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OGH vom 11.08.2020, 4Ob103/20f

OGH vom 11.08.2020, 4Ob103/20f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.Prof. Dr. Brenn, Hon.Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Udo Hansmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** W*****, vertreten durch Dr. Johannes Dörner, Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in Graz, wegen 52.878 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 23/20x47, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin kaufte vom Beklagten drei Fruchtsaftmaschinen. Die Lieferung erfolgte im März 2018, wobei die Klägerin die Herausgabe über eine einstweilige Verfügung erwirkte. Die einstweilige Verfügung erging in einem von der Klägerin gegen den Beklagten eingeleiteten Zivilprozess (im Folgenden: Parallelprozess), in dem die Klägerin die Herausgabe der Maschinen begehrte. Zuletzt schränkte die Klägerin ihr Begehren im Parallelprozess auf Kosten ein.

Mit der gegenständlichen macht die wegen grober Mängel der Maschinen die Wandlung des Kaufvertrags geltend und begehrt den Kaufpreis Zug um Zug gegen die Rückgabe der Maschinen.

Der wandte mangelnde Passivlegitimation ein, er sei nicht der Vertragspartner der Klägerin und damit nicht Adressat ihrer Gewährleistungsansprüche.

Die gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.

In seiner macht der als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass es keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage gebe, ob bereits jegliche Übernahme oder Übergabe Gewährleistungsansprüche auslöse oder nur eine rechtmäßig erfolgte. Gleichzeitig stellt der Beklagte einen Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Parallelprozesses.

Rechtliche Beurteilung

Ad I: Der Regelung des § 190 ZPO liegt ein verfahrensökonomischer Gedanke zugrunde, der darauf abstellt, dass die Entscheidung der präjudiziellen Vorfrage in einem anderen Verfahren als Hauptfrage bei Parteienidentität nach der Rechtskraftlehre Bindungswirkung im Folgeprozess hat. Die Unterbrechung des Revisionsverfahrens wäre nur gerechtfertigt, soweit die Entscheidung von einer Vorfrage abhängt, die im Parallelprozess als Hauptfrage zu entscheiden ist (zuletzt 4 Ob 157/19w). Der auf § 190 ZPO gestützte Unterbrechungsantrag geht schon deshalb ins Leere, weil im Parallelprozess als Hauptfrage nur mehr die (hier irrelevante) Kostenfrage zu klären ist.

Ad II: Der Beklagte macht keine erhebliche Rechtsfrage geltend.

1. Der von den Vorinstanzen verneinte Rechtsstandpunkt des Beklagten, er sei mangels Vertragsverhältnisses zur Klägerin gar nicht Adressat der Gewährleistungsansprüche und damit auch nicht passivlegitimiert, wird von ihm in der Revision nicht mehr aufrecht erhalten und ist damit nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens (RISJustiz RS0043352 [T10, T 26, T 27, T 30, T 34]; 5 Ob 189/09v). Damit ist in dritter Instanz davon auszugehen, dass die Klägerin gegen den Beklagten an sich gewährleistungsberechtigt ist.

2. Das Gewährleistungsrecht greift ein, wenn der Vertrag in das Erfüllungsstadium getreten ist (RS0018234 [T15]). Zwangsweise durchgesetzte Erfüllungshandlungen des Schuldners stehen nach gesicherter Rechtsprechung einer freiwilligen Leistung gleich (RS0032307; RS0003034).

3.1 Der Beklagte beschränkt seine Ausführungen in dritter Instanz „nur mehr auf das Wesentlichste …, nämlich (auf) die Frage der Übergabe und die diese Übergabe auslösenden allfälligen Gewährleistungsansprüche“. Der Beklagte erkennt selbst, dass eine verweigerte Übergabe durch den Schuldner „natürlich durch einen Richterspruch ersetzt werden kann“. Die von den Vorinstanzen im Ergebnis vertretene Ansicht, dass die Klägerin durch die zwangsweise Herausgabe nur das erhalten hat, was sie ohnedies nach materiellem Recht zu fordern hat (vgl 4 Ob 2328/96y = RS0003034 [T2] [zur zwangsweisen Zahlung im Zuge einer Exekution]), wird vom Rechtsmittel nicht in Abrede gestellt.

3.2 Das Rechtsmittel stützt die erhebliche Rechtsfrage auf den Umstand, dass zum Zeitpunkt der Herausgabe die einstweilige Verfügung nicht rechtskräftig gewesen sei. Im Rechtsmittel wird auch hervorgehoben, dass der Herausgabe der Maschinen die einstweilige Verfügung im Instanzenzug zur neuerlichen Entscheidung über den Verfügungsantrag aufgehoben worden sei. Damit sei die faktische Übergabe nicht rechtlich abgesichert gewesen. Das entspreche wertungsmäßig einem Diebstahl oder einer Erzwingung der Übergabe durch Selbsthilfe.

3.3 Damit kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründet werden. Der Rechtsmittelwerber übersieht zunächst, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Herausgabe über eine wirksame einstweilige Verfügung verfügte. Die Wirksamkeit einer einstweiligen Verfügung ist nicht von ihrer Rechtskraft abhängig, sie tritt vielmehr mit ihrer Zustellung ein (§ 416 Abs 1 ZPO,§ 426 Abs 1 ZPO;§ 64 Abs 2 EO;3 Ob 22/87; 3 Ob 8/07h; 3 Ob 135/19b; RS0041271). Von diesem Grundsatz sind die Vorinstanzen nicht abgewichen. Außerdem tritt ein Vertrag auch durch eine „nicht freiwillige“ Übergabe in das Erfüllungsstadium. Ein Verkäufer, der zur Herausgabe der Sache gerichtlich gezwungen werden muss, kann hinsichtlich seiner Gewährleistungspflichten nicht etwa bessergestellt werden als ein Verkäufer, der die Sache freiwillig übergibt.

3.4 Der erstmals in der Revision erhobene Einwand, dass dem Beklagten hinsichtlich der Maschinen ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht zugekommen sei, verstößt gegen das Neuerungsverbot und kann schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage begründen (RS0111271 [T3]).

3.5 Auch insoweit der Beklagte vorbringt, dass ihm die Möglichkeit genommen worden sei, die Maschinen vor der Übergabe zu prüfen bzw sich um einen Austausch oder eine Verbesserung zu kümmern, verstößt er gegen das Neuerungsverbot. Davon abgesehen steht fest, dass dem Beklagten von der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Maschinen zu reparieren oder auszutauschen, was jener aber unter Hinweis auf seine (auch im erstinstanzlichen Verfahren vertretene) Rechtsmeinung abgelehnt hat, er sei gegenüber der Klägerin nicht gewährleistungspflichtig.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00103.20F.0811.000

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