OGH vom 17.07.2014, 4Ob101/14b

OGH vom 17.07.2014, 4Ob101/14b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in einer Patentverletzungssache durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel und Dr. Musger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Alge und Dr. Cunow als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****-GmbH, *****, vertreten durch Prof. Haslinger Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei J***** KG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR), Beseitigung (Streitwert 4.000 EUR), Rechnungslegung (Streitwert 10.000 EUR), Urteilsveröffentlichung (Streitwert 3.000 EUR) und Zahlung von 10.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 34 R 1/14p 51, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Inhaberin eines Patents mit Priorität vom , das ein Verfahren zum Herstellen von Abbrandkörpern („Zündwolle“) aus einem aus Holzwolle gedrehten Seil beschreibt. Die Beklagte vertreibt in Österreich einen von einem niederländischen Unternehmen bezogenen Abbrandkörper, der nach Angaben ihres Lieferanten in einem anderen Verfahren hergestellt wird. Ein vergleichbarer Abbrandkörper wird von einem Schweizer Unternehmen schon seit dem Jahr 1938 produziert.

Das Erstgericht konnte nach Einholung eines Gutachtens nicht feststellen, dass der Abbrandkörper der Beklagten nach dem patentierten Verfahren hergestellt wurde, und wies die Klage daher mangels Nachweises einer Patentverletzung ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beweislastumkehr des § 155 PatG 1970 sei nicht anwendbar, weil sich das Verfahren nicht auf ein neues Produkt bezogen habe. Eine Beweisvereitelung liege nicht vor, weil die Beklagte als reine Verkäuferin keine besondere Nähe zum Beweis habe und ihr die Weigerung ihres Lieferanten, konkretere Angaben zu seinem Herstellungsverfahren zu machen, nicht als Beweisvereitelung zur Last gelegt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die Beweislastumkehr nach § 155 PatG 1970 ist im vorliegenden Fall unstrittig nicht anwendbar, weil sich das patentierte Verfahren nicht auf die Herstellung eines neuen Produkts bezog (4 Ob 47/02v = SZ 2002/44 = ÖBl 2002, 245 [ Herzig ] Sprayback-Problem; RIS-Justiz RS0116274). Damit traf die Beweislast für die Patentverletzung nach allgemeinen Grundsätzen die Klägerin.

2. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Beweislastumkehr nach § 155 PatG 1970 nur bei Verfahren zur Herstellung eines neuen Produkts eingreifen zu lassen, steht der von der Klägerin dennoch gewünschten Verschiebung der Beweislast schon im Ansatz entgegen. Denn dieser Regelung liegt die Wertung zugrunde, dass ein wegen Verletzung eines Verfahrenspatents in Anspruch genommener Unternehmer sein Herstellungsverfahren nur dann offenlegen muss, wenn wegen der Neuheit des Produkts eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass auch er sich dieses Verfahrens bedient. Trifft das nicht zu, überwiegt nach der Wertung des Gesetzes grundsätzlich das Interesse an der Nichtpreisgabe der Produktionsmethoden. Abweichungen von der Beweislast des Patentinhabers bedürften daher in solchen Fällen einer ganz besonderen Rechtfertigung. Die von der Klägerin gewünschte Analogie zu § 1 Abs 5 UWG scheitert an der ausdrücklichen Regelung der Beweislast für die Verletzung von Verfahrenspatenten in § 155 PatG 1970; eine Gesetzeslücke liegt daher nicht vor.

3. Auch sonst rechtfertigen grundsätzlich weder Beweisschwierigkeiten noch die „Nähe“ zum Beweis eine Verschiebung der objektiven Beweislast (RIS-Justiz RS0040182 [T12, T 13]). Anderes gilt zwar allenfalls bei „tief in die Sphäre einer Partei reichenden Umständen“ (RIS-Justiz RS0013491, RS0121528; zuletzt etwa 4 Ob 169/13a). Das trifft hier aber schon deswegen nicht zu, weil die Beklagte nach Ansicht der Vorinstanzen glaubhaft darlegen konnte, dass ihr selbst die genauen Produktionsmethoden ebenfalls nicht bekannt waren. Vielmehr konnte sie ihren Lieferanten auch in einem lauterkeitsrechtlichen Parallelverfahren nicht zur Offenlegung veranlassen, was dort zum Prozessverlust führte. Es war ihr daher gerade nicht worauf sich die Revision stützt „ohne weiteres möglich“, das tatsächlich angewendete Verfahren im Einzelnen darzustellen. Dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt grundlegend von jenem, der dem von der Klägerin zitierten Urteil des BGH zu X ZR 114/00 (= GRUR 2004, 268 Blasenfreie Gummibahn II) zugrunde lag; auch von einer Häufung von Indizien für eine Patentverletzung (vgl BGH I ZR 326/91 = GRUR 1995, 693 Indizienkette) kann keine Rede sein.

4. Die unterbliebene Nennung des konkreten Lieferanten hätte allenfalls nach § 272 ZPO bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden können. Eine Beweisrüge hat die Klägerin in der Berufung aber nicht erhoben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00101.14B.0717.000