OGH 31.08.2006, 6Ob169/06f
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Roschek & Biely Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Ludwig Redtensteiner, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Ybbs, wegen Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), infolge der „außerordentlichen Revision" der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 390/05v-30, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom , GZ 2 C 2841/03b-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Dienstleistungs- und Mietvertrag abgeschlossen zwischen den Parteien mit Wirksamkeit zum betreffend Personaldienstleistung, mit Wirksamkeit per hingegen betreffend die restlichen Vertragsbestandteile aufgelöst ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist Gegenstand dieses Vertragsverhältnisses die Zusammenarbeit zwischen den Parteien, wobei von der Beklagten nicht nur Speditionsleistungen erbracht, sondern darüber hinaus eine Büroräumlichkeit zur Verfügung gestellt und Büro- sowie Personaldienstleistungen erbracht werden sollten, um die Geschäfte der Klägerin abzuwickeln. Dem Vertrag ist zu entnehmen, dass an Personalkosten 300.000 S, an Buchhaltungskosten 150.000 S und an Büroraumkosten 90.000 S (jährlich) in Rechnung gestellt wurden; dazu kamen Kosten für Lager- und Weiterleitungsorganisation, die umsatzmäßig abgerechnet werden sollten.
Das Berufungsgericht gab - in Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts - dem Klagebegehren statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Dagegen erhob die Beklagte eine „außerordentliche Revision", die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof direkt vorlegte. Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:
Rechtliche Beurteilung
Nach § 502 Abs 3 ZPO idF WGN 1997 iVm Art 94 Z 14 des 2. Euro-Justiz-BegleitG BGBl I 2001/98 ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 dieses Gesetzes - jedenfalls unzulässig, wenn (wie hier) der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 Satz 1 ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte. Der Revision fehlt freilich die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) gestellt werde; die Beklagte verweist vielmehr ausdrücklich auf § 502 Abs 5 Z 2 ZPO. Nach dieser Bestimmung gilt (unter anderem) § 502 Abs 3 ZPO nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. § 49 Abs 2 Z 5 JN erfasst alle Streitigkeiten aus Bestandverträgen über unbewegliche Sachen. Die Beklagte meint, es liege hier ein „gemischter Vertrag" vor, bei dem allerdings die bestandrechtlichen Elemente derart überwiegen würden, dass insgesamt von einer bestandrechtlichen Streitigkeit auszugehen sei; gemessen am Interesse der Klägerin sei „zweifelsfrei" die Miete von Büroräumlichkeiten im Vordergrund gestanden.
Es ist zwar durchaus zutreffend, dass die Parteien im vorliegenden Verfahren einen Vertrag abgeschlossen haben, der auch bestandrechtliche Teile enthält. Schon allein aus der Gegenüberstellung der von der Beklagten in Rechnung gestellten Kosten ergibt sich aber ein eindeutiges Überwiegen der nichtbestandrechtlichen Teile des Vertrags. So wie § 49 Abs 2 Z 5 JN nicht für Streitigkeiten aus gemischten Verträgen gilt, die neben bestandrechtlichen Elementen auch solche eines Verwahrungs- und Werkvertrags enthalten (Simotta in Fasching, ZPO² [2000] § 49 JN Rz 81 mwN; ebenso Mayr in Rechberger, ZPO² [2000] § 49 JN Rz 11 ["reine Bestandverträge"]), ist er auch nicht auf einen Vertrag anzuwenden, der neben bestandrechtlichen Teilen weitaus überwiegend Teile enthält, die nicht bestandrechtlicher Natur sind (vgl Mayr, aaO unter Hinweis auf LGZ Wien WR 720 [Kooperationsvereinbarung mit bestandrechtlichen Elementen]). Der Ausnahmetatbestand des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO, der nicht ausdehnend auszulegen ist (Mayr, aaO; Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 502 Rz 192), liegt somit hier nicht vor.
Damit wäre der Rechtsmittelschriftsatz der Beklagten aber jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen gewesen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623; 4 Ob 20/06d).
Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese erkennbar (gleich den Revisionsausführungen zur Sache) an den Obersten Gerichtshof gerichtet seien, dann wird es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis im Sinne des § 84 Abs 3 ZPO, dann ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Das gilt nach § 474 Abs 2 Satz 2 ZPO auch für das Fehlen des Rechtsmittelantrags. Sollte die Beklagte die Verbesserung ihres Schriftsatzes sodann verweigern, dann wäre die Revision jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0109501; 4 Ob 20/06d). Aus diesen Erwägungen war der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R.***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Roschek & Biely Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Ludwig Redtensteiner, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Ybbs, wegen Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 390/05v-30, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom , GZ 2 C 2841/03b-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen (über Antrag der Beklagten abgeänderten) Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Aufhebung eines Dauerschuldverhältnisses statt durch Auflösungserklärung nach § 1118 ABGB durch das mildere Mittel der Aufkündigung nicht nur zulässig, sondern sogar verpflichtend sei.
