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OGH vom 18.09.2012, 4Ob106/12k

OGH vom 18.09.2012, 4Ob106/12k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A***** D*****, vertreten durch Mag. Peter Freiberger, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, gegen die beklagte Partei F***** mbH, *****, vertreten durch Dr. Ulrich Suppan und Mag. Robert Suppan, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, wegen Räumung (Streitwert: 11.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 183/11y 61, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 25 Cg 150/07h 56, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die im zweiten Rechtsgang ergangenen Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer des jagdlich und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücks ***** Grundbuch ***** D*****. Eine der Rechtsvorgängerinnen des Klägers im Eigentum hatte mit Vereinbarung vom September 1964 der Beklagten ein rund 500 m² großes Grundstück inmitten dieses Anwesens verkauft und der Beklagten die Dienstbarkeit zur Errichtung und des Betriebs einer Einzelsesselliftanlage („H*****“) sowie die Dienstbarkeit der Schiabfahrt eingeräumt. Im Vertrag verpflichtete sich die Rechtsgeberin dazu, die Dienstbarkeit auf ihre Rechtsnachfolger zu überbinden. Mit Bescheid vom erteilte das Amt der Kärntner Landesregierung der Beklagten über deren Ansuchen die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung zum Umbau in einen Doppelsessellift; mit Bescheid vom wurde die eisenbahnrechtliche Betriebsbewilligung erteilt.

Der Kläger begehrte im zweiten Rechtsgang noch, die Beklagte sei schuldig, die Liftwarthütte bei der Bergstation, die Ausstiegsstelle samt unterkellerter Betonplattform, sämtliche Stützen sowie die gesamte Liftanlage auf dem näher bezeichneten Grundstück des Klägers binnen sechs Wochen zu räumen und das Grundstück dem Kläger geräumt zu übergeben; hilfsweise auf dem genannten Grundstück die Ausstiegsstelle bestehend aus einer Betonplatte samt unterkellerten Fundamenten, die Liftwarthütte samt Fundament, sämtliche gelb eingezeichnet auf dem beiliegenden Plan laut Beilage ./I, der einen integrierenden Urteilsbestandteil darstellt, binnen sechs Wochen zu räumen. Dem weiteren Begehren auf Unterlassung, auf dem Grundstück des Klägers Montainbike Rennen veranstalten zu lassen, wurde im ersten Rechtsgang rechtskräftig stattgegeben.

Der Kläger brachte vor, die Fortsetzung der Dienstbarkeit sei für ihn unzumutbar, weshalb er die Vereinbarung mit Schreiben vom aufgekündigt habe. Die Beklagte habe widerrechtlich ein Bauwerk auf seinem Grund errichtet, während der schneefreien Zeit die Durchführung von Veranstaltungen (Mountainbike Downhill-Rennen) auf seinem Grund geduldet und sich damit eine Erweiterung der Dienstbarkeit angemaßt, sie habe Grenzsteine entfernt, einen Handymasten errichten wollen, sie zahle den vereinbarten (geringen) Pachtzins regelmäßig verspätet und habe den Liftbetrieb widerrechtlich untervermietet; ihr Organ habe seinen Vater beschimpft. Die Pächter der Beklagten hätten dadurch in das Eigentum des Klägers eingegriffen, dass sie einen defekten Radtrac auf dem Anwesen zurückgelassen, Erdreich verunreinigt und Flurschäden bei Abtransport des Radtracs verursacht hätten.

Der Kläger macht weiters ein Verhalten der Beklagten als Auflösungsgrund geltend, das die Liftanlage Schlepplift G***** betrifft, die im Anschluss an den Sessellift bestanden hat: Die Beklagte habe nach Ablauf der dort zeitlich befristeten Dienstbarkeit die Anlage nicht geräumt, was ihn gezwungen habe, einen Räumungstitel zu erwirken und ein Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung des Räumungstitels einzuleiten. Die Beklagte habe die Anlage sodann unsachgemäß abgebaut und dabei erhebliche Eingriffe in sein Eigentum zu verantworten (Kontaminierung des Erdreichs; Verenden eines Jungrinds durch herabfallende Anlageteile und dessen unsachgemäße Entsorgung; Entrinden von Jungbäumen durch einen Seilschlag; Vergraben von Anlagenteilen statt Entfernen).

