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OGH vom 12.06.2002, 7Ob102/02d

OGH vom 12.06.2002, 7Ob102/02d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Vasile M*****; 2. Maria M*****, ebendort; und 3. Cornel P*****, sämtliche vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, sowie 4. Alina Elisabetha P*****, beide *****, Rumänien, über den Rekurs der Erst- bis Drittantragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 14 R 522/01k-8, womit infolge Rekurses der Erst- bis Drittantragsteller der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom , GZ 5 P 149/01b-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Erst- und die Zweitantragstellerin, beide 1931 in Rumänien geboren und zwischenzeitlich österreichische Staatsbürger mit Wohnsitz in Österreich, stellten am den Antrag, den vom öffentlichen Notar Dr. Alfred P***** in Linz Urfahr verfassten und mit datierten Adoptionsvertrag mit den beiden volljährigen rumänischen Staatsbürgern (und dort auch noch wohnhaften Eheleuten) Cornel (Drittantragsteller) und Alina Elisabetha P***** (Viertantragstellerin), geboren 1979 bzw 1978, geschlossenen Adoptionsvertrag zu genehmigen. Zur Begründung hiezu heißt es im Adoptionsvertrag, dass zwischen den Vertragsparteien "eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung hergestellt" werden solle, "wobei sowohl auf Seite der Annehmenden und auch auf Seite der Anzunehmenden ein gerechtfertigtes Interesse gegeben ist". Als solches wird im Weiteren näher ausgeführt, dass "die Annehmenden zufolge ihres schon fortgeschrittenen Alters auf persönliche und auch emotionale Unterstützung von Kindern angewiesen sind, insbesondere die Annehmende Maria M*****, welche über keinen eigenen Pensionsanspruch verfügt und eine entsprechende Unterstützung seitens der Wahlkinder ... erhalten würde. Die Annehmenden und die (bereits verstorbenen) Eltern der Wahlkinder haben sich gut gekannt und besteht bereits ein entsprechendes emotionales Naheverhältnis zwischen den Annehmenden und den Anzunehmenden. Auf Seiten der Anzunehmenden besteht ein Interesse an der Annahme an Kindesstatt insbesondere deshalb, um die persönliche, bereits in der Vergangenheit bestandene, Beziehung zu intensivieren und auch die entsprechenden familienrechtlichen (einschließlich erbrechtlichen) Verhältnisse zwischen den Annehmenden und den Anzunehmenden herzustellen." Zu den leiblichen Kindern der Annehmenden bestehe "nahezu keine Beziehung, zumindest keine solche, wie diese einem Eltern-Kind-Verhältnis entspricht." Schließlich heißt es im Vertragstext noch: "Sollte es aufgrund etwaiger zwingender rechtlicher Bestimmungen nicht möglich sein, dass sowohl Herr Cornel P***** als auch Frau Alina Elisabetha P***** gleichzeitig und gemeinsam von den Ehegatten ... M***** an Kindesstatt angenommen werden, so wird zwischen den Vertragsparteien vereinbart, dass lediglich - und nur für den vorstehend genannten Fall - Herr Cornel P***** an Kindesstatt angenommen wird. Für diesen Fall willigt ausschließlich Herr Cornel P***** in die Annahme ein."