Die Parteien vereinbarten nach mehr als 15-jähriger Geschäftsverbindung im Jahr 1999 den Aufbau eines Büros der Klägerin, der Tochtergesellschaft eines französischen Saatguthändlers, in den Räumlichkeiten der Beklagten mit Beginn des Jahres 2000. Die Beklagte sollte in Hinkunft nicht mehr - wie bislang - Speditionsleistungen für die Klägerin erbringen, sondern auch Büroräumlichkeiten zur Verfügung stellen und Büroorganisations- sowie Personaldienstleistungen erbringen, um die Geschäfte der Klägerin abzuwickeln. Das Vertragsverhältnis war auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und konnte jeweils zum Jahresende unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist aufgelöst werden; die Möglichkeit einer Teilkündigung war nicht vorgesehen.
Ab Oktober 2001 war auf Seiten der Beklagten Mag. Steliana S***** für die Klägerin tätig. Letztere teilte der Beklagten am ausdrücklich mit, dass sie mit der Arbeit von Mag. Steliana S***** sehr zufrieden sei und daher auf ihre weitere Tätigkeit Wert lege. Dennoch kündigte die Beklagte der Klägerin im Juli 2003 die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Mag. Steliana S***** an und nahm die Kündigung dann auch tatsächlich per Ende September 2003 vor.
Bereits am hatte eine Besprechung stattgefunden, deren Ergebnis gewesen war, dass die Klägerin Mag. Steliana S***** selbst in ein Dienstverhältnis übernehmen könnte. Der Prokurist der Klägerin hatte dabei dem Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt, die Klägerin werde weiterhin Personaldienstleistungen der Beklagten in Anspruch nehmen und keine eigene Mitarbeiterin dafür einstellen, die endgültige Entscheidung müsse aber die Geschäftsleitung in Frankreich treffen. Als sich diese in weiterer Folge entschlossen hatte, Mag. Steliana S***** einzustellen, hatte der Prokurist der Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten hievon telefonisch informiert. Dieser hatte darauf antwortet, dass dies seiner Ansicht nach in Ordnung gehe und dass er sich mit einem Vorschlag betreffend die übrigen Vertragspositionen wieder melden werde.
Da sich der Geschäftsführer der Beklagten in den Tagen darauf jedoch nicht gemeldet hatte, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom gegenüber der Beklagten die Auflösung des Vertragsverhältnisses hinsichtlich „Büroorganisation und Personalkosten für Halbtagskraft" per ; hinsichtlich der „verbleibenden Leistungen" solle der Vertrag jedoch aufrecht bleiben. Daraufhin schlug die Beklagte der Klägerin vor, diese solle die bisherige Pauschale für Personal- und Arbeitsplatzkosten von monatlich 4.150 EUR und die Pauschale für die Überlassung des Büroraums von monatlich 610 EUR bis weiterbezahlen; ab werde ein Pauschalbetrag von monatlich
1.750 EUR für die „Nutzung des Büroraums und die Abdeckung der Kosten der Arbeitsplätze und der Infrastruktur" verrechnet. Nachdem die Klägerin dies mit Schreiben vom unter Hinweis darauf abgelehnt hatte, sie führe nunmehr ohnehin die Büroorganisation mit eigenem Personal durch, wies die Beklagte mit Schreiben vom die Klägerin darauf hin, dass zwischen den Parteien ein Teilkündigungsrecht nicht vereinbart worden sei.
