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OGH vom 19.11.2019, 1Ob106/19y

OGH vom 19.11.2019, 1Ob106/19y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. HoferZeniRennhofer, Mag. Korn und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Mag. Nicole Neugebauer-Herl, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer und Mag. Stefan Lichtenegger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 40 R 49/19f25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 6 C 39/17p21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung

wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 609,67 EUR (darin 101,61 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 632,78 EUR (darin 69,80 EUR USt und 214 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt die Räumung von vom Beklagten – im Rahmen des Betriebs einer „Hotelpension“ – titellos benützten Räumlichkeiten eines ihr gehörenden Hauses.

Der Beklagte wandte ein, seine Rechte an den verfahrensgegenständlichen Räumen vom Mieter der Beklagten abzuleiten, mit dem er – im Zuge eines vereinbarten Kaufs des von diesem darin betriebenen (Beherbergungs)Unternehmens – einen Pachtvertrag abgeschlossen habe (die verfahrensgegenständlichen Räume werden nachfolgend als „Pachtobjekt“ bezeichnet). Er benütze diese daher nicht titellos. Ob der Mieter bei Abschluss des Unternehmenskaufvertrags bzw des Pachtvertrags – was die Klägerin bestritt – geschäftsfähig gewesen sei, spiele „im Verhältnis zu dieser“ keine Rolle.

Das Erstgericht gab der Räumungsklage statt. Es ging davon aus, dass der Beklagte das Pachtobjekt titellos benutzt, weil der Mieter bei Abschluss des Pachtvertrags mit dem Beklagten nicht geschäftsfähig gewesen war und dieser Vertrag weder im Nachhinein durch den Sachwalter, noch nach dem Tod des Mieters durch den Verlassenschaftskurator genehmigt worden sei. Der Beklagte könne daher aus diesem Vertrag keine Rechte ableiten. Auch der – vom Verlassenschaftskurator genehmigte – „Unternehmenskaufvertrag“ biete keine Grundlage für die Benutzung des Pachtobjekts durch den Beklagten, weil dieser Vertrag nur die bewegliche „Geschäftseinrichtung sowie Anlagen“ betroffen habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Räumungsbegehren ab. Es begründete dies damit, dass der Beklagte sein Recht am Pachtobjekt „irgendwie“ vom Mieter ableite und es für den Ausschluss eines direkten Räumunganspruchs der Klägerin (als Eigentümerin) gegen den Beklagten nicht darauf ankomme, ob dessen (Nutzungs-)Recht (mangels Geschäftsfähigkeit des Mieters) rechtswirksam begründet wurde. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei und der Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz 30.000 EUR übersteige.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch zulässig und berechtigt, weil dem Berufungsgericht bei der Beurteilung, ob der Beklagte das Pachtobjekt titellos benützt, eine zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist.

