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OGH 09.07.2014, 7Ob104/14s

OGH 09.07.2014, 7Ob104/14s

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** P*****, vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Walter Heel und Mag. Christof Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 48.505,92 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 200/13p-30, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 158b VersVG gelten die besonderen Vorschriften der §§ 158c bis 158i VersVG nur für Haftpflichtversicherungen, zu deren Abschluss eine gesetzliche Verpflichtung besteht (Pflichtversicherung).

§ 26c ZÄG, der den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung für Zahnärzte vorschreibt, trat am in Kraft, damit nach den hier zu beurteilenden Vorfällen. Die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes gelten ab seinem Inkrafttreten, weil im Übergangsrecht nichts anderes vorgesehen ist (vgl 5 Ob 102/12d; RIS-Justiz RS0008732, RS0008718). Dies erkennt auch der Kläger. Es sind damit die besonderen Vorschriften des VersVG für Pflichtversicherungen hier nicht anwendbar (7 Ob 125/98b).

Die in der Revision zitierte Entscheidung 1 Ob 27/83 erging zum KFG. Im Fall einer Ausnahme von der Versicherungspflicht nach § 59 Abs 2 KFG besteht bei freiwillig erfolgtem Abschluss einer Haftpflichtversicherung ein direkter Anspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer im Sinn des KFG (RIS-Justiz RS0065592). Wird nämlich von dem Recht, keinen Versicherungsvertrag abzuschließen, Gebrauch gemacht, führt dies zur Haftung wie ein Haftpflichtversicherer. Wird hingegen vom erwähnten Recht nicht Gebrauch gemacht und dennoch ein Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen, ist die Rechtslage so zu betrachten, als bestünde der § 59 Abs 2 KFG nicht. Diese Rechtsprechung ist nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil zum Zeitpunkt der Schadensfälle keine Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Zahnärzte (und damit auch keine Ausnahme von einer solchen Verpflichtung) bestand.

Das Argument des Klägers, dies sei gleichheitswidrig, überzeugt nicht. Der Gleichheitsgrundsatz verbietet dem Gesetzgeber, Gleiches ungleich zu behandeln. Es ist ihm aber nicht verwehrt, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen (RIS-Justiz RS0109606). Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum verfassungsrechtlich insoweit zu, als er in seinen rechtspolitischen und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist (RIS-Justiz RS0053889). Hält der Gesetzgeber für die Zukunft zum Schutz der Patienten den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung für notwendig, so führt dies nicht zu einer grundrechtswidrigen Ungleichbehandlung.

Dem vorliegenden freiwilligen Berufshaftpflichtversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1993) zu Grunde. Deren Art 8.1.3.4. regelt als Anzeigeobliegenheit nach Versicherungsfall:

„Insbesondere sind [dem Versicherer] anzuzeigen alle Maßnahmen Dritter zur gerichtlichen Durchsetzung von Schadenersatzforderungen.“

Der Versicherungsnehmer verwirkt den Versicherungsanspruch aus der Haftpflichtversicherung, wenn er von der Schadenersatzklage des Geschädigten gegen ihn dem Versicherer grob fahrlässig nicht rechtzeitig Anzeige macht (RIS-Justiz RS0080750). Die Obliegenheit der Verständigung des Versicherers von der gerichtlichen Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen ihn endet erst mit einer Ablehnung des Entschädigungsanspruchs, weil sich das der Vereinbarung zugrundeliegende Ziel, die Leistung des Versicherers zu ermöglichen oder zu erleichtern, danach nicht mehr erreichen lässt (RIS-Justiz RS0080446). Lehnt der Versicherer zu Unrecht den Versicherungsschutz ab, so begeht der Versicherungsnehmer keine Obliegenheitsverletzung, wenn er ohne Mitwirkung des Versicherers die Haftpflichtforderung durch Urteil (auch Versäumungsurteil) feststellen lässt oder durch Vergleich oder Anerkenntnis an der Feststellung mitwirkt (RIS-Justiz RS0080453).

Der Versicherungsnehmer beging eine Obliegenheitsverletzung, weil er die Beklagte nicht von der Prozessführung des Klägers informierte. Er ließ ein Versäumungsurteil ergehen.

Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe. Dass - bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung - die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung und den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung einen Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0081313). Dem Versicherungsnehmer steht also der Kausalitätsgegenbeweis offen (RIS-Justiz RS0116979).

Der Kläger konnte nicht beweisen, dass die Obliegenheitsverletzung vom Versicherungsnehmer weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen wurde. Dem Kläger ist auch der Kausalitätsgegenbeweis nicht gelungen. Er erwirkte gegen den Versicherungsnehmer der Beklagten ein Versäumungsurteil, sodass sein Anspruch durch das Gericht nicht geprüft wurde und der Beklagten die Möglichkeit genommen wurde, rechtsvernichtende Tatsachen und Einwendungen gegen diesen Anspruch prüfen zu lassen. Damit hat die Obliegenheitsverletzung Einfluss auf den Leistungsumfang der Beklagten.

Da der Kläger nur den Anspruch des Versicherungsnehmers, den er gepfändet und überwiesen erhalten hat, geltend machen kann, kann ihm die Beklagte die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers entgegenhalten.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** P*****, vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Walter Heel und Mag. Christof Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 48.505,92 EUR sA, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , 7 Ob 104/14s, wird im zweiten Absatz, 3. Zeile seiner Begründung von Amts wegen dahin berichtigt, dass es statt „“ nunmehr „“ zu lauten hat.

Um Durchführung der Berichtigung wird das Erstgericht ersucht.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Ein Gericht kann jederzeit Schreibfehler und offenbare Unrichtigkeiten berichtigen (§ 419 ZPO).

Der Schreibfehler hinsichtlich des Datums des In-Kraft-Tretens von § 26c ZÄG (verpflichtende Berufshaftpflichtenversicherung) ist im Sinn des Spruchs zu berichtigen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Vertragsversicherungsrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00104.14S.0709.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAD-32328