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OGH vom 12.07.2017, 1Ob110/17h

OGH vom 12.07.2017, 1Ob110/17h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin B***** A*****, vertreten durch Mag. Stefan Traxler, Rechtsanwalt in Mödling, gegen den Antragsgegner Dr. M***** S*****, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über die Revisionsrekurse der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 160/17y-79, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 3 Fam 55/14v-68, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin 751,97 EUR (darin 208,98 EUR USt) an anteiligen Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu Handen ihres Rechtsvertreters zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit dem nach dem Aufhebungsbeschluss des erkennenden Senats zu 1 Ob 266/15x im zweiten Rechtsgang gefassten Beschluss übertrug das Erstgericht ein Geschirrset ins Alleineigentum der Antragstellerin und erlegte dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von 15.866,43 EUR samt 4 % Zinsen ab auf.

Über die Rekurse beider Parteien änderte das Rekursgericht diese Entscheidung teilweise ab und erhöhte die Ausgleichszahlung des Antragsgegners auf 18.400 EUR samt 4 % Zinsen p.a. ab , zu zahlen entweder binnen vier Wochen oder in monatlichen Raten á 1.000 EUR und einer anteiligen Restrate bei fünftägigem Respiro und Terminsverlust bei Verzug mit einer Rate. Es kam in Erledigung der Beweisrüge auf der Sachverhaltsebene zum Ergebnis, dass nicht festgestellt werden könne, welchen Betrag der Antragsgegner an Kosten für die Therapien der gemeinsamen Kinder aufgewendet habe und setzte diesen – ausgehend von den nicht bekämpften Feststellungen des Erstgerichts zur Auswahl der Therapieplätze und zum Verlauf der Therapie – gemäß § 34 AußStrG mit 9.590 EUR fest, und zwar ausdrücklich bei bereits erfolgter Berücksichtigung des Ersatzes durch die Krankenversicherung und (um ca 5.100 EUR) niedriger als das Erstgericht. Damit fiel auch der schon vom Erstgericht vorgenommene Abzug dieser Kosten, die nach den Feststellungen aus dem laufenden Einkommen beider Eltern in jener Periode nicht hätten getragen werden können, von den gemeinsamen Ersparnissen geringer aus. Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil der Umfang der zu berücksichtigenden Therapiekosten nach wie vor strittig sei und der Oberste Gerichtshof diese Rechtsfrage im Vorbeschluss als erheblich eingestuft habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen Revisionsrekurse beider Parteien erweisen sich als nicht zulässig, weil darin keine im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage erörtert wird.

1. Zum Revisionsrekurs der Antragstellerin:

1.1. Wie schon im Rekursverfahren bemängelt die Antragstellerin allein die Höhe der Anrechnung der vom Antragsgegner getragenen Therapiekosten. Sie rügt, das Rekursgericht hätte § 34 AußStrG nicht anwenden dürfen und sieht zur Frage der Höhe der Therapiekosten den Antragsgegner als beweisunwillig an. Richtigerweise, wäre der Entscheidung nur zugrunde zu legen, dass nicht festgestellt werden könne, welchen Betrag dieser für Therapiekosten aufgewendet habe.

1.2. Die Anwendbarkeit des § 34 AußStrG hängt, wie jene des § 273 Abs 1 ZPO, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und hat keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0040494). Zwar trifft zu, dass dann, wenn einer Partei im Verfahren Beweismittel zur Darlegung der Höhe einer Forderung zur Verfügung stehen und sie davon bloß keinen Gebrauch macht, die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO (oder § 34 AußStrG) ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0040513). Es hat aber der Antragsgegner den Verlauf des Kontos wenn auch nicht vollständig, so doch kursorisch dargelegt. Das Erstgericht ist (auf Basis seiner für glaubhaft erachteten Darstellung) davon ausgegangen, dass er, als er die Zahlungen erbracht hatte, nicht damit gerechnet hatte, in fernerer Zukunft Belege zu Beweiszwecken zu brauchen. Im Übrigen schließt nicht einmal eine schuldhafte – fahrlässige oder sogar vorsätzliche – Herbeiführung des Beweisnotstands die Anwendung des § 273 ZPO aus (RIS-Justiz RS0040479). Bei der Vielzahl von (verschiedenen) Therapieeinheiten und (teilweise auch abgelehnten) Rückerstattungen ist die Anwendung des § 34 AußStrG durch das Rekursgericht keinesfalls korrekturbedürftig.

