier schon dem Grunde nach ausgeschlossen.
1.2. Die Mietzinsminderung tritt nicht ein, wenn dem Mieter die (objektiven) Mängel des Mietgegenstands bei Vertragsabschluss bekannt waren und er den Vertrag dennoch ohne Vorbehalte abgeschlossen hat; in solchen Fällen hat der Mieter, wie einzelne Entscheidungen formulieren, durch den vorbehaltlosen Vertragsabschluss auf die Minderung „verzichtet“ (10 Ob 204/97s = MietSlg 50.148; 6 Ob 59/00w = SZ 73/180; RIS-Justiz RS0021408 [T3], RS0020799 [T1, T4]). Die Annahme eines „Verzichts“ im strengen Sinn, der dogmatisch einen zuvor bestehenden Anspruch voraussetzt, ist allerdings bei genauer Betrachtung nicht notwendig. Denn § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB ist eine Vorschrift des Gewährleistungsrechts (8 Ob 610/90 = SZ 63/220; 1 Ob 113/02b = SZ 2002/132 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0021326). Ihre Anwendung setzt daher nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass die tatsächlich erbrachte von der vertraglich geschuldeten Leistung abweicht (P. Bydlinski in KBB3 § 922 Rz 1 mwN; RIS-Justiz RS0107681, RS0018547). Das gilt auch im Fall eines Mietvertrags: Der Umfang des Gebrauchs und die Pflicht zu dessen Gewährung unterliegt grundsätzlich der Parteidisposition (10 Ob 204/97s = MietSlg 50.148). Ist den Parteien bei Vertragsabschluss bewusst, dass das Mietobjekt ganz oder teilweise unbrauchbar ist, dann wird dieser Umstand zum Vertragsinhalt. Die Leistung des Vermieters ist in diesem Fall vertragskonform, ein (subjektiver) Mangel iSd Gewährleistungsrechts liegt von vornherein nicht vor. Ansprüche des Mieters können sich daher nur aus den §§ 879 oder 934 ABGB oder aus zwingenden Vorschriften des Mietrechtsgesetzes ergeben.
1.3. Nichts anderes kann gelten, wenn während eines Mietverhältnisses aufgrund inzwischen bekannt gewordener Mängel ein Vergleich über die Höhe des Mietzinses geschlossen wird. Damit akzeptiert der Mieter den Zustand des Mietobjekts; im Gegenzug wird - zur Herstellung der subjektiven Äquivalenz - der Mietzins reduziert. Ein (subjektiver, dh vertragsbezogener) Mangel, der Rechtsbehelfe des Gewährleistungsrechts begründen könnte, liegt auch in diesem Fall - Wirksamkeit des Vergleichs vorausgesetzt - nicht mehr vor.
1.4. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte im Verfahren vor der Schlichtungsstelle und im darauf folgenden gerichtlichen Verfahren behauptet, dass das Mietobjekt (auch) wegen gravierender Mängel an der Elektroinstallation „unbrauchbar“ sei. Er hat diesen Umstand nicht zum Anlass genommen, nach § 1117 ABGB vom Vertrag abzustehen, sondern die Feststellung eines nach § 15a Abs 3 Z 4 MRG angemessenen Mietzinses verlangt (Kategorie „D unbrauchbar“). In weiterer Folge hat er mit der Klägerin einen Vergleich geschlossen, der einen im Wesentlichen dieser Kategorie entsprechenden Mietzins vorsieht. Dieser Vergleich galt zwar nach seinem Wortlaut nur für die Zeit ab . Der Beklagte hat aber nicht bestritten, dass er den nun vereinbarten Mietzins auch für die Zeit davor vorbehaltlos geleistet hat; das ergibt sich auch aus den von ihm selbst vorgelegten Urkunden (Beilage ./13). Daraus hat das Berufungsgericht zutreffend abgeleitet, dass der Beklagte den wegen der mangelhaften Elektroinstallationen unbrauchbaren Zustand der Wohnung gegen entsprechende Minderung des Mietzinses akzeptiert hat; der Vertrag wurde in diesem Sinn geändert. Unter diesen Umständen liegt kein Mangel mehr vor, der zu einer (weiteren) Minderung des Mietzinses und (allenfalls) der Betriebskosten berechtigte.
1.5. § 3 Abs 1 und Abs 2 Z 2 MRG idF der WRN 2006 stehen der Wirksamkeit dieses Vergleichs nicht entgegen.
(a) Diese Bestimmungen waren nach § 49e Abs 1 und 9 MRG schon im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses anwendbar. Der Vermieter ist danach verpflichtet, vom Mietgegenstand ausgehende erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner - anders als nach alter Rechtslage - auch dann zu beseitigen, wenn es sich dabei nicht um ernste Schäden des Hauses handelt (5 Ob 173/10t ua mwN). Auf diesen Anspruch kann der Mieter im Voraus nicht verzichten (RIS-Justiz RS0021223).