Über Ergänzungsauftrag des Erstgerichtes wurden vom vertragsverfassenden Notar auch notariell beglaubigte Zustimmungserklärungen zur Adoption durch die rumänischen Eltern des Cornel P***** sowie den Vater der Alina Elisabetha P***** (samt Sterbeurkunde deren rumänischer Mutter) vorgelegt und überdies die (ergänzende) Erklärung abgegeben, dass zu den leiblichen Kindern "überhaupt kein Kontakt herzustellen ist", es daher auch nicht möglich sei, diese zu einer entsprechenden Äußerung zu bewegen. Das Erstgericht wies den Antrag auf Genehmigung des Adoptionsvertrages ab. Nach seiner wesentlichen Begründung stelle eine bloß persönliche und emotionale Unterstützung von Kindern ebensowenig wie ein mangelnder Pensionsanspruch eines Wahlelternteils ein gerechtfertigtes Anliegen im Sinne des § 180a Abs 1 ABGB dar, weil eine derartige Unterstützung auch ohne Adoption möglich sei und die Wahlmutter offensichtlich ja einen Pensionsanspruch nach ihrem Gatten habe. Durch die Adoption würde aus einem Ehepaar ein Geschwisterpaar, was einen derartigen Eingriff in familienrechtliche Beziehungen darstellen würde, dass er durch das Vorbringen im Sinne des § 180a Abs 1 ABGB nicht gerechtfertigt würde. Zudem könnte nur der bereits abgeschlossene Adoptionsvertrag genehmigt werden, sodass die Adoption nur eines der beiden Adoptionskinder durch den gestellten Antrag (trotz diesbezüglicher Vertragsklausel) nicht gedeckt sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beabsichtigten Adoptiveltern und des Cornel P*****, in welchem bloß die Genehmigung des Adoptionsvertrages nur mehr zwischen diesen als Adoptionseltern und dem Adoptionssohn (also nicht auch mehr hinsichtlich dessen Gattin als Adoptionstochter) zu genehmigen beantragt wurde, keine Folge und sprach weiter aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Auch bei einer Erwachsenenadoption sei das Bestehen oder die Herstellung einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechenden Beziehung Voraussetzung, wenngleich diese nicht überbetont werden dürfe; um der erhöhten Missbrauchsgefahr zu begegnen, würden die Voraussetzungen des gerechtfertigten Anliegens, die dem Gesetz nach streng zu prüfen seien, mehr in den Vordergrund treten. Dieser Begriff sei im Gesetz zwar nicht näher determiniert, sei jedoch hier schon deshalb zu verneinen, weil ja nach dem eigenen Vorbringen der Antragsteller eine persönliche Bindung überhaupt erst hergestellt werden müsste, sodass es naheliege, "dass das eigentliche Motiv für die Adoption eine Umgehung von fremdenrechtlichen Vorschriften darstellt". Die Prüfung, ob ein "gerechtfertigtes Anliegen" im Sinne des Gesetzes vorliege, sei nicht auf das bloße Zivilrecht zu beschränken, weil das österreichische Recht insoweit auch als eine Einheit und damit insgesamt (und nicht nur teilweise) als Prüfungsmaßstab heranzuziehen sei. Unter diesen Gesichtspunkten schließe sich der Rekurssenat daher dem Erstgericht an, dass persönliche und emotionale Unterstützung beim geschilderten Verhältnis zwischen den Vertragsparteien grundsätzlich auch ohne deren beabsichtigte Adoption möglich sei, gehe es hier doch (offensichtlich) nur darum, eine aufgrund der Bekanntschaft zwischen den Eltern der Wahlkinder entsprechende Nahebeziehung zu intensivieren. In Anbetracht dieser Rechtsansicht brauche auf die Problematik, ob die Bewilligung der Adoption nur zwischen dem Wahlsohn und den Wahleltern überhaupt möglich gewesen wäre oder ob der vorgelegte Adoptionsvertrag als Einheit anzusehen sei, der nur insgesamt oder gar nicht genehmigt werden könne, nicht mehr näher eingegangen zu werden.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, dass einerseits zur Beurteilung der Missbrauchsgefahr im Zusammenhang mit fremdenrechtlichen Aspekten, soweit ersichtlich, noch keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege, und andererseits "möglicherweise" von den in SZ 59/131 aufgestellten Kriterien abgewichen worden sei, wenngleich im vorliegenden Fall noch keine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende innige Beziehung bestehe, allerdings hergestellt werden solle. Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs abermals der Wahleltern sowie ihres beabsichtigten Wahlsohnes mit dem Antrag, in Stattgebung ihres Rechtsmittels dem Antrag auf Genehmigung des geschlossenen Adoptionsvertrages stattzugeben; hilfsweise werden auch Aufhebungsanträge gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt. Vorauszuschicken ist, dass die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt nach dem Personalstatut der beiden inländischen Wahleltern, also nach österreichischem Recht zu beurteilen sind (SZ 69/292).

