OGH vom 20.09.1994, 4Ob1584/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Theresia F*****, 2. Lothar M*****, vertreten durch Dr.Franz Kriftner und Dr.Christian Sparlinek, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Brunhilde S*****, vertreten durch Dr.Heinz Oppitz und Dr.Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Zuhaltung eines Vertrages (Streitwert 1,166 Mio S) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 258/93-20, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach der Rechtsprechung ist bei einem Konsensualvertrag im Zweifel nicht anzunehmen, daß die Parteien einen Vorvertrag und noch nicht den Hauptvertrag schließen wollten (JBl 1975, 161; JBl 1978, 645; SZ 53/19). Diese Zweifelsregelung gilt aber nicht, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß die Parteien doch einen Vorvertrag wollten. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn Fragen des Hauptvertrages noch nicht vollkommen geklärt sind (JBl 1978, 153; s auch Reischauer in Rummel, ABGB2 § 936 RZ 1). Im vorliegenden Fall waren bei Abschluß des Vorvertrages noch Punkte offen; darüber hinaus hat der Zweitkläger der Beklagten erklärt, der "richtige" Vertrag werde von einem Anwalt oder Notar errichtet werden. Daß die Vorinstanzen den Vertrag unter diesen Umständen als Vorvertrag beurteilt haben, steht daher durchaus im Einklang mit der Rechtsprechung; ein auffallende Fehlbeurteilung ist jedenfalls nicht zu erkennen.
Bei Vorverträgen gilt die Umstandsklausel; sie ermöglicht es, sich vom Vertrag zu lösen, wenn ein Vertragspartner (zB) das Zutrauen zum anderen Vertragspartner verloren hat (s Reischauer aaO § 936 Rz 6). Ein solcher Vertrauensverlust, der seine Ursache in einem Umstand hat, der nur einen von zwei solidarisch haftenden Vertragspartnern trifft, berechtigt zum Vertragsrücktritt gegenüber beiden, weil der Vorvertrag nicth ausgespaltet werden kann (vgl 1 Ob 563/93 zum insoweit vergleichbaren Fall der Option): Die Verkäuferin wollte die Liegenschaft als Ganzes verkaufen; jeder der beiden Käufer wollte nur eine Hälfte erwerben. Fällt nun ein Käufer weg, so müßte die Verkäuferin, wäre sie an den unbelasteten Käufer gebunden, einen Vertrag schließen, den sie nie wollte: Sie müßte die halbe Liegenschaft verkaufen. Zu einem Verkauf der ganzen Liegenschaft an diesen Käufer hat sie sich nie verpflichtet; ein solcher Verkauf würde den Vertragsrücktritt gegenüber dem belasteten Käufer auch aller Wahrscheinlichkeit nach sinnlos machen, wäre er doch geradezu eine Einladung an den unbelasteten Käufer, als Strohmann(frau) zu fungieren.