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OGH vom 21.04.1998, 5Ob104/98z

OGH vom 21.04.1998, 5Ob104/98z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Petra M*****, vertreten durch Dr.Dietrich Kühnelt, Notar in 9800 Spittal/Drau, wegen Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 3 R 25/98f, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom , TZ 8389/97, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:

"In der EZ *****, Eigentümerin Anneliese H*****, wird auf Grund des notariellen Übergabsvertrages auf den Todesfall vom , GZ 3062, der Geburtsurkunde des Standesamtes Karlstadt am Main Nr 139/1961 vom , der Heiratsurkunde Nr 1/1979 des Standesamtes Baldramsdorf vom und der beglaubigten Abschrift aus dem Familienbuch Karlstadt vom die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes gemäß Punkt Zehntens des Übergabsvertrages auf den Todesfall vom für Petra M*****, bewilligt.

Hievon werden verständigt:

1.) Petra M*****;

2.) Anneliese H*****;

3.) Finanzamt Spittal/Drau mit dem Bemerken, daß der Übergabsvertrag unter ERF. Nr. 611.927/97 zur Gebührenbemessung angezeigt wurde;

4.) Dr.Dietrich Kühnelt, öffentl. Notar, 9800 Spittal/Drau, unter Anschluß der Originalurkunden."

Der Vollzug der Eintragung und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Anneliese H*****, nach den vorliegenden Urkunden die Stiefmutter der Antragstellerin, hat mit letzterer am einen notariellen Übergabsvertrag auf den Todesfall abgeschlossen, demzufolge die Antragstellerin die Liegenschaft EZ ***** erhalten soll. In Punkt 10 dieses Vertrages räumt die Übergeberin der Übernehmerin ein Veräußerungs- und Belastungsverbot ein, das - der Aufsandungsklausel in Punkt 11 entsprechend - nunmehr verbüchert werden soll.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Gemäß § 364c ABGB sei nämlich die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes nur zwischen den darin angeführten Personen zulässig, Stiefkinder gehörten nicht zu diesem Personenkreis. Auch die in den höchstgerichtlichen Entscheidungen ZBl 1932/114 sowie EvBl 1957/185 als hinreichend angesehene Voraussetzung, daß der Verbotsberechtigte wenigstens zu einem der beiden Vertragsteile in einem Verhältnis im Sinne des § 364c ABGB stehe, liege nicht vor. Weiters stehe der Bewilligung auch folgendes entgegen: Die Stiefkindschaft sei eine Form der Schwägerschaft, das Verhältnis erlösche mit der Auflösung der sie begründenden Ehe. Es ergebe sich die Frage, ob das Stiefkindschaftsverhältnis derzeit noch bestehe. Auch sei zu bedenken, daß bei Auflösung des Stiefkindschaftsverhältnisses vor dem Inkrafttreten der Übergabe das Belastungs- und Veräußerungsverbot als gegenstandslos gelöscht werden könnte und eine Absicherung für die Übernehmerin nicht mehr vorhanden sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus:

Nach § 364c zweiter Satz ABGB wirke ein vertragliches oder letztwilliges Veräußerungs- und Belastungsverbot gegen Dritte dann, wenn es zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern, Wahl- oder Pflegekindern oder deren Ehegatten begründet und im öffentlichen Buche eingetragen wurde. Das Vorliegen eines der im § 364c Satz 2 ABGB bezeichneten Verhältnisse sei materielle Voraussetzung für ein auch gegen Dritte wirkendes Belastungs- und Veräußerungsverbot. Nur ein solches dürfe verbüchert werden (vgl NZ 1980, 56 mwN; RPflSlgG 1978, 243/1696). Die Rechtsprechung zur Frage, ob ein derartiges Verbot zugunsten von Stiefkindern begründet werden kann, sei uneinheitlich. Der Oberste Gerichtshof verneinte sie in älteren Entscheidungen (SZ 23/201 = EF 1.416; EvBl 1963/66 = RZ 1963, 14), während Entscheidungen der Rekursgerichte sie einmal bejahten, dann wieder verneinten (dafür etwa: RPflSlgG 777; EF 63.028; RPflSlgG

