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OGH vom 11.08.2020, 4Ob106/20x

OGH vom 11.08.2020, 4Ob106/20x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beklagten Mag. A***** P*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Riha, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 31.000 EUR), über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 181/19y-23, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 48 Cg 27/18p-19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.961,82 EUR (darin enthalten 326,97 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Rechtsvorgänger der nunmehrigen Eigentümerinnen eines innerstädtischen Grundstücks schloss im Jahr 1980 mit dem Beklagten als protokolliertem Einzelunternehmer einen Mietvertrag über diese Liegenschaft und räumte ihm darin ein Vorkaufsrecht daran ein, ohne aber eine einverleibungsfähige Urkunde zu unterfertigen. Erst im Jahr 1990 kam es – unter Bezugnahme auf den Mietvertrag –zu einer Vereinbarung zwischen den nunmehrigen Eigentümerinnen und dem Beklagten über die Einverleibung des im Mietvertrag eingeräumten Vorkaufsrechts. Im Jahr 1994 brachte der Beklagte sein Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft ein. 2017 schloss die Klägerin (als Käuferin) mit den Eigentümerinnen einen Kaufvertrag über die Liegenschaft. Die Klägerin stellte sich letztlich auf den Standpunkt, dass durch die Einbringung des Unternehmens des Beklagten in eine Kapitalgesellschaft das Vorkaufsrecht untergegangen sei, was vom Beklagten bestritten wird.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das zugunsten des Beklagten eingetragene Vorkaufsrecht erloschen sei.

Der Beklagte wendete ein, das Vorkaufsrecht sei ihm persönlich eingeräumt und verbüchert worden, es sei nicht mit der Dauer des Mietvertrags befristet und auch nicht auf die Kapitalgesellschaft übergegangen bzw sei es nicht durch die Einbringung untergegangen. Er habe sein Vorkaufsrecht rechtswirksam ausgeübt. Im Übrigen fehle der Klägerin die Aktivlegitimation.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Dem Beklagten sei das Vorkaufsrecht nicht ad personam, sondern als Inhaber seines Einzelunternehmens eingeräumt worden. Das Vorkaufsrecht sei daher mit der Unternehmensveräußerung im Jahr 1994 erloschen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zur Frage, ob das einem Einzelunternehmer in einem Bestandvertrag eingeräumte Vorkaufsrecht erlösche, wenn das Einzelunternehmen in eine Kapitalgesellschaft eingebracht und diese dadurch Vertragspartei des Bestandvertrags werde, zulässig sei. Das Vorkaufsrecht sei als Nebenabrede zum Mietvertrag abgeschlossen worden und mit der Beendigung der Mietereigenschaft des Beklagten erloschen.

Der Beklagte beantragt mit seiner von der Klägerin beantworteten , die Klage abzuweisen, in eventu die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Das Rechtsmittel zeigt jedoch keine erheblichen Rechtsfragen auf und ist daher ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts und somit zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision releviert zunächst die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin. Aus 10 Ob 76/07k gehe hervor, dass der Drittkäufer einer Liegenschaft nur dann auf Feststellung des Erlöschens eines Vorkaufsrechts klagen könne, wenn der Vorkaufsberechtigte von seinem Vorkaufsrecht nicht fristgerecht Gebrauch gemacht habe. Der genannten Entscheidung ist allerdings nur zu entnehmen, dass der Drittkäufer, dessen Eigentumsrecht noch nicht einverleibt ist, nicht selbst die Löschungsklage anstrengen kann. Er kann aber auf Feststellung, dass das Vorkaufsrecht des Begünstigten erloschen ist, sowie auf Unterlassung der Verbücherung eines zwischen dem Eigentümer und dem Vorkaufsberechtigten abgeschlossenen Kaufvertrags klagen. Dass die Aktivlegitimation nur im Falle des Erlöschens des Vorkaufsrechts wegen nicht fristgerechten Gebrauchs besteht, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Auf die weiteren Argumente des Berufungsgerichts zur Begründung der Aktivlegitimation geht die Revision nicht ein. Insoweit fehlt es daher an der gesetzlichen Ausführung der Rechtsrüge (vgl RIS-Justiz RS0043603 [T9], RS0043312 [T13]), jedenfalls wird hierzu aber keine erhebliche Rechtsfrage ausgeführt.

2. Die in der Revision thematisierte Frage der Übertragung des Vorkaufsrechts an die Kapitalgesellschaft kann dahingestellt bleiben.

Entscheidungswesentlich ist nämlich die Frage der Verknüpfung des Vorkaufsrechts mit dem Einzelunternehmen des Beklagten und mit dem von ihm für dieses Unternehmen abgeschlossenen Mietvertrag. Diesbezüglich ist das Berufungsgericht (aufgrund vertretbarer Vertragsauslegung) zum Schluss gekommen, dass das Vorkaufsrecht als Nebenabrede im Zusammenhang mit der Vermietung des Bestandobjekts zu Geschäftszwecken vom Bestand des Mietvertrags abhängen und mit seinem Wegfall erlöschen sollte.

