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OGH vom 05.10.1965, 4Ob102/65

OGH vom 05.10.1965, 4Ob102/65

Kopf

SZ 38/156

Spruch

Mitarbeit naher Angehöriger kann auf familienrechtlicher Grundlage oder auf einem Arbeitsvertrag beruhen (§ 1152 ABGB.) Entscheidung vom , 4 Ob 102/65

I. Instanz: Arbeitsgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt

Text

Die Klägerin ist die Schwester des Beklagten, der nach seinem im Jahre 1950 verstorbenen Vater dessen landwirtschaftlichen Besitz nach den Bestimmungen des Kärntner Erbhöfegesetzes vom , LGBl. Nr. 33, in der Fassung BGBl. Nr. 235/1930, übernommen hat. Im Erbübereinkommen vom hatte er sich als Übernehmer verpflichtet, den sechs weichenden Geschwistern, darunter also auch der Klägerin, zur Abfertigung ihrer Erbansprüche je einen Betrag von 1000 S auszubezahlen, und ihnen ferner das Heimgehrecht eingeräumt. Die Klägerin, die damals 18 Jahre alt war, blieb auf dem Hof und verrichtete dort alle für Frauen anfallenden Arbeiten im Haus, Hof und auf dem Feld. Auch nach ihrer im Jahre 1945 erfolgten Verehelichung hielt sie sich mit ihrer Familie auf dem Hofe auf. Ab stellte sie ihre Arbeiten für den Hof ein und verließ diesen mit ihrer Familie am .

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe ihr versprochen, er werde ihr für die Mitarbeit auf dem Hof das gesamte zum Bau eines Einfamilienhauses erforderliche Bauholz beistellen und beim Bau selbst mitarbeiten. Sie habe in Erwartung dieser einmaligen Entlohnung ihre Arbeiten auf dem Hofe unentgeltlich geleistet, weshalb sie ein angemessenes Entgelt für ihre in der Zeit von 1951 bis 1961 geleistete Arbeit im Betrage von 36.000 S s. Z. begehrt. Der Beklagte habe die genannte Zusage nicht eingehalten. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und bestritt die behauptete Zusage. Die Klägerin habe auf dem Hof kostenlos gewohnt und für sich und in der Folge auch für ihre Kinder die Verpflegung erhalten. Für ihre Mitarbeit auf dem Hof sei eine Entlohnung weder vereinbart, noch zugesagt, noch begehrt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrage von 2248 S s. Z. als angemessenes Entgelt für die nach der Verheiratung der Klägerin geleisteten Arbeiten statt und wies das Mehrbegehren ab. Gegen dieses Urteil erhoben beide Parteien Berufung. Das Berufungsgericht gab lediglich der Berufung des Beklagten Folge und wies somit das Klagebegehren zur Gänze ab. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 (1) Z. 3 ArbGerG. von neuem und gelangte gleich dem Erstgericht zu folgenden Tatsachenfeststellungen:

Die Klägerin sei nach dem Tod ihres Vaters in den folgenden Jahren freiwillig auf dem Hofe verblieben und habe im Familienverband in der Haus- und Landwirtschaft des Beklagten fleißig mitgearbeitet, insbesondere so lange sie selbst keine Kinder hatte. Sie habe den Hof nicht verlassen, weil es nach dem Ableben ihres Vaters geheißen habe, die Geschwister sollten zusammenhalten. Auf dem Hof seien keine fremden Arbeitskräfte beschäftigt worden, der Betrieb sei mit der Arbeitskraft der Familie, soweit deren Mitglieder schon arbeitsfähig waren, aufrecht erhalten worden. Die Klägerin habe am ihr erstes Kind geboren das letzte ihrer vier Kinder sei am zur Welt gekommen. Nach ihrer im Juli 1955 erfolgten Verehelichung habe die Klägerin den Beklagten ersucht, weiter am Hofe bleiben zu können. Sie sei während ihrer Schwangerschaften häufig krank gewesen und habe aus diesem Grund, sowie mit Rücksicht auf die notwendige Pflege ihrer Kinder in der Folge nicht mehr soviel arbeiten können wie früher. Am habe sie ihre Arbeit am Hofe eingestellt, weil sie sich mit einem anderen Bruder zerstritten hatte. Am sei sie mit ihrem Ehemann und ihren Kindern vom Hof weggezogen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin, ihr Mann und ihre Kinder am Hofe unentgeltlich gewohnt, sie habe für sich, und wenn ihr Mann am Hofe anwesend war, auch für diesen die Verpflegung aus den Vorräten der Wirtschaft bezogen, ebenso für ihre Kinder mit Ausnahme des Zuckers und der zusätzlichen Nährmittel. Während ihrer Anwesenheit auf dem Hofe, sowohl vor, als auch nach ihrer Verehelichung, habe die Klägerin kein Entgelt für ihre Arbeitsleistung begehrt und auch nicht erhalten, es sei auch keine Dienstvertragsvereinbarung mit dem Beklagter geschlossen worden. Dieser habe der Klägerin nicht versprochen, für ihre Mitarbeit das gesamte zum Bau eines Eigenheimes erforderliche Bauholz beizustellen und beim Bau selbst mitzuarbeiten. Auf Anregung der Mutter der Streitteile habe der Beklagte der Klägerin angeboten ihr 6 - 7 Bäume zu schenken doch habe die Klägerin die Annahme dieses Angebotes mit der Begründung abgelehnt, diese Menge sei ihr zu wenig. Im Herbst 1963 habe die Klägerin erstmalig vom Beklagten unter Hinweis auf sein nicht erfülltes Versprechen 15.000 S verlangt. Schon damals habe der Beklagte ihr entgegengehalten, daß er ein derartiges Versprechen nie abgegeben habe.

Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht diesen festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Klägerin einen Entgeltsanspruch für ihre Arbeitsleistung nicht erheben könne, da sie als nahe Verwandte ihre Arbeiten im Familienverband geleistet habe und daher die Bestimmung des § 1152 ABGB. nicht zur Anwendung komme. Dies wäre nur dann möglich, wenn der nahe Angehörige seine Dienste einzig und allein in der Erwartung eines ihm in Aussicht gestellten Vorteiles unentgeltlich geleistet hätte und er später in dieser Erwartung getäuscht worden wäre. Nach den Verfahrensergebnissen sei jedoch die behauptete Zusage nicht erweislich gewesen. Es sei daher das Klagebegehren auch hinsichtlich des vom Erstgerichte zugesprochenen Betrages abzuweisen gewesen, da die Klägerin ihren gesamten Anspruch auf die behauptete Zusage gestützt habe und von ihr auch nicht behauptet worden sei, daß nach ihrer Eheschließung die Entgeltlichkeit ihrer Leistung vereinbart worden wäre. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsrüge ist nicht begrundet. Die Revision geht bei der Ausführung derselben von einem anderen als dem festgestellten Sachverhalt aus, indem sie behauptet, es sei der Klägerin immer wieder gesagt worden, daß bei ihrem Wegzug vom Hofe eine entsprechende, in einer einmaligen Leistung bestehende Entlohnung erfolgen werde. Gerade diese Behauptung konnte von der Klägerin nicht nachgewiesen werden. Der weiteren Revisionsmeinung aber, daß nicht ein Versprechen oder eine Zusage vorliegen müsse, sondern daß schon die Tatsache der Erwartung allein genüge, kann nicht beigepflichtet werden.

Der Oberste Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß ein naher Angehöriger im allgemeinen nur dann für seine Dienstleistung nachträglich einen Anspruch nach § 1152 ABGB. erheben kann, wenn er die Dienste einzig und allein in der Erwartung eines ihm in Aussicht gestellten Vorteiles ganz oder teilweise unentgeltlich geleistet hat und in dieser Erwartung getäuscht wird (Arb. 5630, 6048, 6974 u. v. a.). Dieser Rechtsgedanke trifft grundsätzlich gegenüber dem Ehegatten und den Kindern zu, da für diese mit Rücksicht auf die Bestimmungen der §§ 92 und 144 ABGB. eine Rechtsgrundlage für ihre Mitarbeit besteht. Anders könnte diese Rechtslage dann beurteilt werden, wenn es sich um andere Verwandte, z. B. - wie im vorliegenden Fall - um die Schwester, handelt. Hier mangelt es an einer gleichgearteten Rechtsgrundlage für die Mitarbeit (vgl. die Glosse Florettas zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofes JBl. 1963 S. 49). Es könnte in einem solchen Falle ein Arbeitsverhältnis angenommen werden, wenn sich nicht aus den Umständen des Einzelfalles etwas anderes ergibt.

Ob nun aber die Umstände des vorliegenden Falles für eine moralische Verpflichtung als Familienangehörige zur Mitarbeit, also für ein Vorherrschen eines familienrechtlichen Verhältnisses, sprechen oder eher für ein Arbeitsverhältnis, wie dies von der Klägerin angestrebt wird, braucht hier nicht näher untersucht zu werden, da in keinem dieser beiden Fälle der geltendgemachte Anspruch bejaht werden könnte.

Bei Annahme eines familienrechtlichen Verhältnisses besteht der Entgeltsanspruch aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen nicht, da die Zusage eines Vorteiles für die Mitarbeit nicht nachgewiesen wurde, eine Erwartung daher nicht bestand und somit eine Enttäuschung in dieser Erwartung nicht angenommen werden kann. Geht man aber, den Bestrebungen der Klägerin folgend, von einem Arbeitsverhältnis aus und wollte man, wie dies die Klägerin ebenfalls begehrt, ihren Anspruch nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Landarbeiter in den bäuerlichen Betrieben im Bundesland Kärnten vom bemessen, dann müßte die Klägerin auch die übrigen Bestimmungen dieses Kollektivvertrages gegen sich gelten lassen, der das Erlöschen, also den Verfall von Ansprüchen aus dem Dienstverhältnis, die beim Dienstgeber nicht geltend gemacht wurden, mit Ablauf eines Jahres nach dem Ende des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind, vorsieht. Nun steht außer Streit, daß die Klägerin ihre Arbeiten auf dem Hofe ab eingestellt hat. Spätestens mit diesem Zeitpunkt wären daher ihre Ansprüche erworben worden. Nach den Feststellungen der Untergerichte hat sie erst im Herbst 1963 erstmalig vom Beklagten einen Betrag von 15.000 S begehrt. Nach der genannten Bestimmung des Kollektivvertrages waren aber ihre Entgeltsansprüche bereits mit Ende des Jahres 1962 verfallen, so daß sie weder im Herbst 1963 gegenüber dem Dienstgeber noch mit der am eingebrachten Klage ihre Dienstentgeltsforderung mit Erfolg geltend machen konnte.