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OGH vom 27.11.2018, 4Ob106/18v

OGH vom 27.11.2018, 4Ob106/18v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin V***** GmbH, *****, vertreten durch Englmair Rechtsanwalts GmbH in Linz, gegen die Beklagten 1. I***** GmbH, 2. J***** H*****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 93.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 2 R 6/18a-18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die Urkundenvorlage der Beklagten vom wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Revisionsrekurswerber behaupten nach Zurückweisung ihres Parteiantrags (VfGH G 412/2017 – ON 17) weiterhin, § 24 UWG sei verfassungswidrig. Damit zeigen sie keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RIS-Justiz RS0116943). § 24 UWG erlaubt im Lauterkeitsrecht die Bewilligung von Sicherungsverfügungen ohne Gefahrenbescheinigung und ohne besondere „Dringlichkeit“ oder „Eilbedürftigkeit“ (RIS-Justiz RS0005170; RS0121554; 4 Ob 201/14h) deswegen, weil der Gesetzgeber bei typisierender Betrachtung davon ausging, diese Anspruchsvoraussetzungen lägen bei UWG-Verfügungen im Regelfall ohnehin vor (Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek², § 24 Rz 9; Konecny, Der Anwendungsbereich einstweiliger Verfügungen 231). Eine derartige Durchschnittsbetrachtung ist verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern sie nicht der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht (RIS-Justiz RS0054009 [insb T 3]; vgl auch VfSlg 11.900; 19.635 [Rn 2.6.3]; Berka in Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art 7 B-VG Rz 56 mwN). Eine derartig unsachliche Differenzierung wird von den Revisionsrekurswerbern nicht aufgezeigt. Auch ihr Vorbringen zur Freiheit der Erwerbsausübung vermag keine Bedenken gegen die Verfassungskonformität von § 24 UWG zu wecken. Dass unternehmerisches Handeln „im Zweifel zulässig“ sein müsse, was ein Unterlassungsgebot im Provisorialverfahren unzulässig machen solle, tangiert nicht die von § 24 UWG allein behandelte Gefahrenbescheinigung (vgl 4 Ob 53/16x, Gesundheitsplattform II [Pt 1.4]), sondern ausschließlich die Anspruchsbegründung, für die § 24 UWG aber gar keine Erleichterungen vorsieht.

1.2. Die Nichtigkeits- und Verfahrensrüge übergeht zunächst, dass die Revisionsrekurswerber ohnehin vor Erlassung der einstweiligen Verfügung angehört wurden. Eine mündliche Verhandlung ist auch nach der Entscheidung des EGMR 17056/06, Micallef gegen Malta, nicht unter allen Umständen zwingend geboten, um den Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK im Provisorialverfahren Genüge zu tun (RIS-Justiz RS0074920 [T10]). Im Übrigen betreffen sämtliche Einwände vom Rekursgericht geprüfte, jedoch verneinte Mängel oder Nichtigkeiten des erstinstanzlichen Verfahrens. Diese können im Revisionsrekurs daher nicht nochmals geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0097225 [T6], RS0043405 [T32], RS0042981 [T2, T 8]), woran sich auch durch die genannte Entscheidung des EGMR nichts geändert hat (RIS-Justiz RS0028350 [T10]; RS0074799 [T13]; 7 Ob 143/17f). Weder Art 6 EMRK (RIS-Justiz RS0074613; RS0043962) noch Art 47 Abs 2 GRC (3 Ob 50/18a mwN; zu dessen Anwendungsbereich siehe im Übrigen 8 Ob 7/13g und RIS-Justiz RS0128689) garantieren insofern ein Recht auf einen mehrstufigen Instanzenzug.

1.3. Der Ablehnungsantrag der Beklagten gegen die Erstrichterin wurde rechtskräftig zurückgewiesen (ON 16). Indem der Revisionsrekurs dies übergeht und Überlegungen zum Prüfkalkül behaupteter Befangenheit anstellt, zeigt er weder eine Nichtigkeit (vgl RIS-Justiz RS0046044; RS0109254) noch eine erhebliche Rechtsfrage auf, die für die Entscheidung präjudiziell wäre. Die Anregung, dem EuGH näher bezeichnete Fragen zu Art 47 GRC vorzulegen, ist daher nicht aufzugreifen.

2.1. Im Rahmen der Rechtsrüge bekämpfen die Beklagten zunächst – unzulässig (vgl RIS-Justiz RS0002192) – die erstgerichtliche Würdigung der vorgelegten Bescheinigungsmittel.

2.2. Ob Schikane vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl RIS-Justiz RS0026265 [T3]; RS0110900). Eine erhebliche Rechtsfrage zeigen die Revisionswerber nicht auf. Entgegen ihrer Darstellung wiegen die festgestellten Wettbewerbsverstöße (unrichtige Deklaration der Inhaltsstoffe von Lebensmitteln) schwer. Da die Streitteile nach den Feststellungen des Erstgerichts Wettbewerber sind, ist auch die Behauptung nicht nachvollziehbar, es handle sich um eine unzulässige Popularklage.

2.3. Auch die von den Beklagten bestrittene Wiederholungsgefahr wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS-Justiz RS0042721; RS0042818; RS0031891). Zumal sie im Prozess auf der Zulässigkeit ihrer Geschäftspraktiken beharrten, ist es jedenfalls vertretbar, Wiederholungsgefahr trotz des Umstands anzunehmen, dass die beanstandeten Produkte zwischenzeitlich nicht mehr in dieser Form in Verkehr gebracht werden.

2.4. Schließlich rügen die Revisionsrekurswerber einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit.

Abgesehen davon, dass die Schweiz kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, wurde den Beklagten nicht der Vertrieb der Produkte, sondern deren irreführende Bewerbung mit falschen Nährwertangaben verboten. Dass die Produkte in der Schweiz lebensmittelrechtlich zugelassen worden seien, ist insofern nicht relevant (vgl auch Pfeifer/Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht³, § 5 UWG Rz 70; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG36§ 3 Rz 1.216). Soweit überhaupt erkennbar, wird dieses Vorbringen nur mit einem Verweis auf die Richtlinie 90/46/EWG begründet, die aber mit außer Kraft trat und durch die Verordnung EU/1169/2011 ersetzt wurde. Zumal Art 7 Abs 1 lit a iVm Abs 4 lit a und b VO (EU) 1169/2011 irreführende Angaben (unter anderem) über Eigenschaften und Zusammensetzung von Lebensmitteln auch in der Werbung und auf Produktverpackungen ausdrücklich untersagt, ist daraus für die Beklagten nichts zu gewinnen (vgl 4 Ob 34/15a [Pt 6]). Insoweit handelt es sich bei dem Verbot falscher Angaben auch keineswegs um ein „unwesentliches Detail der Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten“, das für einen legalen Vertrieb nicht eingehalten werden müsse.

3. Zusammengefasst zeigt der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

4. Dem Rechtsmittelschriftsatz nachfolgende Eingaben der Streitteile sind im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (vgl RIS-Justiz RS0041666) unzulässig. Die Urkundenvorlage der Beklagten im Revisionsrekursverfahren ist daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00106.18V.1127.000
Schlagworte:
Ohne Gefahrenbescheinigung,

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