OGH vom 23.04.1996, 1Ob2014/96z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Michael E*****, vertreten durch Dr.Peter Weidisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. M***** Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ***** 2. Gerlinde P*****, und 3. Josip P*****, alle vertreten durch Dr.Johann Eder, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 180.000 S sA infolge Rekurses der erstbeklagten Partei (Rekursinteresse 144.000 S sA) gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgerichts vom , GZ 2 R 130/95-25, womit die Berufung der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 3 Cg 273/93-21, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird im Punkt 1. seines Spruchs ersatzlos aufgehoben.
Das Begehren der erstbeklagten Partei, „Kostenersatz für diesen Rekurs zuzuerkennen“, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluß vom trug das Berufungsgericht der erstbeklagten Partei aus Anlaß deren Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom gemäß § 6 Abs 2 ZPO auf, „binnen vier Monaten
a) dem Berufungsgericht einen vor dem datierten Notariatsakt in deutscher Sprache vorzulegen, aus dem hervorgeht, daß die Firma M***** GmbH mit Sitz in Freilassing ihre Geschäftsanteile (76 %) an der erstbeklagten Partei an die Firma M***** mit Sitz in Zagreb abgetreten hat, oder
b) durch Vorlage eines neuen Firmenbuchauszuges zu bescheinigen, daß die erstbeklagte Partei im Zeitpunkt der Berufungserhebung in Liquidation war, die Parteienbezeichnung dementsprechend zu berichtigen und gemäß § 30 Abs 2 ZPO zu erklären, daß er (Anmerkung: der Beklagtenvertreter) von den registrierten Liquidatoren der erstbeklagten Partei zur Einbringung der Berufung bevollmächtigt worden ist.“
In der Begründung dieses Beschlusses wurde u.a. ausgeführt:
„Unter Bedachtnahme auf die bevorstehenden Gerichtsferien und in der Erwägung, daß die Beschaffung des erforderlichen Notariatsaktes für den Beklagtenvertreter möglicherweise nicht leicht sein wird und ihm auch für die Befolgung des Eventualauftrages eine angemessene Zeitspanne eingeräumt werden muß, setzt das Berufungsgericht die Sanierungsfrist gemäß § 6 Abs 2 ZPO zunächst einmal mit vier Monaten fest. Bei der derzeitigen Arbeitsüberlastung des Senates 2 wäre ohnehin vor vier Monaten nicht mit der Ausschreibung einer mündlichen Berufungsverhandlung zu rechnen, sodaß vorerst kein Anlaß besteht, das Berufungsverfahren hinsichtlich der erstbeklagten Partei und der beiden anderen Berufungswerber getrennt zu führen. Sollte jedoch aus prozeßökonomischen Erwägungen entweder die Berufung der erstbeklagten Partei zurückgezogen oder die Klage gegen die erstbeklagte Partei unter Anspruchsverzicht zurückgenommen werden, soweit sie den in der Berufung unbekämpft gelassenen Zuspruch übersteigt, dann wird sich eine Befolgung dieses auf § 6 Abs 2 ZPO gegründeten Sanierungsauftrags erübrigen und wird dies mit einem weiteren Beschluß des Berufungsgerichts zum Ausdruck gebracht werden.“
Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde dem für die erstbeklagte Partei unter Berufung auf eine erteilte Prozeßvollmacht als Vertreter einschreitenden Rechtsanwalt am zugestellt. Dieser gab sodann am eine als „Urkundenvorlage“ bezeichnete Eingabe zur Post und legte damit in Entsprechung der lit a) des Auftrags des Berufungsgerichts vom einen mit datierten Notariatsakt über die Abtretung des von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im folgenden kurz: GmbH) mit Sitz in Freilassing (Bundesrepublik Deutschland) gehaltenen Geschäftsanteils an der erstbeklagten Partei an die im Beschluß des Gerichts zweiter Instanz bezeichnete kroatische Gesellschaft vor. Bei Abschluß dieses Abtretungsvertrags wurde die deutsche Gesellschaft durch die Zweitbeklagte „als allein zeichnungsberechtigte Geschäftsführerin“ und die kroatische Gesellschaft durch den Drittbeklagten „als allein zeichnungsberechtigter Direktor“ vertreten.
