OGH vom 26.11.1996, 1Ob2339/96v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Christoph S*****, geboren am *****, und des mj. Michael S*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, beide vertreten durch Dr.Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen den Beschluß des Landesgerichts Leoben als Rekursgerichts vom , GZ 2 R 313/96-130, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Liezen vom , GZ 3 P 1846/95-126, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antrag auf Zuspruch von Revisionsrekurskosten wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Im Februar 1993 beantragten die beiden durch ihre Mutter vertretenen und bei dieser in Deutschland wohnhaften Minderjährigen, die väterlichen Großeltern zur ungeteilten Hand zu verpflichten, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von je S 2.830 ab zu zahlen. Die Ehe der Eltern sei geschieden, der Vater sei zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.000 für Michael und von S 2.630 für Christoph verpflichtet. Er sei seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen, weshalb den Kindern Unterhaltsvorschuß gewährt worden sei. Mit seien die Unterhaltsvorschußzahlungen eingestellt worden, weil die Kinder mit ihrer Mutter nach Deutschland verzogen seien. Seit werde deren Unterhalt vom Stiefvater der Kinder bestritten. Die Eltern seien zur Leistung von Unterhalt nicht imstande, sodaß die (väterlichen) Großeltern dafür aufzukommen hätten. Die Mutter sei nicht berufstätig, vermögens- und einkommenslos. Die Aufnahme einer Beschäftigung sei ihr nicht möglich, weil sie ein Kleinkind zu betreuen habe. Der Vater sei arbeits- und vermögenslos. Der Durchschnittsbedarf der Kinder betrage S 2.830; die väterlichen Großeltern seien in der Lage, diese Unterhaltsbeiträge zu bezahlen.
Die väterlichen Großeltern wendeten ein, daß der Vater ab Februar 1993 seiner Unterhaltsverpflichtung nachkomme. Sie selbst seien ohne Gefährdung des eigenen Unterhalts nicht in der Lage, für den Unterhalt ihrer Enkelkinder aufzukommen. Die mütterliche Großmutter erklärte im Zuge einer Vernehmung, ohne wesentliche Einschränkung ihres Lebensstandards nicht in der Lage zu sein, Unterhaltsbeiträge für die Enkelkinder zu leisten. Der mütterliche Großvater erklärte sich zu einer Unterhaltsleistung ebenfalls nicht bereit, weil die gesunden und arbeitsfähigen Eltern der Minderjährigen für deren Unterhalt selbst aufzukommen hätten.
Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht den Antrag der Kinder, die väterlichen Großeltern zur Leistung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen zu verpflichten, ab. Die subsidiäre Unterhaltsverpflichtung der Großeltern komme schon deshalb nicht zum Tragen, weil die Mutter bei Beibehaltung ihres Wohnsitzes in Österreich im Genuß von Unterhaltsvorschußleistungen geblieben wäre. Die Verlegung ihres Wohnsitzes ins Ausland habe sie selbst zu verantworten; bloße Schwierigkeiten bei der Unterhaltshereinbringung rechtfertigten die Inanspruchnahme der Großeltern nicht.
Das Rekursgericht hob diese Entscheidung auf, weil noch nicht endgültig beurteilt werden könne, ob die subsidiäre Unterhaltspflicht der Großeltern gegeben sei. Die Minderjährigen könnten auf eine Wohnsitznahme in Österreich und damit auf die Inanspruchnahme von Unterhaltsvorschußleistungen nicht verwiesen werden. Es sei zu prüfen, ob die Mutter als primär Unterhaltspflichtige nicht doch zu Unterhaltsleistungen herangezogen werden könnte, weil ihr die Aufnahme einer Arbeit zumutbar sei. Sollte die subsidiäre Unterhaltspflicht der Großeltern zum Tragen kommen, seien auch die Einkommens- und Lebensverhältnisse der mütterlichen Großeltern zu erheben.
Im fortgesetzten Verfahren führten die Minderjährigen aus, ihre Mutter sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, einem Erwerb nachzugehen.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht den Antrag der Minderjährigen, die (väterlichen) Großeltern ab zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von je S 2.800 (gemeint wohl S 2.830) zu verpflichten, neuerlich ab. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Mutter krankheitsbedingt tatsächlich arbeitsunfähig sei. Zwar könnten die mütterliche Großmutter und der väterliche Großvater „jedenfalls“ und der mütterliche Großvater „bedingt“ aufgrund ihrer Einkommenslage zu Unterhaltsleistungen herangezogen werden, doch sei der Vater nunmehr imstande, für den Unterhalt der Kinder aufzukommen. Im exekutiven Wege seien erhebliche Unterhaltszahlungen, die nicht nur den laufenden Unterhalt, sondern auch einen Teil des Unterhaltsrückstands abgedeckt hätten, einbringlich gewesen. Die Großeltern könnten daher derzeit nur zur Abdeckung eines Unterhaltsrückstandes herangezogen werden, was unzulässig sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Für beide Kinder habe in der Zeit von April 1995 bis Februar 1996 nicht nur der laufende Unterhalt vom Vater abgedeckt werden können, sondern sei auch der Unterhaltsrückstand um erhebliche Beträge verringert worden. Es sei daher nicht mehr von einer Leistungsunfähigkeit des Vaters im Sinne des § 141 ABGB auszugehen, vielmehr sei er imstande, seinen Kindern nach Kräften Unterhalt zu leisten. Die Voraussetzungen für die Heranziehung der Großeltern im Rahmen der subsidiären Unterhaltsverpflichtung lägen daher nicht vor.