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Rechtsvorgängerin des Klägers im Eigentum habe keinen Einwand gegen den Betrieb der Einsesselliftanlage erhoben und im Zuge des Umbaus in eine Doppelsesselliftanlage einer Verlängerung der Ausstiegsrampe und der Neuerrichtung einer Stütze zwischen zwei bestehenden Liftstützen zugestimmt. Dabei sei dem Kläger bekannt gewesen, dass sich ein Teil der Ausstiegsrampe bereits auf seinem Grundstück befände. Der Kläger und seine Rechtsvorgängerin hätten sich zwar gegen die baulichen Veränderungsmaßnahmen ausgesprochen, der Kläger sei aber im Zuge der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden. Während des Bewilligungsverfahrens habe ein Vertreter der Rechtsvorgängerin des Klägers am erklärt, bei Erfüllung der im Baugenehmigungs- und im Betriebsbewilligungsbescheid auferlegten Vorschreibungen und sonstigen Auflagen keine Einwände gegen das Seilbahnprojekt zu erheben. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe daher in Kenntnis der Beanspruchung ihres Grundes dem Bau der Doppelsesselliftanlage zugestimmt. Seit 1964, somit über 30 Jahre lang, habe die Rechtsvorgängerin des Klägers keinen „Überbau“ eingewendet, sodass die Beklagte gutgläubig Eigentum ersessen habe, sie sei nämlich davon ausgegangen, dass sich die Bergstation zur Gänze auf ihrem Grund befinde. Der Kläger und seine Rechtsvorgängerin hätten von ihrer Bauführung gewusst und dennoch ihr redliches Bauen nicht untersagt, sodass sie wegen Bauens mit eigenem Material auf fremdem Grund außerbücherliches Eigentum erworben habe. Auch sei der Überbau durch die Dienstbarkeitsvereinbarung gedeckt. Gründe für eine außerordentliche Aufkündigung der Dienstbarkeitsvereinbarung bestünden nicht. Die Veranstaltung von Mountainbike Rennen entspräche dem technischen Fortschritt. Wegen der Räumung der Schleppliftanlage habe die Beklagte mit dem Land Kärnten bis 2006 verhandelt. Sie habe die Pachtzahlungen zwar nicht immer rechtzeitig, aber doch nach Mahnung bezahlt. Die Unterverpachtung sei dem Kläger bekannt gewesen. Der Kläger sei von der Errichtung eines Handymastensenders informiert gewesen, die Baumaßnahmen seien nur auf ihrem Grundstück vorgenommen worden. Nach der fehlenden Zustimmung zum Betrieb der Anlage seien die Baumaßnahmen eingestellt und die vorhandenen Schalungen wieder entfernt worden. Wie es zur Grenzsteinentfernung gekommen sei, wisse die Beklagte nicht. Zur Verbringung von Baumaterialien sei sie im Zuge der Durchführung von Erhaltungsarbeiten und Arbeiten für die Betriebsführung berechtigt gewesen.

Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem anhängigen Räumungs (haupt )begehren statt. Es traf folgende wesentlichen Feststellungen:

