OGH vom 10.06.2008, 1Ob104/08p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. Stefan T*****, und 2. Sanja T*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters DI Ljupco T*****, vertreten durch Dr. Klaus Burka, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 37/08d-S194, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs, der im Wesentlichen eine seitenlange Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufs und eine implizite Beweisrüge enthält, zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:
Soweit der Rechtsmittelwerber meint, dass die bisherige Judikatur zu § 110 JN ausschließlich die Fortsetzung oder Einstellung bereits eingeleiteter Pflegschaftsverfahren beträfe und zur vorliegenden Konstellation (Verfahrenseinleitung) keine ausreichende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorhanden sei, ist auf RIS-Justiz RS0046943 zu verweisen, wonach die inländische Gerichtsbarkeit zur Führung einer Pflegschaftssache nicht gegeben ist, wenn keiner der Anknüpfungspunkte des § 110 JN erfüllt ist, was der Oberste Gerichtshof zuletzt in 10 Ob 51/06g wiederholt hat. Auch wenn seit der WGN 1997 auch im Bereich des § 110 JN vom Eintritt der perpetuatio fori auszugehen ist (vgl Fucik in Fasching/Konecny² I § 110 JN Rz 1), hatten hier die Kinder im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Vater am ihren Aufenthalt bereits nicht mehr in Österreich, sondern waren von der Mutter - in der Absicht, nicht mehr nach Österreich zurückzukehren - am heimlich nach Griechenland gebracht worden. Auch im Zeitpunkt der Antragstellung lag daher kein Anknüpfungspunkt nach § 110 JN vor.
Soweit der Rechtsmittelwerber in Zusammenhang mit den Ausführungen des Rekursgerichts zur Zuständigkeit gemäß Art 10 VO (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/2000 (im Folgenden: Brüssel IIa-VO) (Zuständigkeit in Fällen der Kindesentführung) meint, dass demnach die inländische Gerichtsbarkeit im Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass nach der ausdrücklichen Regelung des Art 10 Brüssel IIa-VO - wie bereits das Rekursgericht dargelegt hat - die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates, in dem die Kinder bisher ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, unter gewissen - hier vorliegenden - Voraussetzungen (Rückziehung des Rückgabeantrags und kein wirksam gestellter neuer Antrag; bekannter Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat für mindestens ein Jahr) wieder wegfällt. Dass der Vater den Aufenthalt der Kinder in Großbritannien gekannt hat, liegt im Hinblick auf seine Rückgabeanträge auf der Hand. Er beruft sich auch in diesem Zusammenhang im Rechtsmittel lediglich auf die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Antragstellung, was aber Art 10 Brüssel IIa-VO widerspricht (siehe zur gesamten Problematik auch Rauscher, Europ. Zivilprozessrecht2, Rz 6 f, 13 ff zu Art 10 Brüssel IIa-VO).
Eine erhebliche Rechtsfrage wird daher nicht zur Darstellung gebracht, ebensowenig das Vorliegen einer aufzugreifenden Fehlentscheidung.
Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Fundstelle(n):
YAAAD-31989