2.1. Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den § 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RS0017915; vgl auch RS0014205). Auch für die Auslegung von Willenserklärungen gilt daher die Vertrauenstheorie (RS0017840 [T1], vgl auch RS0014161 [T1] und RS0014160): Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der ihm erkennbaren Umstände im Einzelfall verstehen musste (RS0053866 [T3]). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, ist nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936, RS0044358, RS0042776).

2.2. Ausgehend vom festgestellten Wortlaut der Vereinbarungen ist das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts vertretbar. Aus dem Mietvertrag geht hervor, dass das Bestandobjekt zu Geschäftszwecken vermietet wird; als Mieter wird dort ausschließlich die „Prot. Fa. [...], Alleininhaber [Beklagter]“ genannt. Auch wurde festgestellt, dass anschließend die neuen Eigentümerinnen der Liegenschaft mit der Vereinbarung aus 1980 (in der der Beklagte als Vorkaufsberechtigter genannt wird) kein von der ursprünglichen Vereinbarung abweichendes Vorkaufsrecht einräumen wollten.

2.3. Diese Auslegung ist auch von der Rechtsprechung gedeckt: Ein als Nebenabrede eines Bestandvertrags vereinbartes Vorkaufsrecht erlischt – auch ohne diesbezügliche Erklärung – mit Beendigung des Bestandvertrags. Wenn zwischen den Parteien ein Mietvertrag geschlossen und im zeitlichen Zusammenhang mit diesem Vertrag ein Vorkaufsrecht eingeräumt wurde und beide Rechte in die selbe Urkunde aufgenommen wurden, muss die Absicht der Parteien, dieses Vorkaufsrecht unabhängig vom Mietvertrag einzuräumen, deutlich erkennbar erklärt werden (RS0020359 [T1, T 2]; 3 Ob 186/13v mwN). Dies war hier nicht der Fall.

2.4.1. Die Revision beanstandet in diesem Zusammenhang die „überraschende Berücksichtigung von überschießenden Feststellungen“. Im Ergebnis will der Beklagte damit aber offenbar einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen das Überraschungsverbot aufzeigen, moniert er doch, dass die Klägerin eine derartige Rechtsansicht (Relevanz des Mietverhältnisses für den aufrechten Bestand des Vorkaufsrechts) nicht vorgebracht und das Vorbringen des Beklagten, wonach das Vorkaufsrecht nicht mit der Dauer des Mietverhältnisses befristet worden sei, nicht substanziiert bestritten habe.

2.4.2. Das Gericht darf die Parteien in einer Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RS0037300). Das Gericht hat das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und darf seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es diese mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat (RS0037300 [T46]). Die Unterlassung der Erörterung eines bisher unbeachtet gebliebenen rechtlichen Gesichtspunktes kann nur dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn dadurch einer Partei die Möglichkeit genommen wurde, zur bisher unbeachtet gebliebenen Rechtslage entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten (RS0037300 [T44]). Ob das Überraschungsverbot verletzt wurde, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu lösende Frage, die keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 ZPO aufwirft (RS0037300 [T31]).

2.4.3. Hier ist das Vorbringen der Klägerin durchaus in dem Sinn zu verstehen, dass das Vorkaufsrecht vom Bestandvertrag mit dem Unternehmen des Beklagten abhing. Überdies gesteht der Beklagte selbst zu, zu diesem Tatsachenkomplex ein entsprechendes (Rechts-)Vorbringen in erster Instanz erstattet zu haben. Er führt in der Revision auch nicht an, welches (zusätzliche) Vorbringen er erstattet hätte, wenn dieser rechtliche Gesichtspunkt (Befristung des Vorkaufsrechts auf die Dauer des Mietverhältnisses) mit ihm erörtert worden wäre.

2.5.1. Zuletzt argumentiert der Beklagte, dass das Berufungsgericht keine Vertragsauslegung (Orientierung am objektiven Erklärungswert) hätte vornehmen dürfen, weil weder dieses, noch das Erstgericht Feststellungen zu einem allenfalls abweichenden Parteiwillen getroffen hätten. Erst wenn hierzu Feststellungen getroffen seien, dürfe ein Vertrag überhaupt ausgelegt werden.

2.5.2. Der Beklagte übersieht in diesem Zusammenhang, dass er in erster Instanz keinen vom Inhalt der Urkunde abweichenden Parteiwillen behauptet hat. Damit erübrigte sich aber die vom ihm vermisste Erforschung einer vom zu unterstellenden Wortsinn allenfalls abweichende Parteienabsicht (vgl 3 Ob 73/14b).

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00106.20X.0811.000

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Fundstelle(n):
LAAAD-33236

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