1.3. So wie bei § 273 ZPO kommt auch bei Anwendung des § 34 AußStrG dem Ergebnis der vom Richter nach seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis und den Ergebnissen der gesamten Verhandlung nach bestem Wissen und Gewissen und nach seiner freien Überzeugung vorzunehmenden Schätzung grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0121220 [T1]; RS0040341 [T14]). Einen gravierenden, an die Grenzen des Missbrauchs gehenden Fehler bei der Anwendung des richterlichen Ermessens (vgl RIS-Justiz RS0007104), der an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden könnte, zeigt die Antragstellerin nicht auf. Der vom Rekursgericht dafür herangezogene Betrag, der nach seinen klaren Ausführungen die Rückerstattung (bzw den Rückerstattungsanspruch von ca 30 %) bereits berücksichtigte, liegt eben (sogar ein wenig mehr als) 30 % niedriger als der vom Erstgericht herangezogene Betrag. Damit kann die Antragstellerin, die in ihrem Rechtsmittel allein diesen Punkt geltend macht, keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigen.

2. Zum Revisionsrekurs des Antragsgegners:

2.1. Eine von einer höheren Instanz verfügte Verfahrensergänzung ist nur innerhalb der Schranken des § 496 Abs 2 ZPO vorzunehmen (1 Ob 135/14f mwN; vgl RIS-Justiz RS0120282; Zechner in Fasching/Konecny² § 510 ZPO Rz 10). Hebt daher der Oberste Gerichtshof die Entscheidung der Vorinstanzen wegen des Fehlens rechtserheblicher Tatsachenfeststellungen auf, können die Parteien im weiteren Rechtsgang nur zu den von der Aufhebung betroffenen Teilen des Verfahrens neues Vorbringen erstatten. Bereits im ersten Rechtsgang abschließend erledigte Streitpunkte können demgegenüber nicht wieder aufgerollt werden (RIS-Justiz RS0042031; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 61 Rz 4; vgl auch RS0042014 [T3]; RS0042411 [T3]). Eine Ausnahme besteht nur für solche Tatsachen, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung (hier: nach Beschlussfassung) im ersten Rechtsgang neu entstanden sind (1 Ob 135/14f mwN; RIS-Justiz RS0042031 [T3]; RS0042411 [T2]). Diese Grundsätze gelten auch im Verfahren außer Streitsachen (1 Ob 25/11z; 1 Ob 173/12s; 1 Ob 135/14f; 1 Ob 33/17k, jeweils mwN).

2.2. Im gegenständlichen Verfahren trug der Oberste Gerichtshof dem Erstgericht (nur) auf, mit den Parteien zu erörtern, ob und inwieweit die ehelichen Ersparnisse wegen des Therapiebedarfs von gemeinsamen Kindern aufgebraucht wurden, weil die Kosten dafür (und damit nicht für andere Positionen) trotz Erforderlichkeit der therapeutischen Maßnahmen aus dem laufenden Einkommen der Eltern nicht zur Gänze finanziert werden konnten, und ob und bis zu welchem Betrag unter Abwägung der sonstigen Umstände vermutlich bei aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft in ihrer bisherigen Gestaltung auf Ersparnisse zurückgegriffen worden wäre. Der erkennende Senat ist in Punkt 3.1. seines Aufhebungsbeschlusses dem Standpunkt des Revisionsrekurswerbers, es könnte bei Ausmessung der Ausgleichszahlungen zu berücksichtigen sein, dass die ehelichen Ersparnisse nicht mehr vorhanden sind, allein im Zusammenhang mit den Therapiekosten – und bei Anwendung des § 91 Abs 1 EheG (dh des Hinzutretens von dessen Voraussetzungen) – beigetreten; dies obwohl dieser im ersten Rechtsgang ua Mietkosten für die Ehewohnung, geleisteten Geldunterhalt oder Verfahrenskosten, die im Zusammenhang mit der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft, wie Scheidung, Unterhalt oder Obsorge, stehen, eingewendet und versucht hatte, sie zum Gegenstand des Aufteilungsverfahrens zu machen. Schon in Punkt 1.5. des Aufhebungsbeschlusses wurde – wegen im Revisionsrekurs des Antragsgegners genannter Schulden, Wohnversorgungs- und Lebenshaltungskosten – darauf hingewiesen, dass das Rekursgericht die Ausgleichszahlung wegen Kosten, die aus der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft, Scheidungs-, Unterhalts-, Pflegschafts- oder anderen Verfahren resultieren oder wegen der Tatsache, dass der Antragstellerin die Verfahrenshilfe früher als dem Antragsgegner bewilligt worden war, zutreffend nicht herabgesetzt hatte. Über die Therapiekosten der gemeinsamen Kinder hinausgehende weitere Positionen wurden im Aufhebungsbeschluss – anders als sich der Antragsgegner nun darzustellen bemüht – nicht genannt. Dass im vorliegenden Fall erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung bzw nach Beschlussfassung im ersten Rechtsgang Tatsachen im Sinne von zu berücksichtigenden Verringerungen der ehelichen Ersparnisse entstanden wären, behauptet er gar nicht. Ausführungen ua zur Finanzierung seines eigenen Unterhalts sind daher ohne Belang.