Die Beklagte plante 1995 den Umbau der Einzelsesselliftanlage, die über das Grundstück des Klägers führt, in eine Doppelsesselliftanlage. Im Zuge dieses Umbaus war vorgesehen, dass die Ausstiegsstelle erweitert wird. Der Kläger hat sich im Namen seiner Rechtsvorgängerin im behördlichen Verfahren ausdrücklich gegen die baulichen Veränderungen (Rampenausweitung, Stützenneubau sowie andere Maßnahmen, soweit sie sich auf das Grundstück des Klägers erstrecken) gewendet. Im eisenbahnrechtlichen Bewilligungsverfahren wurde festgehalten, dass sich beide Stationsbereiche im Eigentum des Seilbahnunternehmens befinden. Der Vertreter der Rechtsvorgängerin des Klägers erklärte, dass bei Erfüllung der im seinerzeitigen Baugenehmigungsbescheid auferlegten Vor-schreibungen und sonstigen Auflagen keine Einwände gegen das Seilbahnprojekt erhoben würden. Der Kläger und seine Rechtsvorgänger haben nicht auf Ansprüche aus der Inanspruchnahme ihrer Grundstücke durch den Umbau verzichtet oder ihr Einverständnis erklärt, dass die Beklagte durch das Bebauen des Grundstücks des Klägers Eigentum an den überbauten Flächen erwerben soll, oder der Beklagten eine Dienstbarkeit über die ursprünglich eingeräumte Dienstbarkeit hinaus eingeräumt werden soll. Die Beklagte traf mit dem Kläger und dessen Rechtsvorgängerin keine Vereinbarung den Umbau betreffend.

Durch die Errichtung der Doppelsesselliftanlage und die damit verbundenen Bauarbeiten wurden Grundstücksflächen des Klägers wie folgt in Anspruch genommen: Die Betonfläche ragt mit 31 cm über die Grundgrenze hinaus, der danebenliegende Schacht um 12 cm, der in der Betonfläche liegende Schacht mit 11 cm. Der Stromkasten liegt zur Gänze rund 90 cm von der Grundgrenze entfernt auf dem Grundstück des Klägers. Im Bereich der Einstiegsstelle werden Kanister für den Bremstest gelagert, diese befinden sich auf einer Länge bis zu 9,84 m außerhalb des Grundstücks der Beklagten. Das Lifthaus befand sich bereits vor dem Umbau außerhalb des Grundstückes der Beklagten, wurde durch den Umbau um 3,33 m verschoben und befindet sich weiterhin zur Gänze auf dem Grundstück des Klägers. Im Zuge der Bauarbeiten wurde eine Betonplattform zwischen den Stützen 14 und 15 errichtet, der Ausstiegsbereich, der 1994 bei der Stütze 15 begonnen hat, verschob sich dadurch entgegengesetzt der Fahrtrichtung vom Tal zum Berg um 3,89 m zur Stütze 14. Die Differenz zwischen Ausführung und Projekt beträgt in Bezug zur Betonplattformkante 42 cm in Richtung der Bergstation. Die Holzabsperrung wurde länger als projektiert ausgeführt, wodurch das Fangnetz um 30 cm Richtung Tal verschoben wurde.

Die Beklagte wusste, dass der Kläger mit seinen Einwendungen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden war und seine Zustimmung nur unter Vorbehalt erteilt hat. Die Beklagte errichtete aufgrund der Baugenehmigung die Bergstation. Die Streitteile erörterten die Problematik der Grundstücksgrenzen nicht. Die Beklagte hat die Umbauarbeiten vorgenommen, ohne vorher die Grenzsituation abzuklären oder die rechtlichen Voraussetzungen für die dauernde Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers bzw. dessen Rechtsvorgängerin zu schaffen. Der Kläger hat kurz vor Einbringung der Klage GPS Vermessungen zu den Grundstücksgrenzen vorgenommen und wusste zu diesem Zeitpunkt erstmals, dass keine bloß geringfügige Inanspruchnahme seines Eigentums durch Überbauten vorlag.

