OGH vom 24.09.2019, 6Ob170/19x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Mag. R*****, gegen die beklagten Parteien 1. M*****, vertreten durch Dr. Martin Brenner, Rechtsanwalt in Wien, 2. Mag. Dr. W*****, wegen 45.807,08 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 50/18i-101, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Das Berufungsgericht hat nunmehr die Abweisung des Zahlungsbegehrens (Punkt 3. und 4. des Ersturteils) wegen Unschlüssigkeit – darauf hat sich auch schon das Erstgericht (unter anderem) gestützt – bestätigt. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO sein (RS0037780).
2. Weiters meint der Kläger, das Berufungsgericht habe in seiner Vorentscheidung in diesem Verfahren die Unschlüssigkeit des Begehrens verneint, könne eine solche also nunmehr nicht mehr aufgreifen. Wie schon in der Entscheidung 6 Ob 2/19s klargestellt, hat das Berufungsgericht zu dieser Frage allerdings angesichts der bejahten Verjährung der Klagen ausdrücklich nicht Stellung genommen.
3. Das erste Feststellungsbegehren (das Berufungsgericht spricht durchgehend vom Unterlassungsbegehren) laut Punkt 1. des Ersturteils wurde wegen Verjährung (Ablauf auch der langen Verjährungsfrist) abgewiesen. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass diesem Feststellungsbegehren ausschließlich die Veröffentlichung in „B*****“ vom mit dem Titel „Anwalt R*****“ zugrunde liege. Dem Kläger werde eine standeswidrige Honorarabrechnung und Preistreiberei sowie Kostenakrobatik vorgeworfen; die Verrechnung von Einheitssatz und Einzelleistungen durch den Kläger sei standesrechtlich bedenklich. Es habe sich somit um den Vorwurf der Verletzung einer Standespflicht gehandelt, was zwar eine Verleumdung nach § 297 StGB sein könne, dies jedoch nur nach dessen Grundtatbestand des Abs 1, der eine einjährige Freiheitsstrafe androhe. Damit seien die Voraussetzungen des § 1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB (mehrjährige Strafe) nicht erfüllt.
Der Kläger geht im Revisionsverfahren davon aus, dass es sich bei diesen Ausführungen der Beklagten um den Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs gehandelt habe (6 Ob 170/13p); im Übrigen hätten die Beklagten eine im Vorhinein angedrohte existenzgefährdende Verleumdungs- und Existenzschädigungskampagne gegen den Kläger geführt, die als einheitliche Tathandlung zu sehen sei. Außerdem meint er, der Rufschädigung eines Rechtsanwalts, der der Vertrauensunwürdigkeit geziehen werde, komme besondere Bedeutung wegen der eingeschränkten Werbemöglichkeit zu (OLG Graz 5 R 139/18b).
3.1. Dem Verfahren 6 Ob 170/13p, an dem der Kläger als Beklagter beteiligt war, lag eine Aussage des Klägers zugrunde, in der er vor Gericht ausgeführt hatte, er habe ein Schreiben vom (dort) Kläger (einem Rechtsanwalt) bekommen, in dem dieser ihm vorwarf, dem Beklagten (richtig: Mandanten des Klägers) erhebliche Summen unberechtigterweise verrechnet zu haben; in dem ganzen Schreiben sei ihm der Vorwurf unterstellt worden, er hätte gewerbsmäßigen Betrug begangen. Der (dort) Kläger, also der Rechtsanwalt, verlangte Unterlassung der Behauptung, er habe dem (hier) Kläger unterstellt, gewerbsmäßig Betrug begangen zu haben. Die Klage scheiterte mit der Begründung, die Äußerung sei nach den Umständen des Falls ihrem Sinn und Bedeutungsgehalt nach eine zulässige Meinungsäußerung gewesen, dürfe doch das Recht, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen, nicht mit einer Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung belastet werden, sofern kein Rechtsmissbrauch in Form einer wissentlichen Behauptung falscher Tatsachen vorliegt; es könne keine Rede davon sein, dass der (hier) Kläger die Aussage ausschließlich deshalb tätigte, um den (dort) Kläger anzuschwärzen.
Der im vorliegenden Revisionsverfahren gezogene Schluss, damit stelle der Vorwurf überhöhter Leistungsabrechnungen den Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs dar, lässt sich mit dieser Entscheidung aber nicht begründen.
3.2. Zur angedrohten Vernichtungskampagne wurde bereits in der Vorentscheidung 6 Ob 2/19s Stellung genommen (ErwGr 2.1.); diese wurde auf Tatebene verneint.
3.3. Das Oberlandesgericht Graz führte in der genannten Entscheidung (5 R 139/18b) aus, der (dortige) Kläger habe plausible Gründe angeführt, warum Rechtsanwälte vom Vorwurf strafrechtlich relevanter Manipulationen im Rahmen gerichtlicher Verfahren besonders betroffen sind. Hervorzuheben seien dabei vor allem die von potentiellen Klienten vorausgesetzte Reputation berufsmäßiger Parteienvertreter und die von ihnen erwartete Ehrenhaftigkeit ihres Handelns (vgl § 10 Abs 2 RAO). Werden diese Eigenschaften öffentlich in Abrede gestellt und der Anschein der Unseriosität, der Vertrauensunwürdigkeit oder gar der Straffälligkeit im Zuge der Berufsausübung erweckt, beschädige dies zwangsläufig den guten Ruf und damit auch den wirtschaftlichen Erfolg von Rechtsanwälten, hängt dieser doch gerade von den genannten Attributen in hohem Maße ab. Insbesondere im vorliegenden Kontext werde das Ausmaß der Beeinträchtigung nicht von der Anzahl der Leser bestimmt, die der Beklagte erreicht hat, zumal Rechtsanwälten die Möglichkeit einer gezielten Werbung um neue Klienten nicht offen steht (§ 10 Abs 3 RAO; RS0117596), sie demnach besonders auf ihr (berufliches) Renommee und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit angewiesen und daher von negativer Mundpropaganda nachhaltig betroffen sind.
In diesem Verfahren ging es allerdings zum einen um die Bewertung des Entscheidungsgegenstands; zum anderen ist es nicht zweifelhaft, dass sich der Rechtsanwalt nach § 1330 ABGB gegen solche Vorwürfe wehren kann. Davon, dass es sich bei derartigen Vorwürfen (auch) um den Vorwurf des schweren bzw gewerbsmäßigen Betrugs handeln würde, ist in der Entscheidung aber nicht die Rede.
Zusammengefasst ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei in dem Beitrag vom lediglich standeswidriges Verhalten vorgeworfen worden, jedenfalls vertretbar. Die Frage, ob einem Schreiben (hier einem Internetbeitrag) eine bestimmte Äußerung entnommen werden kann, ist immer nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise bei ungezwungener Auslegung zu beurteilen. Wie eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, hängt dabei so sehr von den Umständen des konkreten Falls ab, dass dieser Frage keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet (vgl bloß 4 Ob 18/04g).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00170.19X.0924.000 |
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Fundstelle(n):
WAAAD-33001