2.3. Das Aufteilungsverfahren dient der billigen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Es soll jedem Ehepartner sein Anteil an der ehelichen Errungenschaft zugewiesen werden. Der Antragsgegner möchte mit seinem (unbewiesenen) Vorbringen, die Antragstellerin habe die Notwendigkeit der Therapie der Kinder verschuldet, weswegen die gesamten Therapiekosten nicht von den ehelichen Ersparnissen vor Aufteilung an die beiden Ehepartner abzuziehen sei, sondern die gesamten Therapiekosten ganz allein ihr anzulasten wären, mit einer schadenersatzrechtlichen Betrachtungsweise eine Art Aufrechnung mit etwaigen (behaupteten) Schadenersatzansprüchen herbeiführen. Eine derartige Vorgangsweise ist dem Aufteilungsverfahren aber fremd.

2.4. Dass im konkreten Fall das Rekursgericht im Rahmen seiner Billigkeitsentscheidung, die eine Frage des Einzelfalls ist, den Rahmen des Ermessens bei Ausmessung der Höhe der Ausgleichszahlung, der Länge der Leistungsfrist und der Höhe der ihm eingeräumten Raten überschritten hätte (RIS-Justiz RS0057501 [T14]; RS0108756; RS0115637; zur Leistungsfrist s RS0057702; zuletzt 1 Ob 185/16m), kann nicht erkannt werden.

Es wurden im vorliegenden Fall ohnehin zugunsten des Antragsgegners die gesamten Therapiekosten als die gemeinsamen Ersparnisse mindernd berücksichtigt. Darüber hinaus hätte er für die Abdeckung von Unterhalt oder etwa mit aus der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und der Scheidung resultierenden Verfahrenskosten nicht einseitig auf gemeinsame Ersparnisse greifen dürfen. Auch die Interessen der Antragstellerin, die einen Anspruch auf ihren Anteil an den ehelichen Ersparnissen hat, dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Ein längeres Zuwarten, über den Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren hinaus (wie er sich aus der Festsetzung der Raten ergibt), auf die Erfüllung ihres Ausgleichsanspruchs wäre ihr bei einem Betrag von ca 18.000 EUR nicht mehr zumutbar. Die vom Antragsgegner begehrte Ratenhöhe von 100 EUR (anstelle der ohnehin moderaten 1.000 EUR monatlich) führte, wie in der Revisionsrekursbeantwortung zutreffend aufgezeigt wird, dazu, dass der Antragsgegner, der Arzt ist, seiner geschiedenen Frau überhaupt erst in einem Zeitraum von 15 Jahren den Wert des Fehlenden zu zahlen hätte.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

4. Beide Parteien haben wechselseitig in ihren Revisionsrekursbeantwortungen auf die fehlende Zulässigkeit der Revisionsrekurse der Gegenseite hingewiesen. Ihnen steht gemäß § 78 Abs 2 AußStrG jeweils der Ersatz der im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses entstandenen Kosten zu (RIS-Justiz RS0122774), wobei die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners auf einer Bemessungsgrundlage von 4.808,93 EUR zu berechnen sind. Nach Saldierung ergibt sich damit ein Ersatz von 751,97 EUR zugunsten der Antragstellerin. Der – hier gar nicht vom Erstgericht, sondern – vom Rekursgericht gesetzte Kostenvorbehalt (§ 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG) steht der Kostenentscheidung nicht entgegen, weil der Ersatzanspruch unabhängig vom Ausgang in der Hauptsache ist (vgl 1 Ob 44/14y ua; RIS-Justiz RS0129365 zur Rechtslage im Zivilprozess).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00110.17H.0712.000
Schlagworte:
Familienrecht

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