In rechtlicher Hinsicht hielt das Erstgericht die Auflösungserklärung des Klägers für berechtigt. Der Kläger habe sich einst im Namen seiner Rechtsvorgängerin im behördlichen Verfahren ausdrücklich gegen alle Ausbauten ausgesprochen, soweit diese Baumaßnahmen das dienende Grundstück beträfen. Dennoch habe die Beklagte das dienende Gut überbaut. Damit habe die Beklagte schuldhaft in das Eigentum des Klägers eingegriffen; dies sei ein wichtiger Grund, der den Kläger zur Auflösung der Dienstbarkeit berechtige. Ein Eigentumserwerb der Beklagten am Überbau nach § 418 ABGB komme mangels Redlichkeit nicht in Betracht; die Beklagte habe gewusst, dass der Kläger mit den Einsprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden sei und er im Behördenverfahren nur unter Vorbehalt zugestimmt habe. Rechtsmissbrauch liege nicht vor; die Beklagte habe die Anlage errichtet, ohne vorher die Grenzsituation abzuklären oder die rechtlichen Voraussetzungen für die Beanspruchung des Fremdgrundes zu schaffen. Die Beklagte verantworte keine bloß geringfügige Überschreitung der Grundgrenzen, weil die Grenzen an mehreren Stellen neun Meter weit überschritten worden seien und Lifthaus sowie Betonrampe zur Gänze auf Fremdgrund lägen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Unzumutbarkeit des Fortbestehens einer Dienstbarkeit fehle, wenn für die Dienstbarkeitsberechtigte deren Organe handelten und dabei auch deren Verhalten im Zusammenhang mit einer anderen Dienstbarkeitsvereinbarung zu beurteilen sei.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts liege kein wichtiger Grund für die Auflösung der Dienstbarkeitsvereinbarung vor. Dass der Wegfall der Vertrauensbasis dazu berechtige, ein Dauerschuldverhältnis zu lösen, setze voraus, dass das Verhalten überhaupt einen Bezug zu einem konkreten Dauerschuldverhältnis habe. Soweit der Kläger die Auflösung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund mit Handlungsweisen begründe, die den Schlepplift beträfen (Räumung erst nach Einleitung eines Exekutionsverfahrens, erhebliche Vertragsverletzungen beim Abbau der Schleppliftanlage), sei dieses Verhalten nicht zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht habe diese Auffassung schon im Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang gebilligt und sei daran auch im fortgesetzten Verfahren gebunden. Das beanstandete Verhalten betreffe nicht die verfahrensbezogene Dienstbarkeit. Anders als etwa die Miteigentumsgemeinschaft, die jedenfalls bei der Verwaltung auch ein Zusammenwirken der Teilnehmer voraussetze, beruhe die Dienstbarkeit des Betriebs einer Schlepplift- oder Seilbahnanlage und der Schiabfahrt auf keinem Fortbestand des gegenseitigen Vertrauens. Dies folge schon aus dem Dienstbarkeitsbestellungsvertrag, wo die damalige Liegenschaftseigentümerin für sich und ihre Rechtsnachfolger die Dienstbarkeit zu Gunsten der Beklagten und deren Rechtsnachfolger eingeräumt habe. Zweifel an der Rechtstreue von Organen einer Kapitalgesellschaft könnten daher jedenfalls dann nicht für sich alleine genommen ein Grund zur vorzeitigen Auflösung einer verbücherten Dienstbarkeit sein, wenn die Zweifel an der Rechtstreue ihre Grundlage in außerhalb des zu beurteilenden Vertragsverhältnisses liegenden Umständen habe.