Der Revisionsrekurs der Minderjährigen ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Sind die Eltern ganz oder teilweise unfähig, ihre Unterhaltspflicht zu erfüllen, müssen gemäß § 141 ABGB die Großeltern für den Unterhalt der Kinder aufkommen. Deren Unterhaltspflicht ist zweifach beschränkt: Einerseits ist sie der Höhe nach auf die Lebensverhältnisse der Eltern abgestimmt, auch wenn der von den Eltern zu erwartende Unterhalt gering ist; andererseits steht den Großeltern ein Vorbehalt des eigenen angemessenen Unterhalts zu. Die Angemessenheit der Bedürfnisse der Kinder bestimmt sich auch nach den Lebensverhältnissen der in Anspruch genommenen Großeltern; der Beitrag eines Großelternteils ist im Verhältnis der Leistungsfähigkeit sämtlicher subsidiär unterhaltspflichtigen Großeltern zu bestimmen (1 Ob 553/95 mwN). Nur die gänzliche oder teilweise Leistungsunfähigkeit der Eltern, nicht aber auch der Umstand, daß der Unterhalt von ihnen nicht, nicht rechtzeitig oder nur unter Schwierigkeiten hereingebracht werden kann, löst die Unterhaltspflicht der Großeltern aus. Bloße Schwierigkeiten bei der Unterhaltshereinbringung beim primär Unterhaltspflichtigen rechtfertigen grundsätzlich die Inanspruchnahme der subsidiär unterhaltspflichtigen Großeltern nicht; das Kind kann vielmehr Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz (UVG) beziehen (ÖA 1996, 17; 3 Ob 117/95; SZ 51/110 mit ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung EvBl 1952/432 und damit auch von SZ 25/40; Schwimann, Unterhaltsrecht, 90 f; Pichler in Rummel, ABGB2 , Rz 1 zu § 141). Im vorliegenden Fall können die beiden Minderjährigen deshalb nicht in den Genuß von Unterhaltsvorschußleistungen nach dem UVG kommen, weil es an der Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland (§ 2 Abs 1 UVG) gebricht. Dennoch ist die Heranziehung der subsidiär unterhaltspflichtigen Großeltern nicht berechtigt.
Unbestrittenermaßen hat der Vater in der Zeit von April 1995 bis Februar 1996 Unterhaltsleistungen für die beiden Kinder erbracht, mit welchen sowohl der laufende Unterhalt bestritten wie auch ein Teil des bestehenden Unterhaltsrückstands abgedeckt werden konnte. Die Anrechnungsregeln des § 1416 ABGB kommen bei Unterhaltszahlungen nicht zur Anwendung. Nach einhelliger Lehre und ständiger Rechtsprechung gilt die später fällige Unterhaltsverpflichtung vor der früher fälligen als getilgt, weil das vom Unterhaltspflichtigen Geleistete stets dem nächstliegenden, dringendsten Zweck zugeführt werden muß, um den laufenden Unterhalt sicherzustellen (ecolex 1992, 231; 3 Ob 132/80; 3 Ob 333/61; SZ 9/139; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 17 zu §§ 1416, 1417; Reischauer in Rummel, ABGB2 , Rz 29 zu § 1416). Ist der laufende Unterhalt längere Zeit hindurch (hier: jedenfalls fast schon ein Jahr lang) durch Zahlungen des primär unterhaltspflichtigen Vaters sichergestellt und konnte sogar ein Teil des Unterhaltsrückstands abgedeckt werden, ist es unstatthaft, die subsidiär unterhaltspflichtigen Großeltern zu Unterhaltsleistungen heranzuziehen; dies käme der Abdeckung eines Unterhaltsrückstands des Vaters (der Eltern) gleich. Für Unterhaltsrückstände der Eltern haften Großeltern aber nicht. Derjenige, der den Unterhalt mittlerweile und vorschußweise bestritten hat (nach dem Vorbringen der Minderjährigen deren Stiefvater), kann den Ersatz vom unterhaltspflichtigen Vater allenfalls im Prozeßweg begehren (SZ 9/139; Schwimann, Unterhaltsrecht, 92; Reischauer aaO). Daran ändert auch nichts, daß der Antrag auf Festsetzung der (subsidiären) Unterhaltsverpflichtung der Großeltern bereits vom Februar 1993 datiert und - nach dem Vorbringen der Minderjährigen - zu dieser Zeit bis zum März 1995 kein oder doch nur unzureichender Unterhalt seitens des primär unterhaltspflichtigen Vaters geleistet wurde. Da - wie schon ausgeführt - der laufende Unterhalt vom Vater nunmehr hereingebracht werden kann, könnte die den Großeltern auferlegte Unterhaltsverpflichtung nur der Abdeckung des bis dahin aufgelaufenen Unterhaltsrückstands des Vaters dienen, was aber, wie zuvor dargestellt, unzulässig ist.
Dem Revisonsrekurs ist somit nicht Folge zu geben.
Im außerstreitigen Verfahren findet - soweit nicht etwas anderes ausdrücklich angeordnet ist, was für Unterhaltsfestsetzungsverfahren gerade nicht der Fall ist - kein Kostenersatz statt (MGA AußStrG2 FN 7 zu § 2). Das Begehren auf Kostenzuspruch ist demnach abzuweisen.