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OGH vom 10.11.1992, 5Ob100/92

OGH vom 10.11.1992, 5Ob100/92

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. Dipl.Ing.Thomas W*****, Universitätsassistent, ***** und 2. Dipl.Ing.Romana W*****, Bauleiterin, ***** beide vertreten durch Dr.Georg Zakrajsek, öffentlicher Notar in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechtes und anderer Grundbuchseintragungen ob der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches *****, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 46 R 2007/92, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom , TZ 4631/91, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bewilligte ob der im Kopf dieser Entscheidung genannten Liegenschaft die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Antragsteller je zur Hälfte sowie die Einverleibung zweier Pfandrechte im gleichen Rang zur Sicherstellung je einer Forderung einer Bausparkasse, wies aber das Mehrbegehren auf Anmerkung der Verpflichtung der Liegenschaftseigentümer, die Pfandrechte im Tilgungsfalle vorbehaltslos löschen zu lassen, ab.

Das Erstgericht begründete den abweisenden Teil seines Beschlusses - nur dieser ist Gegenstand des Verfahrens beim Obersten Gerichtshof - damit, daß eine Löschungsverpflichtung gemäß § 469 a ABGB nur gegenüber einem Nachhypothekar oder nachfolgenden Buchberechtigten rechtswirksam erklärt werden könne, jedoch nicht dem Gläubiger gegenüber, dem das zu löschende gleichrangige Pfandrecht eingeräumt worden sei.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht führte rechtlich im wesentlichen folgendes aus:

Gemäß § 469 a ABGB könne bei der Bestellung einer bestimmten Hypothek auf das Verfügungsrecht hierüber nicht wirksam verzichtet werden, die Forderung dürfe also nicht von vornherein als unkonvertierbar eingetragen werden. Dies diene dem Schutz des Pfandschuldners vor der wirtschaftlichen Überlegenheit des Gläubigers, der sonst die spätere Ausnützung des Ranges für die Aufnahme eines (billigeren) Abstattungskredites verhindern könnte. Einem anderen gegenüber, sei es (wie im Regelfall) ein Nachhypothekar, ein anderer Buchberechtigter oder auch der gleiche Gläubiger zugunsten einer anderen Pfandforderung (Petrasch in Rummel, ABGB2, Rz 1 f zu § 469 a), sei der Verzicht auf das Verfügungsrecht wirksam.

Da im vorliegenden Fall die Löschungsverpflichtungen gerade gegenüber dem Gläubiger, für den die Pfandrechte im gleichen Rang bestellt worden seien, angemerkt werden sollten und die Verpflichtungen jeweils am selben Tag wie die Bestellungen des Pfandrechtes eingegangen wurden, fielen sie unter das angeführte gesetzliche Verbot und seien daher unwirksam.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur hier entscheidungswesentlichen Frage eine unterschiedliche Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz bestehe, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hingegen fehle.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Antrag auf Anmerkung der Löschungsverpflichtungen Folge gegeben werde.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 469 ABGB ist zur Aufhebung einer Hypothek die Tilgung der Schuld allein nicht hinreichend. Ein Hypothekargut bleibt solange verhaftet, bis die Schuld aus den öffentlichen Büchern gelöscht ist. Bis dahin kann der Eigentümer des Gutes auf Grund einer Quittung oder einer anderen das Erlöschen der Pfandschuld dartuenden Urkunde das Pfandrecht auf eine neue Forderung übertragen, die den Betrag der eingetragenen Pfandforderung nicht übersteigt. Nach § 469 a ABGB kann bei Bestellung des Pfandrechtes auf dieses Verfügungsrecht nicht verzichtet werden. Verpflichtet sich jedoch der Eigentümer einem anderen gegenüber, eine bestimmte Hypothek löschen zu lassen, so kann er über die Hypothek nicht verfügen, wenn diese Verpflichtung im öffentlichen Buch bei der Hypothek angemerkt ist. Unter den "anderen" ist - wie das Rekursgericht zutreffend ausführt - im Regelfall ein Nachhypothekar (wegen seines Vorrückungsrechtes), aber auch jeder andere Buchberechtigte (SZ 61/256) zu verstehen, ja auch derselbe Gläubiger rücksichtlich einer anderen Forderung (siehe Demelius in NZ 1968, 68 [69] mit Billigung der so handelnden Grundbuchspraxis; Petrasch in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 469 a).

Strittig ist hingegen in der - nur vorhandenen - Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz (MGA-Grundbuchsrecht4 § 13 GBG/E 46 und 67) sowie in der Lehre (Petrasch in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 469 a; Demelius in NZ 1968, 68 ff; Schmelz in NZ 1967, 151; Hofmeister in der Besprechung einer in NZ 1990/165 veröffentlichten Entscheidung des LGZ Wien), ob bei gleichzeitiger Bestellung von zwei Pfandrechten für denselben Gläubiger im gleichen Rang bei Bestellung des einen Pfandrechtes auf das Verfügungsrecht über das andere verzichtet werden kann. Das LGZ Wien verneinte dies in der in NZ 1990/165 veröffentlichten Entscheidung mit der auch in der hier zu beurteilenden Rechtssache vom Rekursgericht angeführten Begründung. In der Besprechung dieser Entscheidung beschäftigte sich Hofmeister ausführlich mit dieser Problematik, ging auf die Meinungen von Demelius und Schmelz ein und kam zu folgendem, vom erkennenden Senat gebilligten Ergebnis (NZ 1990, 44 f):

Zu Recht hat zunächst die Rechtsprechung die Zulässigkeit der Anmerkung der Löschungsverpflichtung zugunsten eines mit dem vorrangigen Pfandgläubiger identen Gläubigers der nachfolgenden pfandrechtlich sichergestellten Forderung bejaht. Vom Zweck der Löschungsverpflichtung gemäß § 469 a ABGB war die Gleichstellung des "identen" nachstelligen Hypothekars mit dem nicht identen geboten, weil der erstere im Hinblick auf die Schaffung einer Vorrückungschance nicht schlechter gestellt sein durfte als der letztere.