1. Nach ständiger Rechtsprechung wird das Recht des Hauseigentümers, Dritte von der Benutzung seines Eigentums auszuschließen, durch eine von ihm – sei es durch einen Bestandvertrag oder eine andere obligatorische Vereinbarung – getroffene Verfügung beschränkt. Solange diese aufrecht ist, kann nur derjenige, zu dessen Gunsten die Verfügung getroffen wurde, vom Hauseigentümer in Anspruch genommen werden, nicht aber derjenige, der sein Benutzungsrecht aus dem Recht des Vertragspartners des Hauseigentümers ableitet (vgl RS0010416; RS0010408). Die Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses zwischen dem obligatorisch Berechtigten (hier dem Mieter) und dem Dritten (hier dem Beklagten) ist zwar insoweit ohne Bedeutung, als auch eine bloß formlose Gestattung (ein bloßes „Dulden“) der Benutzung Räumungsansprüche des Eigentümers gegen den Dritten ausschließt (vgl 3 Ob 33/11s). Es bedarf aber zumindest „irgendeiner“ wirksamen (Rechts-)Grundlage zwischen demjenigen, der sein Benutzungsrecht vom Eigentümer ableitet, und dem Dritten, damit letztgenannter – auch im Verhältnis zum Eigentümer – nicht als titellos anzusehen ist. Diese muss der Dritte im Prozess behaupten und – wenn sie bestritten wird – beweisen (vgl 10 Ob 199/99h mwN). Dass der Dritte sein Recht „irgendwie“ vom Vertragspartner des Eigentümers (hier von dessen Mieter) ableiten können muss, bedeutet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, dass es nicht darauf ankäme, ob das Rechtsverhältnis zwischen diesen beiden wirksam zustande gekommen ist, sondern vielmehr, dass dessen Rechtsnatur nicht ausschlaggebend ist und etwa auch ein bloß formloses Gestatten der Benutzung (dabei wird es sich in der Regel um ein – allenfalls konkludent eingeräumtes – Prekarium und damit einen Vertrag handeln; vgl RS0019212) ausreicht. Besteht zwischen demjenigen, der sein Nutzungsrecht vom Eigentümer ableitet (hier dem verstorbenen Mieter), und dem Dritten (hier dem Beklagten) hingegen kein wirksames Rechtsverhältnis, dann benützt letzterer auch im Verhältnis zum Eigentümer titellos und ist daher dessen Räumungsklage ausgesetzt.

2. Der Beklagte berief sich zur Begründung seines Nutzungsrechts am Pachtobjekt einerseits auf einen zwischen ihm und dem Mieter abgeschlossenen Pachtvertrag und andererseits darauf, mit diesem einen Kaufvertrag über das im Pachtobjekt betriebene (Beherbergungs)Unternehmen abgeschlossen zu haben. Der Pachtvertrag kam aufgrund der vom Erstgericht festgestellten Geschäftsunfähigkeit des Mieters jedoch nicht wirksam zustande und stellt daher keinen tauglichen Titel für die Benutzung des Pachtobjekts durch den Beklagten dar. Auch der von diesem ins Treffen geführte „Unternehmenskaufvertrag“ bietet dafür keine Rechtsgrundlage, weil sich der am abgeschlossene Kaufvertrag – der nach seinem Wortlaut und dem Parteiwillen („Die Vertragspartner stellen ausdrücklich fest, dass durch das gegenständliche Rechtsgeschäft keine Unternehmensveräußerung erfolgt“) gar kein Unternehmenskaufvertrag sein soll – nur auf bewegliche Sachen und nicht auf das Pachtobjekt bezieht. Damit geht der Einwand des Beklagten, er benutze dieses nicht titellos, insgesamt ins Leere. Dass er Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Mieters oder eintrittsberechtigt sei, behauptet er gar nicht, weshalb auch aus seinem Argument, der Mietvertrag sei durch den Tod des Mieters nicht aufgelöst worden, für die Frage der berechtigten Nutzung des Pachtobjekts durch ihn nichts zu gewinnen ist.

3. Eine Einschränkung des Klagebegehrens (hier auf Kosten) ist

jederzeit auch ohne Zustimmung des Beklagen zulässig (RS0039651). Sie ist nicht als (teilweise) Klagerücknahme aufzufassen (RS0039651 [T1]); auch ein Verzicht auf eine neuerliche Geltendmachung (hier durch Ausdehnung des Klagebegehrens um den zunächst eingeschränkten Teil in der selben Tagsatzung) war damit – entgegen der vom Revisionsgegner vertretenen Ansicht – nicht verbunden (vgl RS0039573).

4. Der Revision der Klägerin ist daher Folge zu geben und das klagestattgebende Ersturteil wiederherzustellen.

5. Die Kostenentscheidung beruht – aufgrund der Abänderung des angefochtenen Urteils auch hinsichtlich der für das Berufungsverfahren neu zu fassenden Kostenentscheidung – auf den § 41 und 50 ZPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00106.19Y.1119.000

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Fundstelle(n):
FAAAD-32428