OGH vom 04.09.2013, 7Ob110/13x

OGH vom 04.09.2013, 7Ob110/13x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. (FH) M***** G*****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Erteilung von Auskünften, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 75/13z 12, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegen die Klägerin wird ein Ermittlungsverfahren geführt, in dem der in die Sachverständigenliste eingetragene Beklagte zum Sachverständigen bestellt wurde. Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, Auskünfte über seine Haftpflichtversicherung zu erteilen. Es bestünden Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Beklagten, der bereits mehrfach falsche Gutachten in anderen Strafverfahren erstattet habe. Der Klägerin würden bei einem neuerlich falschen Gutachten beträchtliche Kosten erwachsen. Sie habe daher ein berechtigtes Interesse zu erfahren, ob der Beklagte über den entsprechenden Versicherungsschutz verfüge. Das Auskunftsrecht ergebe sich aus § 2a Abs 1 SDG und aus dem vertragsähnlichen Verhältnis zwischen den Streitteilen.

Rechtliche Beurteilung

1. Allein das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einer bestimmten Fallgestaltung begründet für sich noch nicht eine erhebliche Rechtsfrage (RIS Justiz RS0042656), insbesondere wenn das Gesetz selbst eine eindeutige Regelung trifft oder im Wege einfacher Auslegung ein eindeutiges Ergebnis erzielt werden kann.

Nach den eindeutigen gesetzlichen Regelungen der §§ 2 und 2a SDG hat der Sachverständige zwar dem listenführenden Präsidenten (gemäß § 11 Abs 1 Z 5 Geo dem Präsidenten des Gerichtshofs erster Instanz) den Nachweis über das Bestehen der vom Gesetzgeber geforderten Pflichtversicherung zu erbringen. Ein Recht der Parteien, von dem im Verfahren beigezogenen Sachverständigen Auskunft über seine Haftpflichtversicherung fordern zu können, wird nicht eingeräumt.

2. Schutzgesetze sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines bestimmten Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RIS Justiz RS0027710). Erst in Kombination mit § 1311 ABGB führt ein schuldhafter Verstoß gegen eine solche Anordnung, durch die ein Schaden bei einer vom Handelnden verschiedenen Person hervorgerufen wird, zur Ersatzpflicht ( Harrer in Schwimann ABGB³ VI § 1311 Rz 9 f; Huber in Schwimann ABGB Taschenkommentar² § 1311 Rz 2; Reischauer in Rummel ³ § 1311 ABGB Rz 4a je mwN).

Selbst wenn die Verfahrensbeteiligten vom Schutzzweck des § 2a SDG erfasst sein sollten was hier dahingestellt bleiben kann , lässt sich aus der klaren gesetzlichen Regelung des § 2a SDG, die eine Auskunftspflicht des Sachverständigen nur gegenüber dem Justizverwaltungsorgan vorsieht, keine taugliche Rechtsgrundlage für ein privatrechtliches Auskunftsbegehren einer Partei gegenüber dem im Verfahren beigezogenen Sachverständigen ableiten.

3. Der Rechnungslegungsanspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO, zu dessen klageweisen Geltendmachung nach Abs 2 nur befugt ist, wer ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens- oder des Schuldenstandes hat, begründet keinen materiell rechtlichen Anspruch auf Rechnungslegung, sondern setzt einen solchen aus Gesetz oder Vertrag entstandenen Anspruch voraus (RIS Justiz RS0034986). Das Zivilrecht enthält aber keine generellen oder einheitlichen Regelungen, unter welchen Voraussetzungen, worüber und in welcher Weise jemand einem Anderen eine Aufklärung schuldig ist. Dieser Anspruch muss auch nicht ausdrücklich vereinbart sein, sondern kann sich aus der Natur der privatrechtlichen Beziehung dort ergeben, wo es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts in Unkenntnis, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen und diese Auskunft dem Verpflichteten nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zugemutet werden kann (RIS Justiz RS0035050, RS0033946). Der Rechnungslegungsanspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO setzt unter anderem voraus, dass der nach materiellem Recht auf Grund einer Sonderbeziehung Auskunftsberechtigte gegen den Auskunftsverpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, zu erheben vermag, wenn dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (RIS Justiz RS0106851).

Ob der vom Gericht dem Beklagten erteilte Auftrag zur Gutachtenserstattung einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter darstellt und somit ein vertragsähnliches Sonderrechtsverhältnis zwischen den Streitteilen begründet, kann dahingestellt bleiben. Entgegen der Ansicht der Klägerin ließe sich selbst bei Bejahung eines solchen keine Auskunftspflicht gegenüber dem Beklagten „zur Abwehr eines möglichen Schadens im Vorfeld“ ableiten, steht doch damit Befund und Gutachten wurde bislang überhaupt noch nicht erstattet schon kein annähernd bestimmtes Klagebegehren der Klägerin im Raum. Darüber hinaus ist die von der Klägerin gewünschte Auskunft selbst für die allfällige Geltendmachung von Schadenersatzforderungen gegenüber dem Beklagten nicht erforderlich, betrifft sie doch lediglich die Frage deren Einbringlichkeit.

Auch die Ausführungen der Klägerin, sie müsse Auskunft darüber erhalten, ob der Beklagte die gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Ausübung seines Amts erfülle, um sich allenfalls gegen die Bestellung eines nicht gesetzeskonform versicherten Sachverständigen wehren zu können, lassen kein berechtigtes Interesse an der geltend gemachten Auskunftserteilung erkennen. Ihr Argument geht unter anderen schon deshalb fehl, weil zum Sachverständigen auch Personen bestellt werden können, die nicht in die Liste eingetragen sind (vgl § 126 StPO). Der Abschluss der Pflichtversicherung nach § 2a SDG ist lediglich Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der Sachverständigen.

4. Die Klägerin zeigt insgesamt weder eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO noch eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf. Ihr außerordentliches Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00110.13X.0904.000