Das zweite Problem, das eine - wohl ausschließlich von den Bausparkassen (wie auch hier) betriebene - Praxis an die Rechtsprechung herantrug, ist die Eintragung von Löschungsanmerkungen bei zwei oder mehreren gleichrangigen Hypotheken. Mit Recht gab auch hier Demelius dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Interessen Vorrang gegenüber dem Wortlaut ("andern") und widerlegte das von Schmelz vorgetragene Argument, Löschungsanmerkungen zugunsten oder zu Lasten von gleichrangigen Hypotheken seien auch deshalb unzulässig, weil sie im Hinblick auf das Gutachten des Obersten Gerichtshofes (SZ 1/101) überflüssig seien: Dieses Gutachten befaßt sich mit der Frage, welche Rechtsverhältnisse entstehen, wenn der Eigentümer nach Teiltilgung der Hypothekarforderung über den freiwerdenden Stellenteil gemäß § 469 ABGB oder nach den §§ 58 und 59 GBG verfügt, und entschied auf Vorrangigkeit des "alten" Hypothekenteils gegenüber dem auf die neue Forderung übertragenen. Bei vollständiger oder teilweiser Tilgung einer von zwei gleichrangigen Hypotheken kann die bloße Existenz der anderen den Eigentümer an der Ausübung seines Verfügungsrechtes nicht hindern. Verweigert man daher dem Inhaber zweier gleichrangiger Hypotheken jegliche Anmerkungsmöglichkeit, so ist er schlechter gestellt als der Hypothekar, dem nur eine Hypothek im Umfang der Summe beider gleichrangiger Hypotheken zusteht, weil der Inhaber bloß einer Hypothek mit dem noch aushaftenden Teil gegenüber Neuverfügungen bzw Vorrückungen stets im Vorrang bleibt. Die Gleichbehandlung erfordert daher die Zulässigkeit der Löschungsanmerkung auch zugunsten des gleichrangigen Hypothekars, weil er im gleichen Maße schutzwürdig ist wie ein "anderer". Freilich muß der Hypothekar dann dafür sorgen, daß der Eigentümer zuerst die der Löschungspflicht unterworfene Hypothek tilgt und erst darnach die verpflichtungsfreie.

Nach Demelius wäre aus dem Blickwinkel des "Doppelhypothekars" zweifellos die perfekteste Lösung, wechselseitige Löschungsverpflichtungen auf beiden gleichrangigen Hypotheken zuzulassen, weil ihm in einem solchen Fall vereinbarungswidrige Tilgungen durch den Eigentümer nicht zum Nachteil gereichen können. Der neuerlich anzustellende Vergleich mit dem Inhaber bloß einer Hypothek über den Gesamtbetrag der beiden Teilhypotheken aber läßt klar erkennen, daß wechselseitige Löschungsverpflichtungen und -anmerkungen nicht bloß eine Gleichstellung, sondern eine Besserstellung des Gläubigers bewirken und damit eine ungerechtfertigte Schlechterstellung des Eigentümers. Der Eigentümer könnte nämlich von seinem Verfügungsrecht überhaupt erst dann Gebrauch machen, wenn beide gleichrangigen Hypotheken vollständig getilgt wären. Damit läge dasselbe Ergebnis vor, wie wenn der Eigentümer dem Inhaber der einen Hypothek über den Gesamtbetrag gegenüber schon bei der Bestellung auf sein Verfügungsrecht verzichtet hätte. Damit wäre aber der selbst bei restriktivster Interpretation des § 469 a ABGB eindeutig als "harter Kern" übrigbleibende Regelungsinhalt ausgeschaltet, daß nämlich nicht zugunsten des Hypothekars, für den die Hypothek bestellt wird, anläßlich der Bestellung auf das Verfügungsrecht verzichtet werden kann.

Zusammenfassend ist also festzuhalten, daß es in Rücksicht auf § 469 a ABGB zwar gestattet ist, anläßlich der Bestellung zweier gleichrangiger Hypotheken eine mit einer Löschungsverpflichtung zu belegen, nicht aber beide; bei mehreren ist so vorzugehen, als ob sie untereinander in einem Rangverhältnis stünden, wobei sich dieses nach der vom Antragsteller frei bestimmbaren Reihenfolge der Eintragungen richtet.

Diesen überzeugenden Ausführungen Hofmeisters, denen der erkennende Senat folgt, ist nichts hinzuzufügen.

In der hier zu beurteilenden Rechtssache ist weder vom Antragsteller im Grundbuchsgesuch noch vom Pfandgläubiger in den Pfandbestellungsurkunden eine Reihenfolge der beiden Hypotheken vorgesehen. Es kann daher bei keiner die Anmerkung der Löschungsverpflichtung bewilligt werden. Dies würde nämlich gegenüber dem Begehrten nicht ein minus, sondern ein aliud darstellen.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.