Bezogen auf die nun streitverfangene Dienstbarkeitsvereinbarung blieben somit allein die Vorwürfe der Durchführung von Veranstaltungen (Mountainbike Downhill Rennen) und der widerrechtlichen Errichtung eines Bauwerks auf dem Grund des Klägers, einer Servitutsanmaßung, der regelmäßig verspäteten Zahlung von Entgelten, der widerrechtlichen Unterverpachtung des Liftbetriebs und die Beschimpfung des Vaters des Klägers. Das Erstgericht habe schon im ersten Rechtsgang zutreffend die Bedeutung der regelmäßig verspäteten Ratenzahlungen verneint; grob schuldhaftes Fehlverhalten im Sinne der Kriterien nach § 33 MRG sei nicht erwiesen. Der angeblich widerrechtlichen Subverpachtung habe das Erstgericht zutreffend die fehlende Geltendmachung gegenüber der Beklagten entgegengehalten. Wegen des nicht notwendig bestehenden Vertrauensverhältnisses könnten auch die Beschimpfungen des Vaters des Klägers keinen Grund zur Auflösung bilden, zumal auch nach dem Klagevortrag von keinem fortgesetzten Verhalten, sondern von einer gewiss unentschuldbaren einmaligen Entgleisung ausgegangen werden müsse. Die Anmaßung der Dienstbarkeit durch die Veranstaltung eines Downhill Rennens während der schneefreien Monate stehe aufgrund des gegenüber der Beklagten rechtskräftig gewordenen Unterlassungszuspruchs endgültig fest. Der Kläger könne sich daher gegen zukünftige Rechtsanmaßungen durch Einbringen einer Unterlassungsklage wehren; eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Dienstbarkeitsverpflichtung sei daher aus diesem Verstoß nicht abzuleiten, außer die Beklagte wäre nicht bereit, den rechtskräftigen Titel zu beachten.

Die aufhebende Entscheidung im ersten Rechtsgang sei dahin zu verdeutlichen, dass der Dienstbarkeitsbestellungsvertrag nicht verbüchert worden sei; dennoch sei der Vertrag gleich einer verbücherten Dienstbarkeit insoweit entpersonalisiert, als sich einerseits die Dienstbarkeitsbestellerin verpflichtet habe, den Vertrag an ihre Rechtsnachfolger zu überbinden, und andererseits die Dienstbarkeitsberechtigte eine juristische Person sei, die durch ihre jeweiligen Organe handle. Der behauptete Eigentumseingriff durch Pächter der Beklagten rechtfertige schon deshalb keine Vertragsauflösung, weil die Beklagte zwar für den von ihrem Pächter verursachten Schaden einstehen müsse, für die Berechtigung der Vertragsauflösung jedoch ein anderer Gesichtspunkt maßgeblich sei: Ein objektiv vertragswidriges Verhalten oder auch ein bloß schuldhaftes Verhalten genüge noch nicht, um die Dienstbarkeit vorzeitig aus wichtigem Grund auflösen zu können. Erforderlich sei ein Handeln der Beklagten durch ihre Organe wider besseren Wissens oder grob schuldhaft derart, dass sie sich nicht aus vertretbaren Gründen für berechtigt habe halten dürfen, die beanstandeten Handlungen vorzunehmen. Derartige Umstände lägen nicht vor.

Berücksichtige man, dass die Beklagte bereits vor dem Umbau des Lifts zu einem Doppelsessellift sowohl das Lifthäuschen als auch die Ausstiegsstelle auf dem Grund des dienenden Grundstücks errichtet gehabt und der dienstbarkeitsbelastete Grundeigentümer dies unbeeinsprucht gelassen habe, folge daraus, dass wenigstens konkludent diese Anlagen von der Dienstbarkeit umfasst gewesen seien. Die Beklagte habe in der Folge entsprechend den Ergebnissen des Behördenverfahrens die Anlage errichtet. Nachdem die Rechtsvorgängerin des Klägers im Eigentum im Behördenverfahren auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden sei und die Rechtsvorgängerin des Klägers im Eigentum keine dahin gehenden Schritte unternommen habe, hätte die Beklagte mit unbestreitbar erheblichen Mitteln die Anlage wie projektiert errichtet. Eine Servitut könne schlüssig dadurch begründet werden, dass der Liegenschaftseigentümer die Errichtung einer kostspieligen Anlage zwecks Ausübung derselben dulde, weil er wissen müsse, dass der Begünstigte solche Aufwendungen nicht getätigt hätte, wenn er Gefahr gelaufen wäre, dass ihm das Gebrauchsrecht jederzeit entzogen werden könne. Solches treffe auf das Lifthaus und die Ausstiegsstelle zu: Die Dienstbarkeit umfasse jedenfalls das Lifthäuschen, dessen Lage durch den Umbau nur geringfügig verändert worden sei; dessen Bau komme als Grund für eine vorzeitige Vertragsauflösung nicht in Betracht. Für die Ausstiegsstelle gelte nichts anderes, weil sie bereits vor 1995 vorhanden gewesen sei und bei einem Bau laut Projektierung und der Untätigkeit der Rechtsvorgängerin des Klägers von keinem grob vorwerfbaren Verhalten der Organe der Beklagten die Rede sein könne. Damit müsse das vom Kläger gestellte Hauptbegehren scheitern.