Die Beurteilung, ob eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll (§ 180a Abs 1 erster Satz ABGB) bzw ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegt (§ 180a Abs 1 dritter Satz ABGB), ist eine von den singulären Besonderheiten der beteiligten Personen geprägte Einzelfallentscheidung; deren Beurteilung ist letztlich in einem gewissen Ermessensspielraum des Gerichtes gelegen (vgl RIS-Justiz RS0087008 und RS0087006). Das (nur) für die Erwachsenenadoption im § 180a Abs 1 dritter Satz ABGB normierte Erfordernis des gerechtfertigten Anliegens - welches im Gesetz selbst nicht näher definiert wird (5 Ob 519/77 = EFSlg 29.273 unter Hinweis auch auf die Materialien) - soll dabei, wie das Rekursgericht bereits zutreffend hervorgehoben hat, der Missbrauchsgefahr bei dieser besonderen Form der Annahme begegnen (RIS-Justiz RS0048764). Auch bei dieser ist jedoch (ebenso wie bei einer Minderjährigenadoption) Voraussetzung für die Bewilligung, dass eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll, wenngleich dies unter Erwachsenen nicht überbetont werden darf und auch eine (bloße, aber jedenfalls) nähere Beziehung unter Umständen als ausreichend erachtet wird (RIS-Justiz RS0048766; SZ 69/292). Im vorliegenden Fall ist nun davon auszugehen, dass zwischen den vertragsschließenden Teilen jedenfalls weder (irgend-)ein verwandtschaftliches Verhältnis besteht noch (abgesehen von den altersmäßigen Daten) eine sonstige Beziehung, die einem Verhältnis Eltern-Kind entsprechen würde. Während die präsumtiven Adoptiveltern als österreichische Staatsbürger auch schon in Österreich leben, sind die präsumtiven Adoptivkinder (bzw der im Revisionsrekurs lediglich noch allein als solcher auftretende präsumtive Wahlsohn) rumänische Staatsbürger mit (offenbar ausschließlichem) Wohnsitz in diesem ihrem ausländischen Heimatstaat. Dass sie bzw er überhaupt beabsichtigen, nach Österreich zu übersiedeln, wurde weder behauptet noch ist derartiges sonst aktenkundig, jedoch zumindest naheliegend, nimmt man den im vorgelegten Adoptionsvertrag gewählten Passus, wonach die Wahlkinder ihre Wahleltern aufgrund deren fortgeschrittenen Alters "persönlich und emotional unterstützen" sollen, auch ernst. Diese Verbesserung der privaten Altersaussichten der Adoptiveltern soll ja auch ihr "gerechtfertigtes Anliegen" im Sinne des § 180a Abs 1 dritter Satz ABGB begründen. Auch wenn das Fehlen einer übereinstimmenden Wohnadresse bzw des Vorliegens einer gemeinsamen Wohnung bei eigenberechtigten Vertragsschließenden eines Adoptionsvertrages für sich allein nicht schaden muss (und soll: vgl LGZ Wien EFSlg 71.929), so handelt es sich hier doch um Personen, die erst aus dem Ausland nach Österreich ziehen müssten, deren fremdenrechtlicher Status und damit auch deren Integration in der neuen Heimat (rechtlich wie faktisch) völlig ungewiss sind. Weder besondere wirtschaftliche noch (und vor allem) besondere familiäre Bindungen - abgesehen von einer im Raum stehenden unbestimmten Bekanntschaft zwischen den Wahleltern und den (teilweise bereits verstorbenen) leiblichen Eltern der Adoptivkinder - liegen damit in besonderer Auffälligkeit oder Offenkundigkeit vor, sodass der Verdacht einer beabsichtigten unzulässigen Gesetzesumgehung (zur Einreise