Aus diesem zwingenden Charakter von § 3 Abs 2 Z 2 MRG könnte abgeleitet werden, dass ein erheblich gesundheitsgefährdender Zustand des Mietobjekts nicht wirksam vereinbart werden kann. Denn ließe man eine solche Vereinbarung zu, bestünde ein Wertungswiderspruch: Obwohl der Vermieter nach § 3 MRG zu einer (weiteren) Leistung verpflichtet wäre, müsste ansonsten - und daher auch für die Anwendung der Zinsminderungsregeln - von der Vertragskonformität des Mietobjekts und damit der Leistung des Vermieters ausgegangen werden.
(b) Ob die letztgenannte Auffassung zutrifft, kann hier allerdings offen bleiben. Denn nur ein im Voraus abgegebener Verzicht auf Ansprüche nach § 3 MRG ist unwirksam. Dies wird damit begründet, dass der Mieter nicht vor die Wahl gestellt werden soll, entweder einen für ihn nachteiligen Vertrag zu akzeptieren oder das Mietobjekt eben nicht zu bekommen (6 Ob 174/99b = MietSlg 51.132). Ist dieser Druck nach Abschluss des Mietvertrags weggefallen, so besteht zumindest bei einem bereits bestehenden Anspruch kein Grund, einen Verzicht, der die Grenzen des allgemeinen Zivilrechts (§ 879 ABGB) nicht überschreitet, nicht zuzulassen (1 Ob 589/94 = SZ 67/210; 6 Ob 174/99b; RIS-Justiz RS0021223 [T1, T4]).
(c) Ein solcher nachträglicher Verzicht lag hier vor. Der - auch im Außerstreitverfahren anwaltlich vertretene - Beklagte hätte aufgrund von § 3 MRG idF der WRN 2006 eine Sanierung der gesundheitsgefährdenden Elektroinstallationen durchsetzen können. Statt dessen strebte er eine Mietzinsminderung auf Kategorie „D unbrauchbar“ an und schloss in weiterer Folge einen entsprechenden Vergleich. Dieses Verhalten kann nur als Verzicht auf den nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG bestehenden Anspruch auf Sanierung der Elektroinstallationen gedeutet werden, der außerhalb einer Drucksituation abgegeben wurde und daher wirksam ist. Damit wurde aber der tatsächliche Zustand der Wohnung Vertragsinhalt, sodass eine (weitere) Mietzinsminderung und damit auch die hier strittige Minderung der Betriebskosten jedenfalls ausscheidet.
1.6. Der vom Beklagten behauptete Irrtum über die Vergleichsgrundlage (RIS-Justiz RS0032511) ist nicht erkennbar. Denn bereits bei Abschluss des Vergleichs stand aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen fest, dass die Elektroinstallationen wegen des (zumindest) weitgehenden Fehlens von Schutzeinrichtungen und der veralteten Kabelummantelungen gravierend mangelhaft waren und daher einer „Generalsanierung“ bedurften. Dass solche Mängel unter Umständen lebensgefährlich sein können, war schon zu diesem Zeitpunkt offenkundig. Auch dem Beklagten musste daher bewusst sein, dass er die Elektroanlage zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren unverzüglich erneuern musste. Davor war die Wohnung, wie der Beklagte selbst behauptet hatte, unbrauchbar (dh nicht benutzbar). Das im vorliegenden Verfahren eingeholte Gutachten bestätigte diesen Umstand, brachte sonst aber keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Ein relevanter Willensmangel liegt daher nicht vor.
2. Auch die auf Präklusion und Verjährung gestützten Einwände des Beklagten bleiben erfolglos.
2.1. Die Klägerin hat für die Geltendmachung der Betriebskosten das System der Jahrespauschalverrechnung iSv § 21 Abs 3 MRG gewählt. Nach dieser Bestimmung darf der Vermieter
„zur Deckung der im Lauf eines Kalenderjahres fällig werdenden Betriebskosten und öffentlichen Abgaben einen
gleichbleibenden Teilbetrag zur Anrechnung bringen [...], der vom Gesamtbetrag der Betriebskosten und der öffentlichen Abgaben des vorausgegangenen Kalenderjahres zu errechnen ist und im Fall einer zwischenzeitlichen Erhöhung von Betriebskosten oder den öffentlichen Abgaben um höchstens 10 vH überschritten werden darf. […] In den Fällen einer Jahrespauschalverrechnung beginnt die einjährige Frist zur Geltendmachung der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die Betriebskosten und öffentlichen Abgaben gegenüber dem Vermieter fällig geworden sind. [...]“
Unter der „Geltendmachung“ von Bewirtschaftungskosten ist deren Bekanntgabe und Nachweis zu verstehen. Bei der Pauschalvorschreibung erfolgt dies nach ständiger Rechtsprechung dadurch, dass der Vermieter die Abrechnung für ein Kalenderjahr bis zum 30. Juni des Folgejahres an einer geeigneten Stelle im Haus zur Einsicht auflegt und den Mietern in geeigneter Weise Einsicht in die Belege gewährt (RIS-Justiz RS0070049, RS0108925). Das ist hier nach den Feststellungen jedes Jahr geschehen. Die Ansprüche sind daher nicht präkludiert.