Zum Eventualbegehren sei der Einwand der Schikane zu prüfen. Nach der Rechtsprechung liege kein Rechtsmissbrauch vor, wenn der vom Grenzüberbau betroffene Nachbar durch dessen Belassung keinen spürbaren Nachteil erleide, während der Rückbau des Überbaus für den (unredlichen) Bauführer mit erheblichen Kosten verbunden sei, der Nachbar den bereits im Einreichplan vorgesehenen Überbau aber ebenso wenig wie der Bauführer bemerkt habe und der Überbau im Verhältnis zur Grundfläche der beiden Nachbargrundstücke sehr klein sei. Das Räumungsbegehren umfasse nur die Ausstiegsstelle sowie die Liftwarthütte. Wie gezeigt sei das Lifthäuschen von der fortbestehenden Dienstbarkeit umfasst; dies stehe dem Räumungsbegehren entgegen. Die Ausstiegsstelle sei bereits vor dem Bau des Doppelsessellifts vorhanden gewesen, weshalb auch insoweit eine konkludent begründete Dienstbarkeit bestehe; der teilweise Austausch von Holzbauten durch eine Betonplattform sei ein bloßes Anpassen an eine fortschreitende technische Entwicklung. Sei einmal eine Servitut schlüssig dadurch begründet worden, dass der Liegenschaftseigentümer die Errichtung einer kostspieligen Anlage zwecks Ausübung einer Dienstbarkeit geduldet habe, setze sich der Kläger dem Einwand der Schikane aus, wenn er die Beseitigung der in gering veränderter Lage und veränderter Form (Betonplattform) gebauten Ausstiegsstelle verlange.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt im Sinne ihres Aufhebungsantrags.

Der Kläger macht geltend, er habe sich ausdrücklich gegen die Bebauung ausgesprochen; die vom Berufungsgericht angenommene konkludente Zustimmung zur Bauführung auf seinem Grund liege daher nicht vor; § 863 ABGB verlange, dass ein bestimmter Rechtsfolgewille erkennbar und das Verhalten eindeutig in eine bestimmte Richtung zu verstehen sei. Zu Unrecht hätten die Tatsacheninstanzen auch keine Feststellungen zu den weiteren vom Kläger behaupteten Eigentumseingriffen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Schlepplift getroffen, die zwar nicht den verfahrensgegenständlichen Sessellift beträfen, aber mit dem gegenständlichen Dienstbarkeitsvertrag in Zusammenhang stünden: Beide Lifte lägen im selben Skigebiet, und der Schlepplift sei die unmittelbare Fortsetzung des Sessellifts. In ihrer Gesamtheit verwirklichten die behaupteten Eingriffe einen wichtigen Grund zur Auflösung des Dienstbarkeitsvertrags.

1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe in Ansehung von Lifthäuschen und Ausstiegsstelle im Rahmen des Umbaus zum Doppelsessellift konkludent einer Erweiterung des Umfangs der bereits zuvor bestehenden Dienstbarkeit zugestimmt, ist unzutreffend.

1.1. Zwar ist grundsätzlich ein stillschweigender Erwerb einer Dienstbarkeit bei Errichtung einer kostspieligen Anlage und gleichzeitiger Duldung durch den Eigentümer möglich (vgl RIS Justiz RS0011650). Für die Beurteilung der Duldung ist aber auf das Verhalten des Eigentümers abzustellen. Ein schlüssiger Dienstbarkeitsvertrag kommt nicht schon durch die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs des dienenden Guts, sondern erst dann zustande, wenn zusätzliche Sachverhaltselemente den Schluss erlauben, der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende rechtsgeschäftliche Wille der (jeweils) Belasteten habe sich auf die Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht bezogen (RIS Justiz RS0111562; vgl auch RS0011650 [T11]).