1990, 189/2261 = WR 301; EF 66.190 = RPflSlgG 1991, 91/2294; dagegen

etwa: ImmZ 1950, 136; EF 78.352 = RPflG 1991, 171/2473; hg. 3 R

77/94). Zumindest ein Teil der Lehre vertrete die Auffassung, auch Stiefeltern/Stiefkinder gehörten zum Personenkreis des § 364c ABGB (etwa Spielbüchler in Rummel, ABGB2 § 364c Rz 6). In der Entscheidung ZBl 1932/114 habe der Oberste Gerichtshof entschieden, daß zwar Stiefkinder nicht zu dem genannten Personenkreis gehören, da aber die Vereinbarung zwischen einem Elternteil und dem Stiefelternteil zugunsten des Stiefkindes getroffen wurde, stehe das berechtigte Kind zu einem der Vertragsteile in einem Verwandtschaftsverhältnis im Sinne des § 364c ABGB, womit die Voraussetzung dieser Gesetzesstelle erfüllt sei (siehe auch EvBl 1957/185). Dieser letzte Fall liegt hier aber nicht vor.

Nach Auffassung des Rekursgerichtes bestehe kein Anlaß, den Personenkreis des § 364c ABGB im Wege der Analogie auf Stiefeltern/Stiefkinder zu erweitern, da kein hinreichender Grund für die Annahme des Vorliegens einer planwidrigen Unvollständigkeit dieser Norm bestehe. Es könne nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber bei Schaffung der Norm das Stiefeltern/Stiefkind-Verhältnis übersehen hat.

Dem Erstgericht sei beizupflichten, daß das Stiefkindschaftsverhältnis (= Schwägerschaft, siehe § 40 ABGB) durch Auflösung der es begründenden Ehe erlischt. Allerdings handle es sich dabei um einen in diesem Fall irrelevanten Umstand, wenn man wie hier die Auffassung vertrete, zugunsten eines Stiefkindes könne ein vertragliches oder letztwilliges Belastungs- und Veräußerungsverbot nicht im Grundbuch eingetragen werden. Deshalb sei die Frage, ob das Stiefkindschaftsverhältnis noch besteht, bedeutungslos. Inwieweit die Antragstellerin bei nachträglicher Auflösung des Stiefkindschaftsverhältnisses abgesichert ist, spiele für die Frage der Bewilligung des Antrages keine Rolle und brauche daher nicht erörtert zu werden.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß die Rechtsprechung der zweiten Instanzen zur Frage, ob Stiefkinder dem Personenkreis des § 364c ABGB zuzuzählen sind, uneinheitlich sei, jüngere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, soweit ersichtlich, die Frage nicht beantworteten und zumindest ein Teil der Lehre eine andere Auffassung als der erkennende Senat vertrete.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs vertritt die Antragstellerin den Standpunkt, als Stieftochter der Verbotsbelasteten zum begünstigten Personenkreis des § 364c ABGB zu gehören. Die diesbezüglichen Judikatur- und Lehrmeinungen hätten den Zweck der gesetzlichen Regelung für sich, Liegenschaften im Familienbesitz zu erhalten. Es sei nicht einzusehen, warum ein solches Interesse im Verhältnis zwischen Stiefeltern und Stiefkindern anders beurteilt werden sollte als beispielsweise im Verhältnis zwischen Pflegegeltern und Pflegekindern oder Schwiegereltern und Schwiegerkindern. Wenn in ZBl 1932/114 ausgesprochen wurde, ein dingliches Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten eines Stiefkindes könne durch einen Vertrag des leiblichen und des Stiefelternteils, also durch einen Vertrag zugunsten Dritter begründet werden, müsse dies umso mehr durch einen Vertrag zwischen Stiefkind und Stiefelternteil möglich sein. Daß ein Schwägerschaftsverhältnis enden könne, sei kein Grund, die Verbücherung eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes nicht zuzulassen. Auch eine mögliche Beendigung des Pflegschaftskindverhältnisses sei kein Eintragungshindernis, und ein zwischen Ehegatten begründetes Veräußerungs- und Belastungsverbot behalte nach der Judikatur seine dingliche Wirkung.

Der Revisionsantrag geht sinngemäß dahin, die Entscheidungen der Vorinstanzen so abzuändern, daß dem Eintragungsbegehren stattgegeben wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er erweist sich auch als berechtigt.