2.2. Die durch eine Klage bewirkte Unterbrechung der Verjährung bleibt nur aufrecht, wenn der Kläger das Verfahren gehörig fortsetzt (§ 1497 ABGB). Nicht gehörige Fortsetzung ist dann anzunehmen, wenn die Untätigkeit des Klägers ungewöhnlich ist und er damit zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nicht mehr gelegen ist (RIS-Justiz RS0034765). Die Untätigkeit ist nur soweit relevant, als sie in die Zeit nach Ablauf der (ursprünglichen) Verjährungsfrist fällt (1 Ob 165/09k = ecolex 2010, 249; Dehn in KBB3 § 1497 Rz 11).
Im vorliegenden Fall hatte das Gericht im Unterbrechungsbeschluss angeordnet, dass das Verfahren nur auf Antrag einer Partei fortgesetzt würde. Damit war die Klägerin zu einem prozessualen Handeln verpflichtet; die gehörige Fortsetzung des Verfahrens ist in einem solchen Fall nach einem strengen Maßstab zu beurteilen (RIS-Justiz RS0109334 [T1, T2, T3]). Allerdings ist zu beachten, dass die ursprüngliche Verjährungsfrist beim weit überwiegenden Teil der Betriebskostenraten (nämlich bei jenen ab Dezember 2004) im Zeitpunkt des Fortsetzungsantrags noch gar nicht abgelaufen war. Insofern konnte daher keinesfalls Verjährung eintreten. Nur bei den Raten für Mai, Juni und Juli 2004 lag die gesamte Untätigkeit der Klägerin nach Ablauf der Verjährungsfrist. Lediglich hier ist daher tatsächlich eine im Sinn von 1 Ob 165/09k verjährungsrechtlich relevante Untätigkeit der Klägerin von knapp fünf Monaten anzunehmen, die allenfalls eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens indizieren könnte; bei den Raten für August, September, Oktober und November 2004 war diese relevante Untätigkeit entsprechend kürzer. Damit lag insgesamt noch keine „ungewöhnliche“ Untätigkeit (RIS-Justiz RS0034765) vor, aus der der Beklagte ableiten durfte, dass die Klägerin von der weiteren Durchsetzung einzelner Betriebskostenraten abstehen wolle. Der Einwand der nicht gehörigen Fortsetzung muss daher scheitern.
3. Das Berufungsgericht hat den Aufhebungsbeschluss mit fehlender Spruchreife der Gegenforderung begründet. Die Klägerin bringt dazu in der Rechtsmittelbeantwortung vor, der Beklagte habe die Zahlung der Gegenforderung ohnehin zugestanden, weshalb insofern kein weiteres Verfahren erforderlich sei. Dabei übersieht sie, dass sich dieses Zugeständnis nur auf den gegenüber der Klägerin selbst titulierten Betrag von 1.160,11 EUR bezog, nicht aber auf die weitere Gegenforderung von 9.125,25 EUR, für die die Klägerin aufgrund ihrer Rechtsbeziehungen mit der Nebenintervenientin haften soll. Dieser Punkt wird im fortgesetzten Verfahren zu erörtern sein. Hingegen folgt aus der Wirksamkeit des im Außerstreitverfahren geschlossenen Vergleichs (oben Punkt 1.), dass die ebenfalls compensando eingewendete Forderung auf Rückzahlung des Mietzinses nicht zu Recht besteht. Insofern ist daher keine Verfahrensergänzung erforderlich. Ebenfalls abschließend erledigt sind der Präklusions- und der Verjährungseinwand.
4. Aufgrund dieser Erwägungen ist der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts im Ergebnis zu bestätigen.
Behauptet der Mieter in einem Verfahren zur Überprüfung des Hauptmietzinses die Unbrauchbarkeit der Wohnung wegen grob mangelhafter Elektroinstallationen und wird daraufhin der Mietzins in einem Vergleich auf jenen nach § 15a Abs 3 Z 4 MRG herabgesetzt (Kategorie „D unbrauchbar“), ist eine weitere Mietzinsminderung nach § 1096 ABGB ausgeschlossen. In einem solchen Vergleich liegt im Regelfall auch ein wirksamer Verzicht auf den Anspruch auf Sanierung der Installationen nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Streitiges Wohnrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00191.10G.0323.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAD-33467