1.2. Eine Erweiterung von Rechten kann nur vermutet werden, wenn das Verhalten der Beteiligten bei Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übrig lässt. Die Prüfung dieser Frage ist unter Berücksichtigung der Übung des redlichen Verkehrs vorzunehmen. Die Erweiterung eines Gebrauchsrechts kann somit nur dann vermutet werden, wenn die Erweiterung vom Eigentümer jahrelang widerspruchslos hingenommen wurde, dieser aber nach dem Verhalten des Gebrauchsberechtigten annehmen musste, dass er tatsächlich mit der erweiterten Benützung ein Recht in Anspruch nimmt (RIS Justiz RS0011878 [T2]).

1.3. Hier hat sich die Rechtsvorgängerin des Klägers im eisenbahnrechtlichen Bewilligungsverfahren ausdrücklich gegen Baumaßnahmen auf ihrem Grund ausgesprochen. Nachdem dort festgehalten wurde, dass sich die Stationsbereiche im Eigentum der Beklagten befänden, und die Beklagte im Zuge des Baugeschehens nicht wegen einer Rechteeinräumung an die Rechtsvorgängerin des Klägers herantrat, musste diese nicht damit rechnen, dass dennoch auf ihrem Grund gebaut werde. Schließlich waren den Parteien die genauen Grundstücksgrenzen bei Baubeginn nicht bekannt; diese wurden erst kurz vor Klagseinbringung genau bestimmt. Schon diese Umstände schließen eine schlüssige Zustimmung durch den Kläger aus, der den Umfang der zu erwartenden Beeinträchtigung seines Grundstücks ebenso wenig kannte wie die Beklagte.

1.4. Allein aus der unterlassenen Klagseinbringung (der Kläger wurde von der Behörde auf den Zivilrechtsweg verwiesen) kann nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger sei mit der Bauführung einverstanden gewesen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Lifthäuschen und Rampe schon vor dem Umbau auf dem Grund des Klägers lagen; es steht nämlich nicht fest, dass dies den Streitteilen bewusst war und auch in Zukunft geduldet werden sollte.

1.5. Dem Einwand der Beklagten, es handle sich um eine offenkundige Dienstbarkeit, ist entgegenzuhalten, dass in Fällen der Offenkundigkeit das Eintragungsprinzip zwar durchbrochen ist und der Berechtigte auch ohne Verbücherung gegen den Rechtsnachfolger geschützt wird. Solches setzt jedoch einen Titel oder die Ersitzung voraus ( Koch in KBB³ § 481 Rz 4 mwN); beides liegt hier nicht vor.

2. Ob ein wichtiger Grund zur Vertragsauflösung vorliegt, kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nur unter Einbeziehung sämtlicher vom Kläger geltend gemachten Umstände, die zum Vertrauensverlust geführt haben sollen, beurteilt werden, somit also auch jener Umstände, die im Zusammenhang mit dem Schlepplift im selben Schigebiet stehen.

2.1. Die Grundsätze für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigen Gründen gelten nach der Rechtsprechung auch für sonstige Dauerrechtsverhältnisse wie Dienstbarkeiten und ähnliche Gebrauchsrechte. Ihre Auflösung kann aber wegen der stärkeren dinglichen Bindung nur „äußerstes Notventil“ sein (RIS Justiz RS0018813 [T4]). Es ist ein strenger Maßstab anzulegen, ob ein wichtiger Grund für die Auflösung vorliegt, die Gründe müssen entsprechend gewichtig sein (RIS Justiz RS0018813 [T1]).