Das Berufungsgericht wies diese „als Urkundenvorlage bezeichnete Eingabe“ mit Beschluß vom zurück und führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus, daß die im Beschluß vom festgesetzte Sanierungsfrist am geendet habe, weil deren Lauf durch die Gerichtsferien vom 15.Juli bis nicht gehemmt worden sei. Das sei in der Begründung des Sanierungsauftrags durch die Wendung „unter Bedachtnahme auf die bevorstehenden Gerichtsferien“ und den Hinweis, „daß vor vier Monaten ohnehin nicht mit der Ausschreibung einer mündlichen Berufungsverhandlung zu rechnen“ sei, zum Ausdruck gebracht worden. Dem Sanierungsauftrag sei aber durch die Vorlage des Notariatsakts vom auch inhaltlich nicht entsprochen worden, weil der Drittbeklagte - entgegen dem sonstigen Akteninhalt - mit dem akademischen Grad „Diplomingenieur“ bezeichnet und überdies, wie sich aus einem vom Landesgericht Salzburg als Firmenbuchgericht „beigeschafften Vertretungsnachweis“ ergebe, „nur stellvertretender Direktor“ der kroatischen Gesellschaft gewesen sei; als solcher habe er aber am nicht als „allein zeichnungsberechtigter Direktor dieses kroatischen Unternehmens die diesem angeblich abgetretenen Geschäftsanteile der erstbeklagten Partei übernehmen“ können. Die Generalversammlung der erstbeklagten Partei habe daher am auch keinen rechtswirksamen Beschluß auf Fortsetzung der Gesellschaft fassen können, nachdem zuvor ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der erstbeklagten Partei mit Beschluß des Landesgerichts Salzburg vom mangels Vermögens rechtskräftig abgewiesen worden sei und das Landesgericht Salzburg als Firmenbuchgericht mit Beschluß vom angekündigt habe, die erstbeklagte Partei gemäß § 2 AmtsLG von Amts wegen zu löschen.
Einem im Akt erliegenden Firmenbuchauszug des Landesgerichts Salzburg als Firmenbuchgericht vom ist zu entnehmen, daß die erstbeklagte Partei am als „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ registriert wurde, das Landesgericht Salzburg mit Beschluß vom „“ eine „Konkursabweisung mangels Vermögens“ aussprach und die „Fortsetzung der Gesellschaft“ aufgrund des Generalversammlungsbeschlusses vom eingetragen wurde. Seit ist der Drittbeklagte deren „selbständig“ vertretungsbefugter Geschäftsführer. Er ist aber auch Minderheitsgesellschafter. Mehrheitsgesellschafterin ist jene kroatische Gesellschaft, auf die sich der Sanierungsauftrag vom bezog.
Aus den mit dem Rekurs vorgelegten beglaubigten Übersetzungen von Registerauszügen des Kreis-Wirtschafts-Gerichts Zagreb in Kroatien folgt, daß die „M*****“ („M***** Betrieb für Verkehr und Dienstleistungen mit voller Haftung“) am eingetragen wurde und der Drittbeklagte „den Betrieb im Außenhandelsverkehr, unbeschränkt, im Rahmen der Tätigkeit“ als „geschäftsführender Direktor“ vertritt. Am wurde im Register sodann anstelle der Bezeichnung des Drittbeklagten als „geschäftsführender Direktor“ eingetragen, daß dieser „den Betrieb uneingeschränkt im Rahmen der Tätigkeit“ als „Direktor“ vertritt.