Letztlich erklärte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom die „vorzeitige Auflösung des Vertrags aus wichtigem Grund". Ab Oktober 2003 bezahlte sie auch nur mehr 610 EUR monatlich an Büromiete; im Mai 2004 räumte sie die Büroräumlichkeiten endgültig. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Auflösung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien hinsichtlich der Personaldienstleistung mit und hinsichtlich der restlichen Vertragsbestandteile mit , in eventu hinsichtlich des gesamten Vertragsverhältnisses mit . Das Berufungsgericht gab dem Hauptbegehren statt. Die Klägerin habe das Vertragsverhältnis zu Recht mit aus wichtigem Grund aufgelöst. Für sie habe sich immer mehr gezeigt, dass die Beklagte nicht wirklich gewillt gewesen sei, die getroffenen Vereinbarungen einzuhalten. So habe die Beklagte der Klägerin ein anderes Büro zur Verfügung gestellt, als vereinbart worden war; dieses habe noch dazu keine Klimaanlage aufgewiesen. Zunächst habe die Beklagte gegenüber der Klägerin die Personalkosten verdoppelt, dann jedoch die Wochenarbeitszeit von Mag. Steliana S***** auf 30 Wochenstunden herabgesetzt; dabei habe sie wahrheitswidrig behauptet, dies sei auf eigenen Wunsch von Mag. Steliana S***** geschehen. Obwohl Pauschalbeträge vereinbart gewesen seien, habe die Beklagte ständig Nachbelastungen für Personalkosten in Rechnung gestellt. Trotz Kenntnis der Bedeutung von Mag. Steliana S***** für die Klägerin habe die Beklagte diese per gekündigt und der Klägerin eine erst einzuschulende Berufsanfängerin angeboten. Aufgrund des Verhaltens des Geschäftsführers der Beklagten anlässlich des Telefonats in der zweiten Septemberhälfte 2003 habe die Klägerin davon ausgehen können, dass die Beklagte die Teilauflösung des Vertragsverhältnisses hinsichtlich der Personaldienstleistungen akzeptiere; dennoch habe die Beklagte in weiterer Folge diese Möglichkeit abgelehnt und sogar bestritten, ihre Zustimmung zur Übernahme von Mag. Steliana S***** durch die Klägerin erteilt zu haben. Und schließlich habe die Beklagte nach der Teilauflösung des Vertragsverhältnisses für das Zurverfügungstellen des Büroraums anstelle 610 EUR monatlich 1.750 EUR verlangt. All diese Umstände in ihrer Gesamtheit hätten das Vertrauen der Klägerin in die Seriosität der Beklagten erschüttert. Da die Beklagte einer Teilauflösung des Vertragsverhältnisses hinsichtlich der Personaldienstleistungen telefonisch zugestimmt habe, sei es insofern bereits mit als aufgelöst anzusehen. Die Klägerin habe zwar nicht unmittelbar nach dem die Büroräumlichkeiten geräumt; dies schade ihr aber nicht, weil ihr eine gewisse Frist zur Suche eines Ersatzlokals zuzubilligen gewesen sei.
Die Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können Dauerschuldverhältnisse durch einseitige Erklärung (außerordentliche Kündigung) aufgelöst werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragsteile unzumutbar erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0027780). Diese Regel ist ein der Natur der Dauerschuldverhältnisse angepasster Spezialfall der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage (8 Ob 648/88 = SZ 61/281 [Pfersmann, ÖJZ 1991, 763]). Dies gilt insbesondere auch für atypische und gemischte Dauerschuldverhältnisse (1 Ob 737/81 = MietSlg 33.197).
Dass in einem solchen Fall der Vertragspartner anstelle der sofortigen Vertragslösung aus wichtigem Grund auch das „mildere Instrument" der (ordentlichen) Kündigung wählen kann - wie das Berufungsgericht zutreffend meint -, bedarf keiner weiteren Erörterung. Er ist dazu aber nicht verpflichtet. Liegt nämlich ein wichtiger Grund vor, führt die Auflösung zur sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses; bei ordentlicher Kündigung sind jedoch in der Regel gesetzliche oder vertragliche Fristen einzuhalten, wodurch der Vertragspartner trotz des Auflösungsgrunds noch über einen bestimmten Zeitraum in das Vertragsverhältnis, das für ihn unzumutbar geworden ist, eingebunden wäre. Im vorliegenden Fall wären dies - bei ordentlicher Kündigung der Klägerin im September 2003, wie die Beklagte meint - immerhin noch die Monate November und Dezember 2003 gewesen.
Im Übrigen wird im Bestandrecht dazu sogar die Auffassung vertreten, in einem solchen Fall (Aufkündigung anstelle sofortiger Räumungsklage) bedürfe es nicht der Einhaltung vereinbarter oder gesetzlicher Kündigungsfristen; daher könne der Kündigungszeitpunkt (in der Zukunft) beliebig gewählt werden (7 Ob 322/00d = MietSlg 53.167 mwN).
2. Das Berufungsgericht hat in einer Gesamtbetrachtung das Verhalten der Beklagten als geeignet angesehen, das Vertrauen der Klägerin in die Seriosität der Beklagten zu erschüttern. Diese versucht nun in der Revision darzutun, dass das Berufungsgericht hiebei einer Fehlbeurteilung unterlegen ist.