2.2. Ein wichtiger Grund zur Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses, der in der Person des Vertragspartners gelegen sein muss, liegt vor, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses dem einen Teil unter Berücksichtigung der Eigenart des Schuldverhältnisses, des gesamten Verhaltens des Vertragspartners und der Interessen beider Vertragsteile nicht zugemutet werden kann. Als solcher Grund ist nicht jeder objektive Verstoß gegen die Vertragspflichten, sondern bloß ein rechtswidriges Verhalten wider besseren Wissens oder ein solches anzusehen, bei dem dem Vertragspartner grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, zu dem er sich also nicht etwa aus vertretbaren Gründen für berechtigt halten durfte. Dabei kommt den Umständen des Einzelfalls besondere Bedeutung zu (RIS Justiz RS0018842 [T7]).

2.3. Zwar ist das Gewicht eines Vertrauensverlusts in die Person des Vertragspartners in Vertragsverhältnissen, bei denen es wesentlich auf die Persönlichkeit des Vertragspartners ankommt (so etwa bei einem Angestelltenverhältnis oder einem Exklusivvertriebsvertrag) höher anzusetzen als bei einer entpersonifizierten Grunddienstbarkeit wie im Anlassfall. Dennoch kann auch in letzterem Fall das Verhalten des Vertragspartners bei Beurteilung eines Auflösungsgrundes nicht gänzlich außer Betracht bleiben.

2.4. Eine Dienstbarkeit ist als Anwendungsfall des Verbots des Rechtsmissbrauchs möglichst schonend auszuüben, wobei die Interessen aller Beteiligten abzuwägen sind. Ziel der Interessenabwägung ist es stets, dem Dienstbarkeitsberechtigten den angestrebten Vorteil zu ermöglichen, den Verpflichteten aber so wenig wie möglich zu schaden (4 Ob 21/12k mwN).

2.5. Die eigenmächtige Erweiterung einer vertraglich eingeräumten Dienstbarkeit mit bedingtem Vorsatz (im Berufungsurteil wird der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten mit den Worten zitiert: „Wir haben auf eine Klage gewartet, die aber nicht gekommen ist“) ist keinesfalls unerheblich, sondern im Rahmen einer gebotenen Gesamtschau aller geltend gemachten Auflösungsgründe (vgl RIS Justiz RS0063140: Gesamtverhalten des Hausbesorgers entscheidend für Kündigung; RS0029833 und RS0029547 [T45]: Gesamtbild des Verhaltens des Angestellten entscheidet über den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 letzter Fall AngG) zu berücksichtigen.

2.6. Bei dieser Gesamtschau ist auch das Verhalten von Organen der Beklagten im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses betreffend den Schlepplift zu berücksichtigen, soweit es der Kläger als Mitursache für die Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Streitteilen geltend gemacht hat. Auch an diesem Vertragsverhältnis waren ja die Streitteile beteiligt, und auch die dort behaupteten Umstände sind geeignet, zum Vertrauensverlust in die Person des Vertragspartners als Voraussetzung für die Annahme eines Auflösungsgrundes (siehe zuvor Punkt 2.3.) beizutragen. Dass das Handeln und Fehlverhalten von Organen und Repräsentanten einer juristischen Person dieser zugerechnet wird, ist in Lehre und Rechtsprechung unstrittig (vgl zur Haftung der juristischen Person Aicher in Rummel , ABGB³ § 26 Rz 26 mwN; Posch in Schwimann , ABGB³ § 26 Rz 32 ff mwN; RIS Justiz RS0009113).

3.1. Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht haben die Tatsacheninstanzen keine ausreichenden Feststellungen zum behaupteten Fehlverhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der Demontage des Schlepplifts getroffen. Sollten sich die Behauptungen als zutreffend erweisen, wäre von einem berechtigten Vertrauensverlust des Klägers in die Person seines Vertragspartners auszugehen und das Klagebegehren folglich spruchreif im Sinne einer Klagsstattgebung.

3.2. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung unter Berücksichtigung einer verbreiterten Tatsachengrundlage im aufgezeigten Sinn an das Erstgericht zurückzuverweisen.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.