Suchen Hilfe
OGH vom 07.07.1998, 5Ob103/98b

OGH vom 07.07.1998, 5Ob103/98b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin V***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Walter Hausberger und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die Antragsgegnerin Hermann K***** OHG, ***** vertreten durch Dr.Roman Schuler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom , GZ 1 R 638/97y-14, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom , GZ 30 Msch 46/96-8, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragsgegnerin ist Hauptmieterin eines in einem Haus der Antragstellerin gelegenen Geschäftslokales.

Die Antragstellerin begehrt - nach vorausgegangenem Verfahren vor der Schlichtungsstelle - die Anhebung des Hauptmietzinses nach § 12a Abs 3 MRG mit der Begründung, Ende Oktober 1993 sei eine wesentliche Änderung in den Gesellschaftsverhältnissen der Antragsgegnerin eingetreten (§ 12a Abs 3 MRG).

In der Anrufung des Gerichtes (ON 1) machte die Antragstellerin überdies einen am erfolgten Gesellschafterwechsel geltend.

Die Antragsgegnerin beantragte Abweisung des Antrages der Antragstellerin, weil § 12a Abs 3 MRG erst ab anwendbar sei. Seit diesem Zeitpunkt seien keine Veränderungen im Sinne des § 12a Abs 3 MRG mehr erfolgt. Soweit der Antrag auf einen Gesellschafterwechsel per gestützt werde, sei er verfristet.

Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin ab.

Diesem Sachbeschluß liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Im Jahre 1992 waren Maria K*****, Stefan K***** und Günther Z*****, persönlich haftende Gesellschafter der Antragsgegnerin. Auf Grund der Vereinbarung vom sind mit Wirkung vom Rosemarie T***** und Winfried P***** eingetreten, welche seither als einzige persönlich haftende Gesellschafter im Firmenbuch aufscheinen.

Mit Wirkung vom sind Barbara J***** und Sawindar K***** als persönlich haftende Gesellschafter auch allein vertretungsbefugt.

Nicht festgestellt werden kann, ob nachfolgend Gesellschafterwechsel stattfand.

Mit Schreiben vom teilte Dr.Michael G***** dem Antragstellervertreter mit, daß "laut beiliegendem Antrag vom , eingereicht am , die bisherigen persönlich haftenden Gesellschafter Rosemarie T***** und Franz D***** aus der Gesellschaft ausgetreten und die persönlich haftenden Gesellschafter Barbara J***** und Sawindar K***** in die Gesellschaft eingetreten seien". Diese Mitteilung kam dem Antragstellervertreter am zu.

Mit Schreiben vom , am selben Tag zur Post gegeben, teilte der Antragsgegnervertreter der Antragstellerin mit Berufung auf das Schreiben Dr.G***** mit, daß die persönlich haftenden Gesellschafter seiner Mandantschaft, nämlich Rosemarie T***** und Franz D***** und vormals Winfried P***** aus der Gesellschaft ausgetreten und das als persönlich haftende Gesellschafter Barbara J***** und Sawindar K***** in die Gesellschaft neu eingetreten seien.

Ein ausdrückliches Begehren der Antragstellerin im direkten Weg und im Verfahren vor der Schlichtungsstelle auf Mietzinsanhebung infolge dieses Gesellschafterwechsel wurde erstmals im Schriftsatz der Antragstellerin vom an das Bezirksgericht Innsbruck, dort eingelangt am , erhoben (ON 1).

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß für den Gesellschafterwechsel per § 12a Abs 3 MRG idF des

3. WÄG nicht anzuwenden sei, da die §§ 12a und 46a MRG erst mit in Kraft getreten seien.

Hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Veränderungen im Mai 1995 sei Verfristung eingetreten, weil die Antragstellerin bis spätestens sechs Monate nach Anzeige der Unternehmensveräußerung ein Anhebungsbegehren nicht gestellt habe.

Das Rekursgericht hob den Sachbeschluß des Erstgerichtes auf, und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000,- übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Die Antragstellerin stütze ihren Mietzins- erhöhungsanspruch ausschließlich auf § 12a Abs 3 MRG. Es sei unbestritten, daß es bei der Antragsgegnerin auf Grund einer Vereinbarung vom mit Wirkung vom zu einem vollständigen Gesellschafterwechsel gekommen ist, womit eine entscheidende Änderung der Einflußmöglichkeiten auf das Unternehmen eingetreten sei (vgl Ostheim, Unternehmensveräußerung und Mietzinserhöhung im 3.WÄG, WoBl 1993, 211).

Nach § 46a Abs 1 MRG sei im Fall eines am bestehenden Hauptmietvertrages über eine Geschäftsräumlichkeit § 12a Abs 3 MRG mit der Maßgabe anzuwenden, daß solche Änderungen unberücksichtigt bleiben, die vor dem eingetreten sind.

