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OGH vom 12.07.2017, 1Ob109/17m

OGH vom 12.07.2017, 1Ob109/17m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. HoferZeniRennhofer als weitere Richter in der Abstammungssache des Antragstellers mj J***** W***** 2006, vertreten durch das Land Tirol, als Kinder- und Jugendhilfeträger, *****, gegen den Antragsgegner (J*****) C***** G*****, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** USA, wegen Feststellung der Vaterschaft, über den Revisionsrekurs der Zustellkuratorin Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwältin, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 53 R 18/17m102, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Lienz vom , GZ 1 Fam 18/07m98, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisonsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen über die Bestellung eines Kurators werden aufgehoben.

Die Zustellkuratorin hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Minderjährige stellte am ua den Antrag, den Antragsgegner als seinen Vater festzustellen. Anlässlich seiner Vernehmung im Rechtshilfeweg vor einer stellvertretenden USBundesanwältin (Northern District of Georgia) wurde ihm ua dieser und der Antrag auf Unterhalt samt Übersetzung persönlich ausgehändigt. Der Antragsgegner gab damals an, er sei am in *****, geboren, und zur Zeit in *****, Apt 72M, Georgia, *****, USA wohnhaft. Belehrt über „das Entschlagungsrecht gemäß österreichischem Recht, wie in den dem Rechtshilfeersuchen beigeschlossenen Schriftstücken dargelegt“ anerkannte er die Vaterschaft nicht und war auch nicht bereit, den im Antrag begehrten Unterhalt für das mj Kind zu zahlen. Er berief sich darauf, dass die Mutter in der Empfängniszeit mit einer anderen Person als mit ihm Geschlechtsverkehr gehabt habe.

Nachdem der Beschluss vom , mit dem der Antragsgegner als Vater des Antragstellers festgestellt wurde, durch das beliehene Unternehmen Process Forwarding International (PFI, über das damals entsprechend dem Erlass vom zur Neuregelung von zivilverfahrensrechtlichen Zustellungen in die USA die Zustellung [im direkten Weg] vorzunehmen war) an der obigen Adresse nicht zugestellt werden hätte können (weil dort nach den Angaben des Zustellers seit Jänner 2013 eine andere Person Mieterin war), teilte die Botschaft mit, dass auf Webseiten allein drei Personen mit diesem Namen in Georgia und weitere in anderen Bundesstaaten gefunden hätten werden können, eine behördliche Ausforschung von Personen in den Vereinigten Staaten mangels einer mit Österreich vergleichbaren Meldepflicht nicht möglich sei und lediglich auf diversen Webseiten im Internet selbst Nachforschungen über den Aufenthalt des Antragsgegners angestellt werden könnten. Als nun auch der Versuch einer Zustellung an einer vom Antragsteller im Jahr 2016 als neue Adresse bekanntgegebene Anschrift (nun mit einem zweiten Vornamen) scheiterte, bestellte das Erstgericht die Revisionsrekurswerberin zur Zustellkuratorin.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Antragsteller nicht beantwortete Revisionsrekurs der Kuratorin, der sich gegen ihre Bestellung richtet (zur Zulässigkeit vgl 9 Ob 154/04v mwN), ist berechtigt und führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse, ohne dass im derzeitigen Verfahrensstadium auf die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage, ob nicht im Ausland lebenden Antragsgegnern, denen dort schon zugestellt wurde, trotz Nichtvorliegens einer Belehrung gemäß § 8 ZustG nach dieser Bestimmung durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch zuzustellen wäre, einzugehen ist:

1. Die § 116 ZPO nachgebildete Bestimmung des hier anzuwendenden § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG sieht die amtswegige Bestellung eines Kurators vor, wenn an eine Partei nur durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden könnte und sie infolge der Zustellung zur Wahrung ihrer Rechte eine Verfahrenshandlung vorzunehmen hätte.

Voraussetzung dabei ist, dass die Person unbekannten Aufenthalts ist und zuvor erfolglos versucht wurde, den Aufenthalt des Betreffenden zu ermitteln (RISJustiz RS0036476 [T7]).

Die Revisionsrekurswerberin kritisiert das Ausmaß der vom Antragsteller (seiner Mutter) gepflogenen Erhebungen und weist darauf hin, dass er weder behauptet, noch bescheinigt habe, dass oder welche Erhebungen er bei den in seiner eigenen Aufstellung als Verwandte angeführten Personen gepflogen habe.

Gefordert werden als zumutbare Erhebungen etwa solche, wenngleich auch nicht sehr umfangreiche über den momentanen Aufenthaltsort des Zustellempfängers, insbesondere bei Verwandten und sonstigen Personen, die üblicherweise vom Aufenthalt einer Person Kenntnis haben, so auch bei Verschwägerten etc. In der Rechtsprechung wurden etwa schon Erhebungen bei den dem Antragsteller bekannten Eltern der Lebensgefährtin des Abwesenden als zumutbar erachtet (RISJustiz RS0049217 [T1]). Ebenso können naheliegende Nachforschungen bei ausländischen Behörden geboten sein (RISJustiz RS0036476 [T2]). Nur wenn aufgrund der Sachlage Nachforschungen bzw Erhebungen von vornherein wenig aussichtsreich bzw nicht erfolgversprechend sind, ist eine Kuratorenbestellung auch ohne diese möglich (RISJustiz RS0036476 [T3]).

Dabei handelt es sich jedoch um eine Einzelfallentscheidung, welche in dritter Instanz nur bei groben Auslegungsfehlern oder einer eklatanten Ermessensüberschreitung überprüfbar ist (1 Ob 244/05x = RISJustiz RS0036476 [T4]; RS0044088).

Nach der Aktenlage ist aber (noch) gar nicht belegt, dass der Antragsgegner unbekannten Aufenthalts ist. Es wurde nämlich noch nicht versucht, den Beschluss im (nach tatsächlicher Übung gepflogenen) Rechtshilfeweg (nach Auskunft des Bundesministeriums für Justiz nunmehr wieder über dieses im diplomatischen Weg zum „State Department“, welches den offiziellen Zustelldienst des USJustizministeriums [ABC Legal] betraut) an der aus dem Akt ersichtlichen, vom Antragsgegner selbst gegenüber einer Mitarbeiterin des Honorarkonsulats zuletzt angegebenen, „etwas veränderte[n]“ Adresse: *****, Apt. 72T, Georgia, *****, USA, zuzustellen. Die Zustellung per PFI erfolgte bisher nur an der Adresse Apt. 72M, nicht aber unter Apt 72T.

Waren die Voraussetzungen für eine Bestellung eines Kurators nicht gegeben, so ist der Beschluss ersatzlos aufzuheben (vgl 6 Ob 16/14t = EvBl 2014/131 [Jelinek] mwN).

Im derzeitigen Verfahrensstadium wäre daher (vorerst) auch eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nach § 8 Abs 2 ZustG verfehlt, weil diese Bestimmung unter anderem die Unterlassung der Mitteilung über die Änderung wohl der zuletzt genannten Abgabestelle (hier eben zuletzt jene mit Apt 72T) voraussetzte. Es wird daher der Versuch zu unternehmen sein, an dieser Adresse die Zustellung durchzuführen.

Im Abstammungsverfahren minderjähriger Kinder findet ein Kostenersatz nicht statt (§ 83 Abs 4 AußStrG).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00109.17M.0712.000
Schlagworte:
Zivilverfahrensrecht

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