Schon das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, daß sich Judikatur und Lehre in der Frage uneins sind, ob ein zwischen Stiefkind und Stiefelternteil begründetes vertragliches Veräußerungs- und Belastungsverbot im Grundbuch eingetragen, also mit dinglicher Wirkung ausgestattet werden kann. Für die Eintragungsmöglichkeit lassen sich beispielsweise die höchstgerichtlichen Entscheidungen ZBl 1932/114 und EvBl 1975/185 sowie Spielbüchler in Rummel2, Rz 6 zu § 364c ABGB und wohl auch Bartsch, Grundbuchsgesetz7, 157, Dittrich/Angst/Auer, Grundbuchsrecht4 bei E 95 zu § 9 GBG oder Dittrich/Tades bei E 49 zu § 364c ABGB MGA34 ins Treffen führen, dagegen die Entscheidungen SZ 23/201 und 2 Ob 590/53 sowie Gschnitzer ua, Österreichisches Sachenrecht2, 156 oder Feil, Grundbuchsgesetz2, 118 (der allerdings gleichzeitig die seiner Ansicht entgegenstehende Entscheidung RPflSlgG 2294 als richtig bezeichnet). Zweitinstanzliche Entscheidungen sind ebenfalls höchst widersprüchlich, manchmal sogar beim selben Senat eines Gerichtshofes (vgl etwa RPflSlgG 2294 und 2473). Der Grund für diese Meinungsdifferenzen scheint darin zu liegen, daß der Wortlaut des § 364c ABGB für eine taxative Aufzählung jener nahen Angehörigen spricht, die als Begünstigte und Belastete eines verbücherungsfähigen Verbots in Frage kommen (vgl EvBl 1963/66 ua), während der offenkundige Zweck der gesetzlichen Regelung, dem Interesse an der Erhaltung eines Familienbesitzes entgegenzukommen (ZBl 1932/114; vgl auch Angst, Rechtsfragen des rechtsgeschäftlichen Veräußerungs- und Belastungsverbotes, in FS Hofmeister, 1 ff [2]; Fischer-Czermak, Veräußerungsverbot und Besitznachfolgerechte, in FS Hofmeister, 169 ff [169]), die analoge Ausdehnung des Kreises der begünstigten Personen auf Stiefkinder des Verbotsbelasteten nahelegt.

Der erkennende Senat hält die zuletzt angesprochene Analogie für geboten. Nur sie vermeidet den offenkundigen Wertungswiderspruch, der darin läge, etwa Pflegekinder und deren Ehegatten dem Kreis der schutzwürdigen Familie zuzurechnen, die leiblichen Kinder des eigenen Ehegatten jedoch nicht. Die taxativ anmutende Umschreibung des Kreises der begünstigten Personen in § 364c Satz 2 ABGB erschwert zwar die Analogie, schließt sie aber nicht völlig aus, da es immer wieder zu einem planwidrigen Übersehen teleologisch vergleichbarer und damit gleich zu behandelnder Sachverhalte kommen kann (vgl WoBl 1993, 107/71; SSV-NF 6/60; ecolex 1996, 114). Lückenhaft kann ein Gesetz auch durch geänderte gesellschaftliche Anschauungen werden, da das Recht stets in der gegenwärtigen Rechtsgemeinschaft zu

funktionieren hat (vgl Bydlinski in Rummel2, Rz 26 zu § 6 und Rz 2 zu § 7 ABGB). Wer zur Familie gehört, wird heute nicht mehr

ausschließlich durch Satzungen, sondern zunehmend durch die Intensität des Zusammenlebens und des Zusammengehörigkeitsgefühls definiert. Bei dieser Betrachtungsweise ist es aber naheliegend, die Kinder, die der Lebenspartner in die Ehegemeinschaft mitgebracht hat, zur Familie zu zählen, die des Schutzes wert ist, Familienbesitz aufbauen und erhalten zu können. Dementsprechend ist die Regelung des § 364c ABGB so zu verstehen, daß auch zugunsten von Stiefkindern eines Liegenschaftseigentümers ein Veräußerungs- und Belastungsverbot im Grundbuch eingetragen werden kann.

Dazu reicht es aus, das in § 364c ABGB vorausgesetzte Naheverhältnis zwischen Begünstigtem und Belastetem für den Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuches zu belegen (vgl ZBl 1932/114; NZ 1992, 255/240 ua). Ein besonderer Nachweis, daß die dieses Naheverhältnis vermittelnde (und durch die Vorlage der Heiratsurkunde ohnehin belegte) Ehe zwischen dem leiblichen Elternteil und dem Stiefelternteil des Verbotsberechtigten im Zeitpunkt des Eintragungsgesuches noch aufrecht ist, ist nicht zu fordern (vgl NZ 1996, 157/356). Der Umstand, daß das Naheverhältnis zwischen Verbotsbelastetem und -begünstigtem einmal beseitigt werden könnte, ist kein Eintragungshindernis, weil - wie erwähnt - gemäß § 83 GBG allein der Sachverhalt im Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuches maßgeblich ist. Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.