Der Rekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der erkennende Senat vermag die Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu teilen, daß die in dessen Beschluß vom eingeräumte Sanierungsfrist am abgelaufen sei. Aus dem Spruch jenes Beschlusses ist nämlich nicht erkennbar, daß die Gerichtsferien vom 15.Juli bis 25.August keine fristhemmende Wirkung haben sollten. Eine derartige Schlußfolgerung läßt sich mit der erforderlichen Eindeutigkeit aber auch nicht aus den fristbezogenen Erwägungen in der Beschlußbegründung ziehen. Der Hinweis, die Fristbestimmung sei „unter Bedachtnahme auf die bevorstehenden Gerichtsferien und in der Erwägung, daß die Beschaffung des erforderlichen Notariatsaktes für den Beklagtenvertreter möglicherweise nicht leicht sein wird und ihm auch für die Befolgung des Eventualauftrags eine angemessene Zeitspanne eingeräumt werden muß“, erfolgt, kann nämlich auch so verstanden werden, daß es einer längeren Frist als der von vier Monaten deshalb nicht bedurft habe, weil diese für einen „nicht leicht“ zu erfüllenden Auftrag ohnehin auch noch durch die Gerichtsferien verlängert werde. Es ist daher nach den vom erkennenden Senat in SZ 48/26 dargestellten Grundsätzen davon auszugehen, daß die der erstbeklagten Partei mit dem Beschluß des Berufungsgerichts vom eingeräumte Sanierungsfrist erst am zu laufen begann, weil die Beschlußzustellung am , also am Tag vor Beginn der Gerichtsferien, erfolgte. Demnach war die Sanierungsfrist am noch nicht abgelaufen, als die erstbeklagte Partei dem zu lit a) des Beschlusses vom erteilten Auftrag auf Vorlage eines bestimmten Notariatsakts entsprochen hatte.
Unter Mitberücksichtigung der zur Dartuung der Rekursgründe vorgelegten Urkunden ist - entsprechend dem vom Berufungsgericht erteilten Auftrag - jetzt auch belegt, daß eine kroatische Gesellschaft, für die der Drittbeklagte als „geschäftsführender Direktor“ bei Abschluß des Abtretungsvertrags vom „unbeschränkt“ vertretungsbefugt war, Mehrheitsgesellschafterin der erstbeklagten Partei wurde. Die Tatsache, daß sich der Drittbeklagte im genannten Abtretungsvertrag mit einem akademischen Grad bezeichnen ließ, obwohl er einen solchen nach dem sonstigen Akteninhalt nicht erworben haben dürfte, ändert nichts an dessen nunmehr nachgewiesenen Vertretungsbefugnis für die Mehrheitsgesellschafterin der erstbeklagten Partei, weil nicht zweifelhaft ist, daß „Diplomingenieur Josip P*****“(Bezeichnung im Abtretungsvertrag vom ) mit „Josip P*****“ (Bezeichnung in der Eintragung des kroatischen Registergerichts) identisch ist und es sich dabei, wie auch das Berufungsgericht annahm, um den Drittbeklagten handelt. Der vom Gericht zweiter Instanz im angefochtenen Beschluß herangezogene Zurückweisungsgrund erweist sich demnach als nicht tragfähig, weil auch der Generalversammlungsbeschluß vom auf Fortsetzung der Gesellschaft nur von den im Firmenbuch eingetragenen Gesellschaftern gefaßt werden konnte. In diesem Zeitpunkt hielt nämlich nicht mehr eine deutsche Kapitalgesellschaft mit Sitz in Freilassing, sondern die vom Drittbeklagten vertretene kroatische Gesellschaft einen Mehrheitsgesellschaftsanteil an der erstbeklagten Partei.
