OGH vom 04.07.2017, 3Ob108/17d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. mj V*****, 2. mj K*****, beide vertreten durch ihre Mutter Dr. U*****, diese vertreten durch Mag. AnnaMaria Freiberger, Rechtsanwältin in Wien, gegen die verpflichtete Partei Dr. J*****, vertreten durch Mag. Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen 16.550 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 47 R 386/16m10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom , GZ 12 E 2383/16w2, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Exekutionsbewilligung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Kosten des Revisionsrekurses werden mit 1.175,22 EUR (darin enthalten 195,87 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung:
Die Betreibenden beantragten zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Unterhaltsforderungen die Bewilligung der Fahrnisexekution sowie der Forderungsexekution nach § 294 EO hinsichtlich der dem Verpflichteten gegenüber zwei Drittschuldnern (einer Krankenkasse und einem Krankenhausträger) zustehenden – auch künftigen – (Honorar-)Forderungen. Der Verpflichtete sei bei den Drittschuldnern „als Konsiliararzt bzw Belegarzt tätig“ und habe gegen sie „Forderungen auf Werklohn/Honorar oder Treuhanderlag bzw sonstige Forderungen [...] aus bereits abgeschlossenen (Belegarzt-)Verträgen und aufgrund sämtlicher fortlaufender (Belegarzt-)Verträge, die er mit den jeweiligen Drittschuldnern ständig oder auch aufgrund eines Rahmenvertrags bzw AGB“ abschließe oder abgeschlossen habe.
Das bewilligte die Exekution antragsgemäß.
Das wies über Rekurs des Verpflichteten den Exekutionsantrag ab, soweit er auf Bewilligung der Forderungsexekution gemäß § 294 EO hinsichtlich der dem Verpflichteten gegen die Drittschuldner zustehenden künftigen Forderungen gerichtet ist, also solcher, die nicht aus bereits abgeschlossenen Behandlungsverträgen des Verpflichteten mit Patienten (als Belegarzt) oder aus bereits abgeschlossenen Werkverträgen mit den Drittschuldnern (als Konsiliararzt) resultieren und schon fällig sind. Das Belegarztsystem sei durch ein verschiedene Vertragsverhältnisse (Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient, Krankenhausaufnahmevertrag zwischen Krankenhausträger und Patient sowie Rahmenvertrag zwischen Arzt und Krankenhausträger) umfassendes Dreieckssystem charakterisiert. Im Rechtsverhältnis zwischen Krankenhausträger und Belegarzt kämen üblicherweise Rahmenverträge bzw AGB zur Anwendung. Ein solcher Rahmenvertrag sei in der Regel ein unbefristetes Dauerschuldverhältnis. Der Patient schulde aufgrund des sogenannten gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrags (mit dem Träger des Belegspitals und mit dem Belegarzt) das für beide Verträge anfallende Honorar. Möglich sei dabei die Zession des Belegarzthonorars an das Belegspital, das dann beide Honorare einhebe. Vor allem im Bereich der privaten Krankenversicherung werde das Honorar praktisch ausschließlich im Wege der Krankenanstalt, die als Zahlstelle hinsichtlich der Verrechnung der Arzthonorare fungiere, geltend gemacht. Die von den Betreibenden im Exekutionsantrag aufgestellten Behauptungen seien für die Annahme einer Pfandrechtserstreckung nach § 299 EO nicht ausreichend. Ein andauerndes Vertragsverhältnis sei nur hinsichtlich eines behaupteten bereits abgeschlossenen Rahmenvertrags bezüglich einer Belegarzttätigkeit des Verpflichteten nachvollziehbar dargestellt. Dieses allein führe aber noch nicht zu Ansprüchen des Verpflichteten gegen die Drittschuldner. Dafür bedürfe es vielmehr des Abschlusses weiterer Verträge, nämlich auf Behandlung einzelner Patienten. Erst daraus resultierten Honoraransprüche des Verpflichteten, zu deren „Herausgabe“ der Träger des Belegspitals aufgrund eines bereits bestehenden Rahmenvertrags verpflichtet sein könne. In Ansehung von Einkünften als Konsiliararzt lasse sich dem Exekutionsantrag nicht plausibel entnehmen, auf welcher Art Rechtsverhältnis diese beruhen sollten. Die von den Betreibenden gebrauchte Formulierung „Werklohn/Honorar“ lege vielmehr das wiederholte Eingehen mehrerer ähnlicher Vertragsverhältnisse nahe.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, „inwieweit Rahmenverträge wie hier gegenständlich eine taugliche Grundlage für eine Pfandrechtserstreckung nach § 299 EO bilden können“.