Reich-Rohrwig (Mietzinserhöhung bei Ge- schäftsraumhauptmiete, 60 ff) sehe die entscheidende Frage dazu, ob aus der negativen Formulierung in § 46a Abs 1 der Umkehrschluß zu ziehen sei, daß die erst am in Kraft tretende Bestimmung des § 12a Abs 3 so zu lesen

sei, "......daß solche Änderungen, die ab eingetreten sind,

zu berücksichtigen sind ........." oder so zu lesen sei, daß der Inkrafttretensklausel in Artikel II, III. Abschnitt, Absatz 1 des

3. WÄG derogiert werde und dies dahin zu verstehen wäre, daß " 12a Abs 3 auf Änderungen anzuwenden - nicht nur "zu berücksichtigen" - sei, die ab eingetreten sind". Nach seiner Ansicht werde § 46a Abs 1 gemäß seiner sprachlichen Fassung wohl nur eine Abgrenzung zu führeren Transaktionen treffen. Damit werde eine gewisse Rückwirkung erreicht, weil Änderungen, die ab erfolgten, mit späteren Änderungen zusammenzurechnen seien. Für ein von der allgemeinen Inkrafttretensklausel abweichendes Inkrafttreten des § 12a Abs 3 am hätte hingegen der Gesetzeswortlaut ohne Schwierigkeiten anders gefaßt werden können und müssen. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, daß er Gesetze rückwirkend in Kraft setzen will. Der Vertrauensschutz spreche gegen die Annahme, daß § 12a Abs 3 MRG rückwirkend per in Kraft getreten wäre.

Aus den EB zu den §§ 12a und 46a MRG idF des 3.WÄG sei nichts zu gewinnen.

Ostheim (in WoBl 1993, 214) vertrete die Ansicht, nach § 12a Abs 3 MRG setze das Anhebungsrecht des Vermieters nicht voraus, daß die entscheidende Änderung der Einflußmöglichkeit quasi "mit einem Schlag", also etwa durch gleichzeitige Veräußerung der Anteilsmehrheit, erfolgt. Vielmehr sage § 12a Abs 3 ausdrücklich, daß sich diese Änderung "nicht auf einmal" vollziehen muß. Nach dem Regelungskonzept des § 46a Abs 1 idFd Iritiätivantrages genüge es, wenn bei einem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bestehenden Mietvertrag "der Veräußerungsvorgang, der zu einem Wechsel der Mehrheit der Anteile führt", am Tag des Inkrafttretens oder später stattfindet. Das bedeute, daß auch alle Anteilsveräußerungen vor Inkrafttretens des Gesetzes zu berücksichtigen gewesen wären. Der Berechnungszeitraum habe bei dieser (zunächst vorgesehenen) Regelung sinnvollerweise nur mit dem Abschluß des Mietvertrages beginnen können. § 46a Abs 1 MRG habe diese differenzierte Regelung aufgegeben. Nunmehr seien nur Änderungen zu berücksichtigen, die seit dem eingetreten sind, gleichgültig, ob sie die entscheidende Änderung bereits herbeigeführt oder nur eingeleitet haben.

Nach Schauer (GesRZ 1914, 14) gelte die Regelung des § 12a Abs 3 MRG rückwirkend für tatbestandliche Änderungen, die ab dem vorgenommen worden seien (§ 46a Abs 1 MRG).

Nach Tades/Stabentheiner, Das 3.Wohnrechts- änderungsgesetz, ÖJZ 1994 SN, 14 rufe nur die durch einen vor dem gefaßten Gesellschafterbeschluß bewirkte Änderung die Rechtsfolge des § 12a Abs 3 MRG nicht hervor.

Das Rekursgericht schließe sich - in Übereinstimmung mit der in Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 2 zu § 46a MRG vertretenen Ansicht - der überwiegenden Meinung in der Literatur an, wonach entscheidendes Datum für eine Anwendung des § 12a Abs 3 MRG eine tatbestandsmäßige Änderung nach dem ist. § 46a Abs 1 MRG enthalte nämlich eine Vorschrift zur Abgrenzung des zeitlichen Geltungsbereiches des neuen Tatbestandes des § 12a Abs 3 MRG. § 45a Abs 1 normiere zu den gesellschaftsrechtlichen Änderungen des § 12a Abs 3, daß solche "unberücksichtigt bleiben, die vor dem eingetreten sind". Veränderungen im Sinne des § 12a Abs 3 MRG ab lösten somit die in § 12a Abs 2 MRG normierten Folgen aus, wenn auch erst ab , sofern nur das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch besteht. Die gegenteilige Ansicht, daß es hiezu auch noch einer Änderung nach dem bedürfe, finde im Gesetz keine Stütze.

Es bedürfe daher zur Höhe des angemessenen Mietzinses einer Verfahrensergänzung durch das Erstgericht.

