OGH vom 06.02.1952, 1Ob103/52

OGH vom 06.02.1952, 1Ob103/52

Norm

ABGB § 1266;

Kopf

SZ 25/34

Spruch

Erlöschen der Ehepakte; Teilung im Verhältnis der Werte, die die beiden Gatten in die Gütergemeinschaft eingebracht haben.

Grundsätzlich ist jedem Teil das von ihm Eingebrachte unter Anrechnung zum heutigen Wert in natura zurückzustellen.

Rückforderungsberechtigung des Ehegatten bezüglich der von einem Dritten für ihn eingebrachten Sachen.

Entscheidung vom , 1 Ob 103/52.

I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Streitteile haben einander 1928 geheiratet. Anläßlich der Eheschließung vereinbarten sie über alles gegenwärtige und zukünftig erworbene, als auch ererbte Vermögen eine allgemeine, schon unter Lebenden wirksame Gütergemeinschaft. Unter einem übergaben laut dem die Ehepakten enthaltenden Notariatsakt die Eltern der Beklagten den Streitteilen bestimmte Liegenschaften ins Eigentum. Die Übernehmer haben bestimmte Gegenleistungen übernommen.

Die Ehe wurde 1950 aus dem Verschulden beider Teile geschieden. Kläger vertritt nun den Standpunkt, daß durch die Scheidung die Ehepakte erloschen sind, und begehrt, die Beklagte zur Einwilligung zu verurteilen, daß ob der Liegenschaft EZ. 80 h des Grundbuches B. zur Gänze das Eigentum zugunsten des Klägers einverleibt werde, Zug um Zug gegen Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten zur Gänze ob den Parzellen 670/2 und 2884 der EZ. 80 h.

Die Beklagte hat die mangelnde Klagslegitimation geltend gemacht, weil die Beklagte die klagsgegenständliche Liegenschaft nur von den Eltern des Klägers und nicht von diesem selbst übernommen hat; jedenfalls könne die Beklagte nur Zug um Zug gegen Zahlung von 53.700 S (aufgewerteter Wert des von der Beklagten eingebrachten Viehs und des von der Beklagten an die Eltern des Klägers gezahlten Betrages von 5000 S) verurteilt werden.

Der Erstrichter hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, Zug um Zug gegen Einverleibung des Eigentums der Beklagten zur Gänze ob den Parzellen 670/2 und 2884 der EZ. 80 h und Bezahlung von 5648.33 S an die Beklagte. Das Mehrbegehren der Beklagten wurde als nicht zu Recht bestehend erkannt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge, indem es den Zug um Zug zu leistenden Geldbetrag auf 12.333.33 S erhöhte.

Das Berufungsgericht schloß sich der Rechtsauffassung des Erstgerichtes an, daß im Falle der Scheidung nach dem neuen Ehegesetz § 1266 ABGB. sinngemäß anzuwenden und der frühere Zustand nach Tunlichkeit wiederherzustellen sei und daß die Auffassung abzulehnen sei, daß die Gütergemeinschaft nach einer Scheidung aus beiderseitigem gleichteiligen Verschulden gegen den Willen eines Ehegatten fortzubestehen habe und daß bei einer solchen Scheidung ein Gatte einfach die Halbierung des gegenwärtigen Vermögens der Gütergemeinschaft fordern dürfe. Die Beklagte erhalte daher wohl 5000 S zurück, doch müsse sie die Minderung der Kaufkraft des Geldes ebenso in Kauf nehmen wie andere Geldgläubiger. Der Umstand, daß die Beklagte formell hinsichtlich ihrer Hälfte unmittelbare Rechtsnachfolgerin der Eltern des Klägers wurde und daß die aus den Mitteln ihrer Eltern stammenden 5000 S der Form nach von beiden Streitteilen bezahlt wurden, sei nicht entscheidend. Ebensowenig komme es darauf an, ob die 5000 S gegenüber dem reinen Wert der Beklagten aus Anlaß der Begründung der Gütergemeinschaft zugeschriebenen Liegenschaftshälften einen ganz geringfügigen Betrag darstellen oder nicht. Maßgebend sei vielmehr die wirtschaftliche Grundlage der Ehepakten, wonach die nunmehr vom Kläger in Anspruch genommenen Liegenschaftsanteile zu dessen Ausstattung gehörten, während die 5000 S die den Eltern des Klägers neben dem Ausgedinge aus Anlaß der Gutsübergabe zukamen, von der Familie der Beklagten herrührten.