und zum weiteren Verbleib in Österreich) nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit ausgeschlossen werden kann. Die (ausschließliche) Erleichterung des Erhaltes einer Arbeitsund/oder Aufenthaltsbewilligung ohne die vom Gesetz geforderte personenbezogene und die grundsätzlich auch bei einer Erwachsenenadoption geforderte familienrechtliche Begründung (Herstellung) einer (zusätzlichen) Eltern-Kind-Beziehung (Stabentheiner in Rummel, ABGB3 Rz 1 zu § 180a; Schwimann in Schwimann, ABGB² Rz 2 zu § 180a) wäre aber damit jedenfalls zu wenig (insoweit zutreffend LGZ Wien in EFSlg 93.213, wonach die bloße Umgehung fremdenrechtlicher Bestimmungen kein gerechtfertigtes Interesse an der Adoption darzustellen vermag). Dass sich die Adoptiveltern bereits derzeit in einem pflegebedürftigen Zustand befänden (vgl nochmals Stabentheiner, aaO Rz 3 zu § 180a) und hiefür der Unterstützung (Pflege) der Adoptivkinder bedürften oder dass eine sonstige bereits innig besehende Bindung durch die Adoption gleichsam in ein rechtlich gesichertes Verhältnis übergeleitet und umgebettet werden sollte, wie dies Gegenstand der Entscheidung SZ 59/131 war (von der abzugehen - entgegen der Annahme des Rekursgerichtes in seinem Zulassungsausspruch - keine Veranlassung besteht), behaupten sie nicht einmal selbst und ist solches zufolge des nicht bloß örtlich, sondern sogar staatenmäßig getrennten Wohnsitzes beider Teile geradezu auszuschließen. Dass die Herstellung eines solchen Verhältnisses (möglicherweise erst und zeitlich ungewiss) beabsichtigt ist, reicht jedoch dann nicht, wenn die Realisierungsmöglichkeiten ungewiss oder gar unwahrscheinlich sind (ausführlich 3 Ob 509/91 = EFSlg XXVIII/4; Schwimann, aaO Rz 1 zu § 180a), etwa wenn sich - wie hier - das Wahlkind im Ausland befindet und es nicht abzusehen ist, wann ihm eine Einreisebewilligung erteilt wird (Schwimann, aaO mwN). Zwischen den vertragsschließenden Teilen fehlt es hier daher schon an der jedenfalls erforderlichen "näheren persönlichen Beziehung" (SZ 69/292).

Alle diese Annahmen lassen sich bereits aus dem derzeitigen Akteninhalt schlüssig und ausreichend ableiten. Der Vorwurf, das Rekursgericht hätte diese auch vom Obersten Gerichtshof gebilligten Prämissen begründungslos, unvollständig und nur auf Mutmaßungen gestützt getroffen und damit die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit bzw Aktenwidrigkeit erfüllt, trifft damit ebenfalls nicht zu, was gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO iVm § 16 Abs 4 AußStrG keiner weiteren Begründung bedarf.

Auf den Umstand, ob das Gericht im vorliegenden Fall aufgrund des Eventualantrages laut Punkt V des vorgelegten Vertrages (Einzelbewilligung anstatt der Bewilligung der Adoption für beide Wahlkinder) eine zulässige Ausnahme vom Grundsatz vornehmen dürfte, wonach das Pflegschaftsgericht grundsätzlich nicht berechtigt ist, Änderungen eines Adoptionsvertrages vorzunehmen (3 Ob 521/95 mwN), braucht damit nicht mehr näher eingegangen zu werden. Die Vorinstanzen haben somit zutreffend und ohne rechtliche Fehlbeurteilung dem vorgelegten Vertrag die Genehmigung versagt (idS auch 1 Ob 111/02g bei ähnlicher Sachverhaltslage). Dem hiegegen ankämpfenden Revisionsrekurs war damit keine Folge zu geben.