Die Frage, ob ein von den Vorinstanzen festgestelltes Verhalten des einen Vertragspartners dem anderen einen hinreichenden Grund zur außerordentlichen Kündigung des Dauerschuldverhältnisses gegeben hat, hängt aber von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 383/98v); eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts ist nicht erkennbar.
3. Da eine vorzeitige Vertragsauflösung aus wichtigem Grund nur möglich ist, wenn einem Vertragspartner die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar ist, wird in der Regel die Teilauflösung eines aus mehreren Vertragskomponenten bestehenden Vertragsverhältnisses nicht so ohne Weiteres möglich sein. Einer abschließenden Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zu dieser Frage bedarf es hier aber nicht, weil der Geschäftsführer der Beklagten sich gegenüber dem Prokuristen der Klägerin mit einer Teilauflösung des Vertrags hinsichtlich der Personaldienstleistungen ausdrücklich einverstanden erklärt hat.
4. Die Beklagte vertritt in der Revision die Auffassung, die Klägerin habe die Vertragsauflösung nicht unverzüglich erklärt und sich damit jedenfalls ihres Rechtes dazu begeben; sie habe mit ihrem Zuwarten dargetan, dass sie die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses trotz der Auflösungsgründe nicht als unzumutbar empfunden habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur außerordentlichen Kündigung etwa nach § 30 MRG ist ein Kündigungsgrund ehestens geltend zu machen. Bei Unterlassung einer Kündigung durch längere Zeit trotz Kenntnis des den Kündigungsgrund bildenden Sachverhalts kann nämlich ein stillschweigender Verzicht auf diesen Kündigungsgrund nach § 863 ABGB angenommen werden, wenn das Zuwarten mit der Aufkündigung unter Umständen erfolgt, aus denen mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt, dass der Sachverhalt nicht mehr als Kündigungsgrund geltend machen werden soll. Bei der Prüfung des Vorliegens eines konkludenten Kündigungsverzichts ist jedoch besondere Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen, das heißt, im Zweifel ist ein Kündigungsverzicht nicht anzunehmen (4 Ob 2050/96s = MietSlg 48.365; RIS-Justiz RS0014416).
Das Berufungsgericht hat dem Verhalten der Beklagten nach der Teilauflösung des Vertragsverhältnisses besondere Bedeutung beigemessen; die Revision führt dazu lediglich aus, die „als wichtige Gründe aufgezeigten Umstände [seien] lange vor der am 'vorsichtsweise' erfolgten Auflösungserklärung" gelegen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Kündigungsgrund ohne unnötigen Aufschub „ehestens" geltend gemacht wurde, kommt es aber immer auf die Umstände des Einzelfalls an (4 Ob 1516/92 = MietSlg 44.441; RIS-Justiz RS0070172).
5. Schließlich meint die Beklagte in der Revision noch, die Klägerin habe bis Mai 2004 die Büroräumlichkeiten trotz Auflösung des Vertragsverhältnisses weiter genutzt; auch dieser Umstand zeige, dass es ihr nicht an einer Auflösung des Vertragsverhältnisses gelegen gewesen sei; sie habe auch weiter „Miete" bezahlt. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, der Klägerin sei eine gewisse Frist zur Suche eines Ersatzlokals zuzubilligen gewesen; ein stillschweigender neuerlicher Vertragsabschluss könne aus diesem Verhalten der Klägerin nicht abgeleitet werden.
Bei der Beurteilung des Verhaltens eines Vertragspartners als konkludente Willenserklärung kommt es immer auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0109021); insbesondere die Frage, ob nach diesen Umständen des Einzelfalls etwa ein Verzicht anzunehmen ist, ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0107199). Die Auslegung des Verhaltens der Klägerin durch das Berufungsgericht, diese habe die Büroräumlichkeiten nicht geräumt, weil sie auf der Suche nach einem Ersatzlokal gewesen sei, ist durchaus vertretbar. Im Übrigen verweist die Klägerin in der Revisionsbeantwortung zutreffend darauf, dass auch nach dem von den Parteien Vergleichsgespräche geführt worden sind (vgl Beilagen ./P, ./Qu, ./S, ./T).
Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher nicht als zur zwecksentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Die Klägerin hat dessen Kosten selbst zu tragen.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in Zak 2006/683 S 398 - Zak 2006,398 XPUBLEND |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2006:0060OB00169.06F.0831.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAD-32703