Der Revisionsrekurs sei im Hinblick auf die divergierenden Lehrmeinungen und auf das Fehlen einer oberstgerichtlichen Rechtsprechung zulässig.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß der Sachbeschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof billigt die vom Rekursgericht vorgenommene Lösung der hier entscheidungswesentlichen Rechtsfrage - Auslegung des § 46a Abs 1 MRG iVm § 12a Abs 3 MRG und des III.Abschnittes Absatz 1 des Art II des 3.WÄG (betreffend Zeitpunkt des Inkrafttretens) - in Übereinstimmung vor allem mit Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 2 zu § 46a MRG, dessen Meinung bloß mit einer Literaturstimme in Widerspruch steht, sodaß sich der Oberste Gerichtshof grundsätzlich darauf beschränken kann, auf die Richtigkeit dieser Entscheidung zu verweisen (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm §§ 528a und 510 Abs 3 Satz 2 ZPO) und nur noch kurz folgendes anzufügen:

Die durch § 12a Abs 3 MRG normierte Ausdehnung der Rechtsfolgen des § 12a Abs 2 MRG, die sonst mit der Unternehmensveräußerung im Sinne des § 12a Abs 1 MRG (früher: § 12 Abs 3 MRG) verbunden sind, sollte rechtliche Umgehungskonstruktionen zur Vermeidung einer Unternehmensveräußerung im Sinne des § 12a Abs 1 MRG - früher § 12 Abs 3 MRG) verhindern, die bis zum 3.WÄG nach der Rechtsprechung wegen des von ihr anerkannten Grundsatzes (MietSlg 44.321) möglich war, daß es dem Mieter freistehe, eine für ihm günstige Rechtsform für die wirtschaftlich beabsichtigte Veräußerung zu wählen (vgl hiezu Würth/Zingher, WohnR'94, Anm 7 zu § 12a MRG); er stellt also in Wahrheit eine Maßnahme gegen Verhaltensweisen dar, durch welche mittels wirtschaftlich gesehen eine Unternehmensveräußerung darstellende Rechtsgeschäfte dennoch die mit einer Unternehmensveräußerung verbundenen Rechtsfolgen vermieden wurden. Der Gesetzgeber erweiterte also mit dieser Bestimmung den Grundtatbestand des § 12a Abs 1 MRG.

§ 46a Abs 1 erster Halbsatz MRG sieht vor, daß § 12a Abs 3 MRG auch auf am bestehende Hauptmietverträge anzuwenden ist, jedoch mit der Maßgabe, daß solche (gesellschaftsrechtliche) Änderungen unberücksichtigt bleiben, die vor dem eingetreten sind. Unter dem vorhin aufgezeigten Gesichtspunkt der Bekämpfung von Verhaltensweisen, die vom Gesetzgeber offenkundig als Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten empfunden wurden, besteht kein Anlaß, die Bestimmung des § 46a Abs 1 MRG anders zu verstehen, als ihr Wortlaut bei unbefangener Betrachtung nahelegt, nämlich so, daß auch schon ab eingetretene gesellschaftsrechtliche Änderungen, allerdings im Hinblick auf die das allgemeine Inkrafttreten betreffende Norm des III.Abschnittes Absatz 1 des Artikel II erst mit Wirkung ab , als den Anhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirklichend angesehen werden. Dieser Sonderbestimmung hätte es nämlich nicht bedurft, wollte man erst - ausgehend von den allgemeinen Grundsatz, daß nur die während der Geltung eines bestimmten Gesetzes verwirklichten Sachverhalte dessen Rechtsfolgen auslösen - ab vorgenommene gesellschaftsrechtliche Transaktionen der Norm des § 12a Abs 3 MRG unterstellen. Die von Reich-Rohrwig (aaO) vorgenommene Differenzierung, je nach dem, ob eine gesellschaftsrechtliche Änderung nur oder bloß auch vor dem , jedoch ab vorgenommen wurde, erscheint dem Obersten Gerichtshof auslegungstechnisch weder naheliegend noch nach dem Gesetzeszweck des § 12a Abs 3 MRG angemessen. Zum gleichen Ergebnis kam der erkennende Senat auch in der jüngst ergangenen, ausführlich begründeten Entscheidung 5 Ob 109/98k.

Dazu kommt, daß durch die eine gewisse Rückwirkung nach sich ziehende Auslegung auch eine vom Gesetzgeber bestimmt nicht gewollte "noch schnelle Ausnützung der alten Gesetzeslage" während der Zeit der Beratung und Beschlußfassung vermieden wird. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint auch die mit § 46a Abs 1 ZPO verbundene teilweise Rückwirkung der Bestimmung des § 12a Abs 3 MRG durchaus sachgemäß.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Fundstelle(n):
MAAAD-32456