Da die Beklagte durch die Auszahlung des Geldwertes des eingebrachten Viehs so gestellt werden soll, als ob sie dieses noch in Natur zurückerhalten könnte, welche Möglichkeit die Parteien und der Erstrichter mit Rücksicht auf den Zeitablauf seit der Heirat der Streitteile stillschweigend ausgeschlossen haben, so käme der gegenwärtige Wert der Viehstücke und nicht der Geldwert des Jahres 1928 in Betracht. Die Zug-um-Zug-Leistung erhöhe sich demgemäß, da der gegenwärtige Wert des Viehs nach den erstrichterlichen Feststellungen 9000 S betrage, auf 12.333.33 S 9000 S + 3333.33 S neu = 5000 S alt).

Die Erklärung, daß der Kläger bereit sei, die ihm seinerseits obliegende Verbindlichkeit zu erfüllen, brauche nicht ins Klagebegehren ausgenommen werden, sondern sei im Zweifel zu unterstellen (SZ. XXI/145). Der Kläger habe sich zwar ausdrücklich nur zur Herausgabe der von der Familie der Beklagten stammenden Liegenschaftsanteile bereit erklärt, aber im übrigen ausdrücklich vorgebracht, er sei zu den weiter begehrten Zug-um-Zug-Leistungen grundsätzlich bereit, wenn er auch mit Recht seine Verpflichtung zur Aufwertung des eingebrachten Geldbetrages sowie die Angemessenheit des verlangten Wertersatzes für das eingebrachte Vieh bestritten habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und hob die beiden untergerichtlichen Urteile auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist unbegrundet, soweit er sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes wendet, daß das Klagebegehren deshalb hätte abgewiesen werden müssen, weil sich Kläger im Zuge des Prozesses niemals zu irgendeiner Leistung für das eingebrachte Vieh bereit erklärt habe.

Die Zug-um-Zug-Verurteilung ist ein Minus gegenüber dem Begehren auf unbedingte Verurteilung (GlUNF. 4872); der Richter kann daher, ohne sich mit § 485 ZPO. in Widerspruch zu setzen, die Leistung der Beklagten von Gegenleistungen des Klägers abhängig machen, auf die die Beklagte anträgt. Daß der Kläger die Gegenleistung nicht angeboten hat, hinderte die Unterinstanzen daher nicht, den Zuspruch von einer Zug-um-Zug-Leistung abhängig zu machen.

Die Revision ist ferner im Unrecht, wenn sie sich dagegen wendet, daß im Falle einer Scheidung aus dem Verschulden beider Teile die Gemeinschaft erlösche, und meint, daß nunmehr die Ehegatten die Gemeinschaft als gewöhnliche Miteigentümer fortsetzen. Diese Auffassung ist bereits vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung vom , JBl. 1949 S. 575, abgelehnt worden. Der Oberste Gerichtshof sieht sich durch die Ausführungen in der Revision nicht veranlaßt, von dieser Praxis abzugehen. Es ist daher anzunehmen, daß die Ehepakten durch die Scheidung ipso jure erloschen sind. Ist dies aber der Fall, so besteht auch kein Hindernis, im Sinne der Praxis vor Einführung des Ehegesetzes auch weiterhin davon auszugehen, daß infolge Erlöschens der Ehepakten jedem Teil das von ihm Eingebrachte bei der Teilung zurückzustellen ist, da es die Billigkeit erfordert, daß im Falle der Scheidung, also einer unnatürlichen Auflösung der Ehe, verhindert wird, daß Vermögenschaften, die von einer Seite herstammen, nunmehr in den Besitz der Familie des anderen Ehegatten übergehen. Das würde dem Grundsatz der Erhaltung des Familienbesitzes und der Familientradition widersprechen.

Verfehlt ist auch die Auffassung der Revision, daß der Umstand, daß die das Vermögen der Gütergemeinschaft bildenden Grundstücke zur Zeit nicht vom anderen Ehegatten, sondern von dessen Familienangehörigen stammen, bei Erlöschen der Ehepakten dem anderen Ehegatten die Aktivlegitimation nehme. Die Bestimmung, daß bei der Teilung im Falle des Erlöschens der Ehepakten im Scheidungsfall die eingebrachten Sachen an die Seite fallen, von der sie stammen, ist eine bloße Teilungsvorschrift und gibt dem seinerzeitigen Übergeber kein Recht auf Vindikation der von ihm seinerzeit der Gütergemeinschaft gewidmeten Sachen.