Rechtliche Beurteilung
Der der Betreibenden ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung des Rekursgerichts und .
1. Gemäß § 299 Abs 1 EO erstreckt sich das Pfandrecht, das durch die Pfändung einer Gehaltsforderung oder einer anderen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung erworben wird, auch auf die nach der Pfändung fällig werdenden Bezüge.
2. Der Begriff der „fortlaufenden Bezüge“ ist nicht allzu eng auszulegen; wesentlich ist nur, dass aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis mehrfach Forderungen des Verpflichteten entstehen (Oberhammer in Angst/Oberhammer3§ 299 EO Rz 2 mwN). Zu den fortlaufenden Bezügen iSd § 299 Abs 1 EO gehören Leistungen jeder Art, die aus einem fortdauernden Vertragsverhältnis oder aus einem einheitlich wirkenden Rechtsgrund dem Berechtigten fortlaufend zufließen. Das Gesetz verlangt nicht, dass der Rechtsgrund, aus dem die fortlaufenden Bezüge zustehen, ein ähnliches Vertragsverhältnis wie bei Gehaltsbezügen aus einem Angestelltenverhältnis sei, sondern nur, dass es ähnlich wie bei einem Gehalt fortlaufende Bezüge aus einem wie immer gearteten Rechtsverhältnis sind (RISJustiz
RS0003967).
3. Unter § 299 Abs 1 EO fallen nach der Rechtsprechung insbesondere
regelmäßig und fortlaufend aufgrund eines dauernden Vertragsverhältnisses bezogene
Provisionen (RISJustiz
RS0004051, RS0003944), wiederkehrende Tantiemenbezüge eines Komponisten aus einem Rechtsverhältnis zur Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (RISJustiz RS0003979), und – außerhalb des Anwendungsbereichs der Exekutionsbeschränkung des § 42 Abs 1 MRG – alle auch erst künftig fällig werdenden Forderungen an Mietzinsen oder Kautionen (RISJustiz
RS0003984). Es wurde auch bereits judiziert, dass zu den fortlaufenden Bezügen iSd § 299 Abs 1 EO Forderungen aus einem bestehenden Lieferungsvertrag ebenso wie die Bezüge eines Vertragsarztes der Krankenkasse gehören (3 Ob 355/61 SZ 34/131 mwN).
4. Ausgehend von dieser Rechtsprechung handelt es sich bei den von den Betreibenden behaupteten Ansprüchen des Verpflichteten gegen die erste Drittschuldnerin (Krankenkasse) entgegen der Ansicht des Rekursgerichts unzweifelhaft um fortlaufende – auf einem Rahmenvertrag (Kassenvertrag) beruhende – Bezüge iSd § 299 Abs 1 EO.
5. Das Rekursgericht hat grundsätzlich richtig erkannt, dass den behaupteten Ansprüchen des Verpflichteten als Belegarzt gegen die zweite Drittschuldnerin (Betreiberin des [Beleg]Spitals) im – mangels gegenteiligen Vorbringens hier als gegeben anzunehmenden – Regelfall ein Rahmenvertrag zugrunde liegt. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts schadet es allerdings nicht, dass der Honoraranspruch des Verpflichteten aufgrund seiner Tätigkeit als Belegarzt den Abschluss gesonderter Behandlungsverträge mit den einzelnen Patienten voraussetzt. Dass der Verpflichtete laufend Gegenleistungen für die vom Pfandrecht erfassten laufenden Bezüge zu erbringen hat, hindert die Pfandrechtserstreckung nach § 299 Abs 1 EO nicht (Oberhammer in Angst/Oberhammer3§ 299 EO Rz 2). Die rechtliche Position des Belegarztes gegenüber dem Belegspital entspricht insofern der eines Arztes, der aufgrund eines Kassenvertrags mit der Krankenkasse dieser gegenüber ebenfalls nur Anspruch auf Vergütung jener Leistungen hat, die er für seine (bei der Krankenkasse versicherten) Patienten auf Basis der mit diesen geschlossenen Behandlungsverträge erbracht hat.
6. Der Revisionsrekurs erweist sich daher als berechtigt, sodass die Exekutionsbewilligung des Erstgerichts wiederherzustellen ist.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO.
Die Rekursbeantwortung der Betreibenden zum Rekurs des Verpflichteten (ON 7) ist nicht zu honorieren, weil das Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – nach wie vor einseitig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Fachsenats ist eine dennoch erstattete Rechtsmittelbeantwortung mangels gesetzlicher Anordnung zwar nicht zurückzuweisen (RISJustiz RS0118686 [T11]); sie dient allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (RISJustiz RS0118686 [T12]).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00108.17D.0704.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement,5 Exekutionssachen |
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