OGH 12.06.2012, 4Ob102/12x
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Johannes Stephan Schriefl, Rechtsanwalt in Mödling, wider die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch PHH Prochaska Heine Havranek Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 25.000 EUR), infolge „außerordentlichen“ Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 39/12f-19, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 158/11y-9, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung zur Sicherung des ua auf § 1 UWG gestützten Unterlassungsanspruchs. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit seiner nach dem gefassten Entscheidung (Art 16 Abs 4 Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl Nr 52/2009) und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Dagegen richtet sich der an den Obersten Gerichtshof gerichtete „außerordentliche Revisionsrekurs“ der Klägerin mit dem (Haupt-)Antrag, der Oberste Gerichtshof möge den angefochtenen Beschluss dahin abändern, dass der Sicherungsantrag abgewiesen werde.
Das Erstgericht legte den Akt verfrüht zur Entscheidung vor:
Rechtliche Beurteilung
In Streitigkeiten, in denen der Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und in denen das Gericht zweiter Instanz die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ausgesprochen hat, ist auch im Sicherungsverfahren gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO und § 528 Abs 2 Z 1a ZPO - vorbehaltlich des § 528 Abs 2a ZPO - ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0097221 [T1, T3]). Gemäß §§ 528 Abs 2a, 508 ZPO kann allerdings in einem solchen Fall eine Partei einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist der ordentliche Revisionsrekurs auszuführen. Dieser mit dem ordentlichen Revisionsrekurs zu verbindende Antrag ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rekursgericht zu behandeln. Der Oberste Gerichtshof ist in solchen Fällen zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses funktionell unzuständig.
Dies gilt auch, wenn das Rechtsmittel - wie hier - als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird (vgl § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO) und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Dieser darf hierüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Änderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109620).
Das Rechtsmittel wäre demnach dem Rekursgericht vorzulegen gewesen. Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach der Revisionsrekurs zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entsprechen, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109623 [T5], RS0109501 [T12]).
Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Johannes Stephan Schriefl, Rechtsanwalt in Mödling, wider die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch PHH Prochaska Heine Havranek Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 25.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 39/12f-19, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 158/11y-9, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Schriftsatz der Klägerin vom wird als unzulässig zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ab.
1. Das Rekursgericht hat das Zeichen „myTaxy“ im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Anwender-Software, mit der der Kunde über Handy ein Taxi bestellen kann, wobei sein Standort dem Taxilenker übermittelt wird, als originär kennzeichnungskräftigen Teil der Gemeinschaftsmarke der Klägerin beurteilt. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen höchstgerichtlicher Rechtsprechung.
Die Kennzeichnungskraft fehlt nur bei solchen Zeichen, deren Begriffsinhalt von den beteiligten Verkehrskreisen zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschlossen werden kann und die als beschreibender Hinweis auf die Art der Tätigkeit des betreffenden Unternehmens verstanden werden (RIS-Justiz RS0117763, RS0066456, RS0066644). Enthält das Zeichen nur Andeutungen einer bestimmten Beschaffenheit, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht rein beschreibend (17 Ob 10/08g mwN).
Das Rekursgericht hat diese Voraussetzung hier in vertretbarer Weise verneint. Das in Frage stehende Zeichen eröffnet zwar gedankliche Assoziationen zu Taxidienstleistungen im weiteren Sinn, beschreibt aber den genauen Gegenstand der Tätigkeit der Beklagten (Handel mit Software für Handys zur Bestellung eines Taxis) nicht unmittelbar und nicht ohne jede Denkarbeit. Die Beurteilung des Rekursgerichts richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und verwirklicht keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0121895).
2. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen (RIS-Justiz RS0121500). Dabei ist auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren Bedacht zu nehmen. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (RIS-Justiz RS0121482).
Auch schwache Zeichen mit geringer Kennzeichnungskraft sind gegen mißbräuchliche Verwendung geschützt; ihr Schutz ist allerdings einschränkend zu beurteilen, sodass schon geringe Abweichungen häufig die Verwechslungsgefahr beseitigen (RIS-Justiz RS0078887, zuletzt 4 Ob 218/03t). Die unveränderte, buchstabengetreue Übernahme eines Zeichens mit auch nur geringer Kennzeichnungskraft durch einen Konkurrenten ist unzulässig (RIS-Justiz RS0078897, zuletzt 4 Ob 326/00w).
Mit dieser Rechtsprechung steht die angefochtene Entscheidung im Einklang. Nach dem bescheinigten Sachverhalt wird vom Publikum in der mündlichen Kommunikation nur der Markenbestandteil „MyTaxy“ zur Kennzeichnung der Dienstleistungen der Klägerin verwendet. Die Beklagte verwendet eine idente Buchstabenfolge als Domain des top-levels „.at“ und im Quelltext ihrer Homepage und hatte sie bis November 2011 als Schlüsselwort bei einer Internet-Suchmaschine gebucht. Die unter beiden Zeichen vertriebenen Dienstleistungen stimmen überein. Wenn das Rekursgericht unter diesen Umständen einen Markeneingriff bejaht hat, begegnet diese Beurteilung im Lichte der referierten Rechtsprechung keinen Bedenken, zumal die Frage der Verwechslungsfähigkeit von Kennzeichen nach dem Wortklang und/oder ihrer Bedeutung praktisch nie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und daher keine erhebliche Rechtsfrage ist (vgl RIS-Justiz RS0112739).
3. Da das Unterlassungsgebot schon unter dem Aspekt des Markenrechtseingriffs berechtigt ist, kommt es auf die im Rechtsmittel weiters aufgeworfene Frage der Behinderungsabsicht im Zusammenhang mit Domain-Grabbing oder bösgläubigem Markenrechtserwerb nicht an.
4. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO. Sie hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, weshalb ihr Schriftsatz grundsätzlich der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2012:0040OB00102.12X.0612.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAD-32278