Dagegen folgt aus der Natur dieser Vorschrift als bloßer Teilungsnorm, daß die Auffassung der Untergerichte über die Berechnung der Werte bei der Teilung verfehlt ist. Die eheliche Gütergemeinschaft ist zwar keine Erwerbsgesellschaft, aber doch eine Gesellschaft, es gelten daher die Vorschriften über die Erwerbsgesellschaft subsidiär neben den Vorschriften des 28. Hauptstückes sinngemäß, soweit sie nicht auf die Erwerbsgesellschaft allein zugeschnitten sind. Das ist rücksichtlich des § 1215 ABGB. nicht der Fall. Es ist daher im Falle der Beendigung der Gütergemeinschaft durch Scheidung grundsätzlich das vorhandene Vermögen im Verhältnis der Werte zu verteilen, die die beiden Eheteile (oder ein Dritter für sie) in die Gütergemeinschaft eingebracht haben. Ist aber der Wert der gemeinsamen Güter höher als im Zeitpunkt der Einbringung, so partizipieren beide Teile am Zuwachs sowie anderseits auch den Abfall proportional tragen müssen.

Daran ändert die Tatsache nichts, daß ihnen nach dem Vorgesagten bei der Teilung die Sachen zuzuweisen sind, die sie oder ein Dritter für sie eingebracht haben. Die Wertsteigerung während der Gemeinschaft ist auch bei diesen Sachen ein Gewinn der Gemeinschaft, die wie eine Wertminderung von beiden Gatten getragen werden muß, weil bei der Ehescheidung aus beiderseitigem Verschulden die Ehepakten ex nunc und nicht ex tunc erlöschen. Daraus folgt aber, daß bei der Teilung dieser Sachen die heutigen Werte einzurechnen sind, genau so wie alle anderen gemeinsam angeschafften Sachen mit dem heutigen Wert bewertet werden. Wieviel die eingebrachte Sache im Zeitpunkt der Einbringung wert war, ist nur für die Festsetzung des Aufteilungsschlüssels bedeutsam. Das gilt auch für das seinerzeit eingebrachte Geld. Es ist daher rechtlich verfehlt, wenn das Berufungsgericht der Beklagten den seinerzeit eingebrachten Geldbetrag zuweist, da es für die Höhe des Wertes, der bei der Teilung den Ehegatten zukommt, nur auf den im Teilungsstadium vorhandenen Wert ankommt.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes würde zu unhaltbaren Ergebnissen führen. Wenn die Ehegatten zwei gleichwertige Grundstücke eingebracht haben und eines davon im Lauf der Zeit wegen schlechten Geschäftsganges verkauft und der Erlös gemeinsam verbraucht wurde, so könnte der Ehegatte, dessen Grundstück erhalten geblieben ist, es zurücknehmen, während der andere gar nichts bekäme. Von diesem Gedankengang dürfte auch das Berufungsgericht ausgegangen sein, wenn es beim Vieh den heutigen statt den damaligen Wert einsetzt, was allerdings insofern unrichtig ist, weil es nicht auf den derzeitigen Wert der seinerzeit eingebrachten, nicht mehr vorhandenen Sachen ankommt, sondern auf den im Teilungszeitpunkt vorhandenen Wert. Bei der Aufteilung einer Gütergemeinschaft ex nunc können, wenn man nicht einen oder den anderen Teil Unrecht tun will, keine anderen Grundsätze für die Teilung aufgestellt werden wie bei der Teilung eines Geschäftes, das naturaliter geteilt wird. Auch bei der Erwerbsgesellschaft sind Vertragsklauseln üblich, daß im Dissolutionsfall gewisse Grundstücke oder Maschinen an den Teil zurückfallen sollen, der sie in das Vermögen der Gesellschaft eingebracht hat. So wie bei einer solchen Teilung des Gesellschaftskapitals die zurückfallenden Sachen zum heutigen Wert angerechnet werden, muß man auch bei der Teilung der Gütergemeinschaft ex nunc vorgehen, wenn der Einbringende seine Liegenschaft zurückerhält.

Da nun die Untergerichte weder den Wert des Gütergemeinschaftsvermögens im Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteiles festgestellt haben, noch das Verhältnis den Wert der eingebrachten Sachen im Zeitpunkt der Einbringung, so mußten die untergerichtlichen Urteile zum Zweck dieser Feststellungen aufgehoben werden.

Da die Revision der Beklagten Erfolg gehabt hat, so wird gemäß dem Grundsatz der Unzulässigkeit einer reformatio in peius das Erstgericht die der Beklagten zustehende Gegenleistung jedenfalls nicht geringer festsetzen dürfen, als dies das Berufungsgericht getan hat.