Der angefochtene Zurückweisungsbeschluß ist daher ersatzlos zu beheben, womit sich das Berufungsverfahren gegen die erstbeklagte Partei wieder im Stadium der Vorprüfung gemäß den §§ 470 f ZPO befindet. In diesem Zusammenhang ist allerdings klarzustellen, daß das Berufungsgericht nach dem vorerst zur Verfügung gestandenen Akteninhalt berechtigte Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertretung der erstbeklagten Partei haben konnte. Diese bestehen auch nach Wegfall des vom Gericht zweiter Instanz herangezogenen Zurückweisungsgrunds aus folgenden Erwägungen weiter:
Wird der auf eine GmbH bezogene Antrag auf Eröffnung des Konkurses - wie hier in Ansehung der erstbeklagten Partei - mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig abgewiesen, ist die Gesellschaft gemäß § 1 Abs 1 AmtsLG kraft Gesetzes aufgelöst (GesRZ 1994, 303; GesRZ 1992, 286; Koppensteiner GmbHG-Kommentar Rz 17 zu § 84; Gellis/Feil, GmbHG-Kommentar3 Rz 7 zu § 84; ebenso die deutsche Rechtslage: vgl etwa Lutter/Hommelhoff, GmbHG-Kommentar14 Rz 35 zu § 60). Das vom eingetretenen Auflösungsgrund zu verständigende Firmenbuchgericht hat die Auflösung gemäß § 1 Abs 2 AmtsLG von Amts wegen in das Firmenbuch einzutragen (Koppensteiner aaO; Gellis/Feil aaO). Es ist zwar grundsätzlich möglich, eine aufgelöste GmbH aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses fortzusetzen (SZ 37/137; MietSlg 21.507/39; SZ 15/2; Koppensteiner aaO Rz 29 zu § 84; Gellis/Feil aaO Rz 9 zu § 84); trat jedoch die Auflösung der Gesellschaft gemäß § 1 Abs 1 AmtsLG kraft Gesetzes ein, weil ein Antrag auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig abgewiesen wurde, kann sie jedenfalls nur unter der Voraussetzung des Nachweises, daß der gesetzliche Auflösungsgrund weggefallen ist, rechtswirksam fortgesetzt werden. Es ist also ein Vermögensstatus zu beweisen, nach dem ein Konkurseröffnungsgrund nicht (mehr) vorliegt (GesRZ 1994, 303; GesRZ 1992, 287; Koppensteiner aaO Rz 30 und 34 zu § 84). Das Firmenbuchgericht hat Eintragungsgesuche in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen. Im Verfahren herrscht der Untersuchungsgrundsatz (WBl 1996, 165). Das ändert jedoch nichts daran, daß die Eintragung des Generalversammlungsbeschlusses vom auf Fortsetzung der erstbeklagten Partei im Firmenbuch - nach der soweit herrschenden Ansicht - nur deklarative Wirkung hat (Koppensteiner aaO Rz 35 zu § 84; Gellis/Feil aaO Rz 10 zu § 84; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG-Kommentar8 Rz 53 zu § 60; Rasner in Rowedder, GmbHG-Kommentar2 Rz 57 zu § 60; aM Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 693). Somit streitet lediglich eine durch den Beweis des Gegenteils widerlegbare Vermutung für deren Richtigkeit (Schenk in Straube, HGB I2 Rz 15 zu § 8 mwN). Wäre demnach die erstbeklagte Partei aber etwa - unbeschadet des im Firmenbuch eingetragenen Fortsetzungsbeschlusses vom - etwa mangels Erfüllung der materiellrechtlichen Voraussetzungen nicht rechtswirksam fortgesetzt worden, hätte sich an deren kraft Gesetzes eingetretenen Zustand der Auflösung nichts geändert. Sie wäre gemäß § 89 Abs 1 GmbHG in das Abwicklungsstadium getreten (Koppensteiner aaO Rz 26 zu § 84), in dem ihre Vertreter nicht mehr die Geschäftsführer, sondern die Liquidatoren sind, die allerdings gewöhnlich mit den Geschäftsführern identisch sind (Koppensteiner aaO Rz 10 zu § 89; Gellis/Feil aaO Rz 2 f zu § 89). Im weiteren Vorprüfungsverfahren könnten daher die vom Berufungsgericht in dessen Beschluß vom dargelegten und auf die Liquidation einer aufgelösten GmbH bezogenen Gründe für die Prüfung einer wirksamen Bevollmächtigung des für die erstbeklagte Partei als Vertreter einschreitenden Rechtsanwalts von Bedeutung sein.
Abschließend ist anzumerken, daß hier jedenfalls kein Anwendungsfall des § 35 Abs 1 ZPO vorliegt, weil sich der Beklagtenvertreter erst in seiner am zur Post gegebenen Klagebeantwortung auf eine ihm auch von der erstbeklagten Partei erteilte Prozeßvollmacht berief; dagegen wurde die als gesetzlicher Auflösungsgrund wirkende Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der erstbeklagten Partei bereits mit Beschluß des Landesgerichts Salzburg vom , wie vom Berufungsgericht festgestellt, oder am , wie im Firmenbuchauszug vom dargestellt, ausgesprochen.
Die erstbeklagte Partei begehrte für ihren Rekurs zwar Kostenersatz, sie versäumte jedoch ein Kostenverzeichnis zu legen, sodaß dieser Antrag gemäß § 54 Abs 1 ZPO zufolge abzuweisen ist.